Protocol of the Session on December 7, 2011

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Meine Damen und Herren, handeln können wir aber doch in einigen Bereichen, für die wir zuständig oder gemeinsam mit anderen zuständig sind, und zwar sofort. Der Bund ist jetzt dabei, eine zentrale Datei aufzubauen, die zum Ziel hat, In formationen vom Verfassungsschutz, aber auch von der Poli zei über gewaltbereite Extremisten und rechtsmotivierte Ge walttaten zusammenzuführen. Daran arbeiten wir zügig und werden innerhalb der nächsten zwei Tage weitere Beschlüsse fassen.

Unter Federführung des Bundes soll zudem ein gemeinsames „Abwehrzentrum Rechts“ installiert werden, etwa analog dem „Abwehrzentrum Terror“, das seit vielen Jahren außerordent lich erfolgreich arbeitet.

Meine Damen und Herren, mir ist es auch ganz wichtig, den Menschen in unserem Bundesland zu sagen: In Baden-Würt temberg gehen wir weiterhin ganz konsequent und mit nied riger Einschreitschwelle gegen rechtsextremistische Tenden zen vor. Natürlich – das ist überhaupt keine Frage – führen wir auch weiterhin Präventions- und Aussteigerprogramme durch. Ich will ausdrücklich noch einmal sagen: Die Ansätze in unserem Bundesland sind gut. Ich habe in der letzten De batte die Programme in Erinnerung gerufen; das muss ich heu te, glaube ich, nicht noch einmal machen.

Kollege Mack, es ist völlig klar: Wie bei anderen Haushalts titeln auch, gab es hier bei der Aufstellung des Haushalts be stimmte Defizite. Völlig klar ist aber: Die Programme gegen den Rechtsextremismus werden vollumfänglich fortgeführt; entsprechende Mittel dafür werden bereitgestellt.

Meine Damen und Herren, wahr ist meines Erachtens aber auch: Rechtsradikale Rattenfänger finden häufig dort Angriffs möglichkeiten und Betätigungsfelder, wo soziale Strukturen nicht oder nicht ausreichend vorhanden sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Das Ver einsleben!)

Ich denke, das ist unstrittig. Deshalb sollten wir uns im Rah men unserer Möglichkeiten intensiv darum bemühen, dass ins besondere jungen Leuten – die besonders anfällig für solche Tendenzen sind – ausreichend berufliche Perspektiven gebo ten werden, aber natürlich auch Perspektiven im sozialen, im

sportlichen und im kulturellen Bereich. Da sind wir auf allen Ebenen staatlichen Handelns gefordert.

Ich bin überzeugt, dass wir durch Prävention und durch Wei terbildungsangebote, durch die Vermittlung von Wissen über solche Entwicklungen und über die Gefahren, die vom Extre mismus, insbesondere natürlich vom Rechtsextremismus, aus gehen, über Einrichtungen der Jugendhilfe, aber natürlich auch über andere Institutionen eine gesamtgesellschaftliche Allianz gegen den Rechtsextremismus bilden können. Des halb gilt für uns, für die Landesregierung – so, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben –, dass wir die Zivilgesell schaft stärken wollen, vor allem vor Ort, in den Städten und Gemeinden. Ich glaube, wir alle sind aufgefordert, den rund 50 000 NPD-Wählern in Baden-Württemberg deutlich zu ma chen, dass sie mit ihrer Wahl keine demokratische Entschei dung getroffen haben

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es gibt Alternati ven!)

und dass es vernünftige Alternativen gibt. Die demokratischen Parteien wollen die Rahmenbedingungen im Staat setzen, die gerade in den Bereichen Ansatzpunkte bieten, die aufzuzei gen ich versucht habe – berufliche Perspektiven, soziale Per spektiven usw. –, Ansatzpunkte, die diese Herrschaften mit absoluter Sicherheit nicht bieten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD)

Ganz zum Schluss noch einmal die Bemerkung, Kolleginnen und Kollegen: Trotz der jüngsten und zweifelsohne schreck lichen Ereignisse ist es, glaube ich, wichtig, immer wieder auch deutlich zu machen: Unser Staat ist und bleibt ein wehr hafter Staat, wie es Kollege Mack gesagt hat, und unsere De mokratie ist auch eine wehrhafte Demokratie.

