Beim Haushalt des Integrationsministeriums sprechen wir zu gegebenermaßen über einen kleinen Etat, über insgesamt et wa 75 Millionen €. Integration gelingt allerdings nicht einfach dadurch, dass wir spektakuläre Maßnahmen und Prestigeob jekte mit Unsummen bedenken, sondern durch die Beseiti gung struktureller Hindernisse, manchmal auch durch kleine wirkungsvolle Verbesserungen im Alltag und – dabei gebe ich Ihnen recht, Herr Lasotta – durch die Stärkung der kommu nalen Strukturen.
Entscheidend ist, dass wir die Menschen mit Migrationshin tergrund auch in ihren Bedürfnissen erreichen und ihnen das Gefühl geben, ein akzeptierter Teil dieser Gesellschaft zu sein. Rechte und Pflichten gehören dazu, aber auch Wertschätzung und zielgerichtete Hilfen. Integration ist an dieser Stelle auch ein wechselseitiger Prozess. Das gelingt uns als Mehrheitsge sellschaft jedoch nicht immer. Ein trauriger Tiefpunkt in die ser Hinsicht war die Enthüllung der neonazistischen Mordse rie des NSU im vergangenen Jahr. Das hat viele Menschen enttäuscht und verstört, besonders aber die Menschen mit Mi grationshintergrund.
Wir erreichen Integration also nicht allein durch Programme, sondern wir brauchen dazu neben der Integrationsbereitschaft der Migrantinnen und Migranten auch eine Gesellschaft, die für diese offen ist, die die besonderen Erfordernisse erkennt und auch anerkennt, die den Dialog sucht und die Vorausset zungen für Integration schafft.
Wenn sich die Menschen hier ernst genommen und akzeptiert fühlen und sich mit ihrer Gemeinde und auch mit dem Land Baden-Württemberg identifizieren, dann sind wir auf einem guten Weg, dass Integration gelingen kann.
Ein zweiter Grund, warum der Haushalt des Integrationsmi nisteriums einen relativ geringen Umfang hat, liegt darin – das kann ich Ihnen auch nennen; Sie haben es selbst erwähnt –: In tegration ist eine Querschnittsaufgabe, und weil es eine Quer schnittsaufgabe ist, stecken auch viele integrationspolitische Aufgaben und Maßnahmen in den Haushalten anderer Res sorts.
Ich würde aber trotzdem – das ist eine wirklich wichtige Bot schaft – nicht unterschätzen, welche Rolle dieses Ministeri um als Ansprechpartner für die Menschen mit Migrationshin tergrund hier im Land spielt, welche Rolle es für die Verbän de der Migrantinnen und Migranten, für die religiösen Ge meinschaften bei der Wahrnehmung ihrer Interessen, ihrer An liegen spielt, dabei, wahrgenommen zu werden und in dem Ministerium einen Dialogpartner zu haben, der sich wirklich nachhaltig und spürbar für diese Menschen einsetzt.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der CDU: Dafür braucht man ein eigenes Ministerium?)
Ein Kernbaustein der Integrationspolitik dieser grün-roten Landesregierung wird die neue Schul- und Bildungspolitik sein. Kindertageseinrichtungen und Schulen erhalten die Schlüs selrolle für Sprachförderung. Die neue Gemeinschaftsschule, die Abschaffung der Grundschulempfehlung, der Ausbau der Ganztagsschulangebote und auch die Abschaffung der Studi engebühren sind integrationspolitisch wirksame Maßnahmen in der Bildungspolitik. Diese Maßnahmen werden auch in der Bevölkerung sehr wohl angenommen und anerkannt. In der Bildungspolitik müssen wir das Versprechen der Chancenge rechtigkeit einlösen. Man kann auch sagen: Chancengleich heit ist der zentrale Ansatz der Integrationspolitik dieser Lan desregierung.
Im Koalitionsvertrag haben Grüne und SPD ein Bekenntnis zur aktiven Integrationspolitik für diese Menschen abgelegt, die inzwischen 25 % der Landesbevölkerung ausmachen, in manchen Städten und Gemeinden sogar schon mehr als 40 % der Bevölkerung. Leider sind diese Menschen signifikant schlechter ausgebildet, häufiger arm, häufiger erwerbslos, häu figer krank und in aller Regel auch schlechter informiert.
Diese Defizite, diese Vertrauensdefizite müssen wir Schritt für Schritt beseitigen. Dazu ist dieser Haushalt der Anfang, der Anfang mit einem neuen Ministerium. Die Maßnahmen, die die Ministerin auch schon in der vergangenen Woche vorge stellt hat, betreffen z. B. die Bereiche der interkulturellen Öff nung der Verwaltung, beispielsweise bei der Polizei. Wir wer den das sicherlich auch im ganzen Bereich des Schulwesens dringend brauchen. Es geht um die politische Partizipation und das Staatsbürgerschaftsrecht.
