Das Prinzip, dass öffentliche Belange gemeinsam von Staat und Kommunen auf der einen Seite und der Zivilgesellschaft auf der anderen Seite wahrgenommen werden, hat sich in Deutschland bewährt. Wir finden diese Zusammenarbeit in ganz verschiedenen Politikbereichen, vor allem in der Wohl fahrtspflege, aber auch im schulischen Bereich. Beide Syste me, der öffentliche Sektor und die freien Träger, profitieren von dieser Kooperation. Die freien Träger bringen ihre Exper tise und oft auch in erheblichem Ausmaß das ehrenamtliche Engagement ihrer Mitglieder ein. Das nutzt unserem Gemein
wesen. Die öffentliche Hand wiederum beteiligt sich an der Finanzierung der Arbeit der freien Träger und bindet diese in vielfacher Weise in die Entscheidungs- und Planungsprozes se mit ein.
Deswegen kann unser Land Baden-Württemberg stolz sein auf die Arbeit der freien Träger im Bildungsbereich. Von ih nen gingen in der Vergangenheit – das unterstreicht das, was Herr Kollege Bayer von der SPD gesagt hat – immer wieder wichtige Impulse gerade für pädagogische Innovationen aus. Damit leisten sie einen sehr wichtigen Beitrag, dass die frei heitliche demokratische Grundordnung, dass Pluralismus in dieser Gesellschaft auch gelebt wird.
Gleichzeitig ist in unserer Rechtsordnung geregelt, dass die Letztverantwortung und damit die Gesamtverantwortung für die Schulen beim Land liegt. Das ist auch gut so. Adressat der berechtigten Ansprüche junger Menschen ist nämlich das Land – Ansprüche, eine der Begabung entsprechende Bildung zu erhalten, in erreichbarer Nähe auch den gewünschten Bil dungsabschluss machen zu können, als Flüchtlingskind in die Schule gehen zu können, bei einer Behinderung sonderpäda gogisch gefördert zu werden usw.
Es wäre also ein grundlegendes Missverständnis, öffentliche Bildungsangebote als nachrangig gegenüber den freien Trä gern zu sehen. Bildung muss staatlich verantwortet werden, aber es ist gut und richtig, dass freie Träger einen verfassungs rechtlichen Anspruch auf Gründungsfreiheit haben, dieser auch wahrgenommen werden kann und diese freien Träger dann eingebunden und unterstützt werden, um ihren Beitrag für das Funktionieren unseres Bildungssystems leisten zu kön nen. Das Verhältnis von öffentlichen und freien Schulen kann als ein funktionierendes System des Wettbewerbs um gute, um bessere pädagogische Konzepte verstanden werden, und weder die freien noch die öffentlichen Schulen – das ist ein Vorzug unseres Schul- und Bildungssystems in Baden-Würt temberg – brauchen diesen Wettbewerb zu scheuen.
Die vielfältigen Ansprüche, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus der Landesverfassung, dem Schulgesetz, aber auch aus internationalem Recht wie z. B. der UN-Konventi on über die Rechte von Menschen mit Behinderungen richten sich an die öffentliche Hand. Diese muss für jeden einzelnen jungen Menschen ein Bildungsangebot vorhalten, das all den rechtlich definierten Anforderungen auch gerecht wird. Dazu ist es notwendig, dass das Land seine Bildungsangebote gut plant, die Entwicklungen vor Ort berücksichtigt und immer wieder für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ein tritt.
So haben wir beispielsweise das Verfahren der regionalen Schulentwicklung ausgestaltet, und die Strukturen des Privat schulwesens, dessen Angebote und auch dessen Interessen, aber auch dessen Grenzen behalten wir dabei immer im Au ge. Wir binden die Privatschulen ein, so früh und so intensiv es geht. Ich bin mir sicher, dass man bei einer differenzierten Betrachtung nicht ernsthaft etwas gegen diese Vorgehenswei se sagen kann.
Aber wer über das Zusammenwirken von öffentlichen und freien Schulen spricht, kommt natürlich auch schnell auf die
Frage der Finanzierung zu sprechen. Es ist naheliegend, dass die finanzielle Ausstattung der freien Schulen durch das Land gerade auch aus Sicht der Privatschulen eine ganz bedeuten de und zentrale Frage ist. Die Finanzierung der freien Schu len ist das Resultat intensiver Diskussionen mit den Privat schulverbänden.
Das Bundesverfassungsgericht, der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof und auch jüngst der Staatsgerichts hof haben sich mit diesem Thema beschäftigt und Antworten formuliert, wie eine angemessene und gerechte finanzielle Ausstattung für die freien Schulen aussehen muss.