Ich denke, die heutige Diskussion hat deutlich gemacht: Da rin sind wir uns quer durch dieses Hohe Haus einig.

Ich will es noch einmal mit den Worten des Koalitionsvertrags sagen: Wir werden den Kampf gegen Rechtsextremismus ent schlossen und mit großem Nachdruck weiterführen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für die Fraktion der SPD spricht Herr Kollege Sakellariou.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Noch einmal ganz kurz als Sprecher der Fraktion, die diese Aktuelle Debatte beantragt hat: Ich meine, von diesem Haus ist jetzt nach allem, was wir gehört haben, tatsächlich ein Signal ausgegangen. Ich finde es auch sehr gut, dass die gesamten sozialpolitischen Aspekte und die badenwürttembergischen Sicherheitsbehörden noch einmal eine Rolle gespielt haben.

Ich möchte noch zwei Bemerkungen machen. Die erste rich tet sich an Herrn Professor Goll. Ich meine, anders als Sie, seit 2003 hat sich etwas geändert. Es hat sich nicht nur insofern etwas geändert, als wir es jetzt mit Straftaten und mit einer Terrorzelle, die hiermit in Zusammenhang steht, zu tun haben. Was die V-Leute angeht, ist das Problem von damals inzwi

schen bekannt. Damals wurde allerdings der Einsatz der V-Leu te im Verfahren verschwiegen. Nachdem das jetzt bekannt ist, haben wir nun eine andere Situation, was natürlich bei einem etwaigen Verbotsverfahren eine erhebliche Rolle spielen wird.

Zum Kollegen Mack vielleicht noch eine Bemerkung: Eine absolute Sicherheit kann es nie geben. Wir können nicht bis zu dem Tag warten, an dem sich alle Experten klar sind.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Vielmehr müssen wir die Schwelle so ansetzen, dass das Ri siko, dass wir ein Verfahren verlieren, so gering wie möglich ist. Wir dürfen die Schwelle aber nicht zu hoch ansetzen.

In diesem Sinn danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Mack.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass in diesem Haus hohes Einvernehmen besteht, was ein NPD-Verbotsverfahren anbelangt. Herr Innenminister, ich glaube, es ist richtig, den Ansatz zu wählen, eine sorgfältige Prüfung vorzunehmen und nur dann, wenn die Erfolgsaus sichten klar zutage getreten sind, in einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht einzusteigen.

Auch die Programme des Innenministeriums, Herr Innenmi nister, sollen nicht gekürzt werden. Die Programme, die die frühere Landesregierung aufgelegt hat und die sehr erfolgreich sind, müssen fortgesetzt werden.

Aber wenn Kürzungen vorgenommen worden sind, Herr Kol lege Sckerl, muss man diese auch benennen. Von dieser Lan desregierung sind Kürzungen bei der Landeszentrale für po litische Bildung beschlossen worden.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Da ist noch nichts beschlossen!)

Das kann der kleine Betrag, der im Einvernehmen zwischen allen Fraktionen für die Gedenkstättenarbeit draufgelegt wur de, nicht aufwiegen. Das können auch die Mittel für das Lan desjubiläum nicht aufwiegen, denn das ist eine andere Bau stelle.

Ich darf Ihnen auch sagen, dass das Programm, das zusam men mit der Landesstiftung gemacht wurde, ausgelaufen ist und bisher keine weiteren Mittel beschlossen wurden. Es gibt ein Einvernehmen, dass man das Programm gern fortsetzen will. Aber bisher gibt es eben kein Geld. Das ist die Sachla ge.

Ich darf schon darum bitten, dass wir in diesem Land gerade bei den Schulen, bei den Jugendorganisationen ein Netzwerk bilden. Wir können die Jugendeinrichtungen in unserem Land – beispielsweise die Landesakademie für Jugendbildung in Weil der Stadt – mit einbeziehen, um zusammen mit der Lan deszentrale für politische Bildung ein Netzwerk zu installie ren, um Bildung in diesem Bereich wirkungsvoll zu gestalten.