Eine Frage, die auch von Ihrer Fraktion in der Integrationsde batte oft gern auf die lange Bank geschoben wird, ist die Fra ge des Aufenthaltsstatus; denn die rechtliche Unsicherheit be lastet die Menschen, zermürbt sie und zerstört letztlich auch viele Familien.
Wir müssen diesen Zustand beenden, dass Menschen zehn Jahre lang und länger hier leben und arbeiten, aber immer wie der nur für drei Monate geduldet werden und von Abschie bung bedroht sind.
Ich möchte Ihnen auch noch etwas zum Thema Einbürgerun gen sagen, die auch einen Schwerpunkt dieses Ministeriums
bilden. Den Menschen mit Migrationshintergrund wird die politische Partizipation im Wesentlichen vorenthalten. Gleich zeitig sind in Deutschland die Hürden für eine Einbürgerung relativ hoch. Im Jahr 2010 ist die Zahl der Einbürgerungen in Relation zur ausländischen Bevölkerung in Baden-Württem berg leider so gering gewesen, dass es unter den westdeut schen Ländern nur für den letzten Platz gereicht hat und wir im negativen Sinn nur noch von Thüringen, Sachsen und Brandenburg überholt worden sind.
Ich glaube, das zeigt, dass die Praxis in Baden-Württemberg hinsichtlich der Einbürgerung zu restriktiv ist. Das ist ein Punkt, den wir ändern müssen. Da geht es z. B. um Themen wie die Hinnahme von Mehrstaatigkeit, die Behandlung von Wehrpflichtigen, die Behandlung von älteren Personen und letztlich um die Einbürgerung anerkannter Flüchtlinge.
Sie haben die Flüchtlingshilfe erwähnt. In diesem Bereich se hen wir in der Tat einen hohen Steuerungsbedarf. Ich möchte an dieser Stelle noch zwei Projekte aus dem Flüchtlingsbe reich herausheben, die die neue Landesregierung zum ersten Mal überhaupt fördern wird.
Dabei handelt es sich zum einen um den Landesflüchtlings rat. Der Landesflüchtlingsrat bildet das Rückgrat bei der un abhängigen Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und ar beitet eng mit Kirchen und Kirchengemeinden sowie auch mit vielen Initiativen vor Ort zusammen. Wir werden den Landes flüchtlingsrat im Haushalt 2012 zum ersten Mal in der Lan desgeschichte mit einem Betrag von 50 000 € fördern.
Als zweiter Bereich in der Flüchtlingshilfe kommt die erst malige Förderung der sogenannten Psychosozialen Zentren für Traumatisierte, speziell für Folteropfer, auch bekannt un ter dem Begriff Refugio, hinzu. Für diese stellen wir einen Teilbetrag von 300 000 € zur Verfügung. Viele dieser Zentren finanzieren sich aus Spenden. Durch diesen Landesbeitrag stellen wir auch eine flächendeckende Versorgung in allen vier Regierungsbezirken sicher, weil nämlich ansonsten insbeson dere in Südbaden die Situation so gewesen wäre, dass die Ver sorgung von traumatisierten Menschen zusammengebrochen wäre.
Danke. Das ist nett. – An dieser Stelle schließt sich dann auch der Kreis. Unterstützen Sie hier mit Ihrem Votum auch die integrationspolitische Arbeit der Landesregierung. Helfen Sie der Landesregierung, weiterhin die Situation der Men schen mit Migrationshintergrund zu verbessern, und stimmen Sie diesem Einzelplan zu.
den-Württemberger hat einen Migrationshintergrund. Das sind etwa 2,8 Millionen Menschen. Damit stehen wir unter allen Flächenländern ganz vorn an der Spitze. Auch deshalb war es höchste Zeit, in einem eigens geschaffenen Ministerium die ser Thematik einen hohen Stellenwert einzuräumen.
Herr Kollege Dr. Lasotta, Ihr Einstieg in das Thema war völ lig daneben und misslungen, einfach peinlich.
Sie haben eine Flut von Anträgen in diesen Ausschuss einge bracht, die deutlich machten, dass Sie doch noch einen erheb lichen Informationsbedarf haben. Sie haben versucht und ver suchen immer wieder, die Ministerin in Misskredit zu brin gen. Aber das ist immer ein Schuss in den Ofen, und zwar ein ziemlich schäbiger. Sie sollten besser mit uns gemeinsam al les dafür tun, dass die Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land bessere Lebensbedingungen haben, und Sie sollten dazu beitragen, dass wir alle von dem Wissen und dem Engagement, das diese Menschen mitbringen, profitieren kön nen und dass dieses Wissen für uns alle nutzbringend ange wandt werden kann.
Ich dachte, ich höre von Ihnen Ideen mit Substanz, auf die ich gern eingegangen wäre. Aber da ist Fehlanzeige.
Einer der Zentralstellenleiter, der nicht mehr da ist, ist Bür germeister geworden. Das nehmen Sie dem Herrn doch hof fentlich nicht übel.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Das war die Fluchtbewegung! – Gegen rufe der Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE und Claus Schmiedel SPD)
Wenn alle Bürgermeister irgendwo die Flucht ergriffen ha ben sollen, dann machen wir einmal eine Umfrage. – Wir wa ren und sind bereit zur Zusammenarbeit. Schon in der ersten Ausschusssitzung haben wir versucht, Offenheit auch Ihren Vorschlägen gegenüber aufzubringen. Das Ergebnis war, dass Sie sich hinterher gebrüstet haben, uns über den Tisch gezo gen zu haben. Das war, wie ich finde, ein ziemlich schlechter Start. Deshalb hoffe ich doch sehr, dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nun endlich versuchen wer den, durch konstruktive Mitarbeit die Bedingungen in unse rem Land für alle Migrantinnen und Migranten zu verbessern.
Das Ministerium ist neu, und neu sind mit ihm auch ein Groß teil der Personalstellen, aber etwa zwei Drittel der Mittel aus dem Gesamthaushalt von etwa 75 Millionen € waren früher und sind auch noch heute verpflichtend gebunden für die Er stattung der Aufwendungen in den Kommunen für die Unter bringung und Betreuung der Flüchtlinge. Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge und ihre Verteilung auf die Länder können wir kaum beeinflussen. Möglicherwei se wird diese Fallzahl in diesem Jahr sogar wieder ansteigen. Wir wollen jedoch nicht mehr zulassen, dass sich BadenWürttemberg im bundesweiten Vergleich durch eine beson ders schlechte Unterbringung auszeichnet.
Bei den Migrantinnen und Migranten, die voraussichtlich für längere Zeit oder für immer in Baden-Württemberg bleiben, liegt die Arbeitslosenquote bei etwa 9 %. Das sind fünf Pro zentpunkte mehr als bei Nichtmigranten. Wir aber brauchen doch qualifizierte Arbeitskräfte im Land und müssen alles da für tun, dass jeder die gleiche Möglichkeit bekommt, eine Qualifikation zu erwerben.
Der Schlüssel zur Teilhabe ist Bildung – wenigstens darüber sind wir uns doch hoffentlich alle einig –, und Bildung kann nur auf dem Weg der Sprache erreicht werden. Etliche Maß nahmen für Kinder und Jugendliche sind deshalb im Haushalt des Kultusministeriums festgeschrieben, etwa die 11 Millio nen € für zusätzliche Sprachfördermaßnahmen im Kindergar tenalter.
Auch im Haushalt des Integrationsministeriums ist ein Groß teil der gut 5 Millionen € für Projektförderung für Bildungs maßnahmen reserviert, z. B. für die Integrationsbegleitung in besonderen Lebenslagen. In einer ersten Stufe werden wir Mittel für die Integrationskurse bereitstellen und dann weite re Projekte zur gezielten Hilfe für Migranten, die sich in ei ner schwierigen Lage befinden, unterstützen, um dann in ei nem dritten Schritt, der bereits begonnen wurde, spezielle Sprachkurse anzubieten.
Es muss Bildungspartnerschaften zwischen Bildungseinrich tungen und Eltern mit Migrationshintergrund geben, die selbst verständlich vor Ort evaluiert werden. Wir müssen die Eltern dafür gewinnen, dass sie die Bildung ihrer Kinder fördern, und dabei den Eltern gleichzeitig Hilfe in speziellen Zentren anbieten, damit sie selbst die Sprache erlernen können.
Mit Projekten wie „Mama lernt Deutsch“ oder „Integration gemeinsam schaffen“, die wir gemeinsam mit der Bosch Stif tung und der Breuninger Stiftung tragen, soll die Hemm schwelle gegenüber der Institution Schule abgebaut werden.
Es gibt viele Baustellen, die in der Vergangenheit einfach nicht beachtet wurden, warum auch immer. So ist es allerhöchste Zeit gewesen, diesen völlig unsinnigen Gesinnungstest abzu schaffen.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Gesinnungstest! Was nehmen Sie sich heraus? Da geht es um die Frage der Demokratie! Das ist unglaublich!)
Künftig bei Bewerbungen eine bestimmte Anonymität zuzu lassen wird ebenfalls helfen, dass Menschen mit ausländisch klingendem Namen nicht schon deshalb aus dem Raster fal len.
Die Anerkennung von im Heimatland erworbenen Fähigkei ten halte ich für dringend notwendig. Erst vor Kurzem habe ich mit einer großen Gruppe Migrantinnen und Migranten ge sprochen, die aus den unterschiedlichsten Ländern kamen. Da war z. B. eine ausgebildete Lehrerin, die bei uns nicht einmal als Kindergärtnerin arbeiten darf, obwohl sie ausgezeichnet Deutsch spricht. Dabei suchen wir doch Erzieherinnen. Da war ein Automechaniker, der drei Jahre seinen Beruf gelernt