Kollege Sckerl hat zudem vorgeschlagen, eine parlamentari sche Kontrollkommission zur Überwachung des Landesamts für Verfassungsschutz einzurichten. Zuvor haben Sie, Herr Sckerl, aber selbst gesagt, das Landesamt für Verfassungs schutz stehe im Moment außerhalb jeglicher Diskussion. Das Landesamt für Verfassungsschutz leistet hervorragende Ar beit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich kann Ihnen das beispielhaft anhand der Diskussion über die NPD-Landesgeschäftsstelle in Rosenberg-Hohenberg zei gen, die es dort nicht mehr gibt, die es dort aber drei Jahre lang gegeben hat. Hätten wir das Landesamt für Verfassungs schutz und dessen Arbeit nicht gehabt, hätten wir damals Herrn Präsident Schmalzl nicht gehabt, der immer wieder vor Ort gewesen ist, der aufgeklärt hat, der gesagt hat, was da überhaupt geschieht, der die Polizei und die Bürgerschaft be raten hat, hätten wir die Landesgeschäftsstelle der NPD dort auch nicht wegbekommen. Ich will an diesem Beispiel nur zeigen, dass da ausgezeichnete Arbeit geleistet wird.

Diese Arbeit wird auch überwacht, Herr Kollege Sckerl. Wir haben eine G-10-Kommission. In dieser wird halbjährlich vom Innenminister über die verdeckten Maßnahmen berich tet. Wir haben einen Ständigen Ausschuss, der jedes halbe Jahr zu diesem Tagesordnungspunkt geheim tagt und dem der In nenminister ebenfalls über alles berichtet, was im Bereich des Landesamts für Verfassungsschutz anfällt.

Daher kann ich nur sagen: Sie haben für Ihren Vorschlag we nig Beifall bekommen. Wir brauchen diesen Vorschlag nicht. Wir brauchen kein Misstrauen gegenüber dem Landesamt für Verfassungsschutz,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

sondern wir müssen schauen, dass wir die Leute, die dort ei nen schwierigen Job tun müssen, unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Zurufe: Sehr gut! – Richtig!)

Für die Fraktion GRÜNE hat Herr Kollege Sckerl das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch vier Bemerkungen in der zweiten Runde.

Erstens: Die NPD hat sich in den letzten Jahren verändert. Nach allem, was man an Eindrücken gewinnen kann, haben sich die radikalen Kräfte dort durchgesetzt. Die NPD koope riert viel offener als jemals zuvor mit „Freien Kameradschaf ten“, gewaltbereiten früheren Skinheadszenen, die sich eben falls gewandelt haben. Wir haben also insgesamt eine Hin wendung zur Gewaltbereitschaft und zu einem ideologisch noch schärferen Rechtsextremismus, als es in der früheren Alt herrenpartei NPD jemals der Fall gewesen war. Diese Partei hat es verstanden, noch immer das Herz dieser ganzen Bewe gung zu sein, ihr logistisches Zentrum. Deshalb fällt die Be urteilung der Verfassungsfeindlichkeit aus heutiger Sicht noch um einige Grade härter aus als im Jahr 2003.

Das Zweite ist die Rolle der V-Leute. Natürlich müssen V-Leu te abgezogen werden. Aber in diesem Zusammenhang brau chen wir eine tabulose Beurteilung der Rolle dieser V-Leute in rechtsextremistischen Organisationen insgesamt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn dabei herauskommt, dass sie wenig gemeldet haben, Gewalttaten nicht verhindert haben oder nicht verhindern konnten, polizeiliches oder anderes Eingreifen nicht ermög licht haben, aber mit den Geldern, die sie vom Staat bekom men haben, diese Strukturen vielleicht noch gestützt und ent wickelt haben, dann ist es höchste Zeit, diese V-Leute abzu ziehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen)

Eine parlamentarische Kontrollkommission, Herr Kollege Mack, ist eine Idee, verbunden mit der Bitte, darüber zu re den. Ich finde es nicht gerade angemessen, wenn wir solche Vorschläge gegenseitig reflexhaft ablehnen. Lassen Sie uns doch einmal darüber reden. Das war keine Misstrauenserklä rung an das Landesamt für Verfassungsschutz – davon bin ich weit entfernt –, sondern es geht dabei um die Rolle des Par laments.