Ein Satz aus der mündlichen Begründung des Präsidenten des Staatsgerichtshofs zum jüngst ergangenen Urteil ist mir be sonders in Erinnerung geblieben: Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif. Deswegen muss und darf von den freien Schulen er wartet werden, dass sie sich auch selbst an der Finanzierung ihrer Bildungsangebote beteiligen. Gerade durch das letztge nannte Urteil ist klar geworden: Hier bedarf es einer indivi duellen Betrachtung, wie das in dem bisherigen, mit den Pri vatschulverbänden ausgehandelten und gesetzlich geregelten System umgesetzt werden kann.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sagt deut lich: Das Existenzminimum einer freien Schule muss durch die öffentliche Hand gedeckt werden. Ich kann mich auf das beziehen, was Herr Kollege Poreski und Herr Kollege Bayer gesagt haben: Mit dem aktuellen Kostendeckungsgrad, der durch die jetzt vorzunehmende Erhöhung erreicht wird, der bei allen Schularten in privater Trägerschaft bei mindestens 78,1 % liegt, sind wir in Baden-Württemberg bereits weit fort geschritten, wenn es um das Erreichen dieses Ziels geht. Wir haben vielmehr ein Niveau erreicht, von dem die Kopfsatz schulen unter der Vorgängerregierung, sehr geehrter Herr Kol lege Wacker, nur träumen konnten. Diese Entwicklung, mei ne sehr verehrten Damen und Herren, ist Ausdruck der gro ßen Wertschätzung, die diese Landesregierung den freien Schulen im Land entgegenbringt.
Und nun zu Ihrem beliebten Thema und der immer wieder aufgelegten Platte, nämlich der Versorgungsabgabe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Kollege Kern, wenn Sie sich schon mit dem Bruttokostenmodell be schäftigen und dieses als vorbildlich preisen,
Wenn Sie dieses Bruttokostenmodell, das vor gut zehn Jahren von CDU und FDP/DVP ausgehandelt wurde, einmal zur Kenntnis nehmen würden, würden Sie eines ganz schnell fest stellen: In diesem Bruttokostenmodell, in dem die Frage der staatlichen Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft berechnet wird und auch bestimmte Berechnungsfaktoren und Kostentatbestände genannt werden, sind erstaunlicherweise auch Versorgungsrücklagen genannt. Deswegen kann es ei nen auch nicht verwundern, dass der Rechnungshof Sie in Ih rer Regierungszeit darauf hingewiesen hat, dass grundsätzlich Doppelförderungstatbestände auszuräumen sind.
(Abg. Georg Wacker CDU: Das haben wir halt be wusst in Kauf genommen! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das war ein Kompromiss!)
Da geht es nicht um neue Ungerechtigkeiten, sondern da geht es um neue Gerechtigkeit. Denn wenn Sie es wünschen, kön nen Sie gern auch die anwesenden Vertreter der freien Wal dorfschulen fragen: Wie war es denn in den vergangenen Jah ren? Inwieweit haben sich denn die Zahlungen des Bruttokos tenmodells, bezogen auf die freien Waldorfschulen, ausge wirkt, wenn es darum ging, dort Lehrkräfte selbst mit Versor gungsabgaben auszustatten, während dies an anderen Schu len, an denen beurlaubte Beamte tätig waren, vom Staat über nommen wurde? Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer hier von neuen Ungerechtigkeiten spricht, der hat von einem ganz viel, nämlich von „keine Ahnung“, Herr Kollege Wacker.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Heiterkeit des Abg. Thomas Poreski GRÜNE – Abg. Tobias Wald CDU: Arroganz der Macht!)
Deswegen kann es einen auch nicht verwundern, dass – das war wohl ein sehr heller Moment –, ausgehend von der Denk schrift des Rechnungshofs von 1998, Ihre Regierung im Jahr 2005 einen Ministerratsbeschluss gefasst hat – ich zitiere –,
bis Mitte 2006, bezogen auf die Versorgungsabgabe, ein Konzept zur Vermeidung einer Doppelförderung im Be reich der Privatschulförderung vorzulegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben sich selbst Aufträge erteilt, diese aber nie erledigt. Herzlichen Dank da für!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bisherige Sys tem der Privatschulfinanzierung ist unstreitig sehr komplex und ist in Abstimmung mit den Privatschulverbänden histo risch gewachsen und in früheren Legislaturperioden in das Privatschulgesetz – auch in der heutigen Form – aufgenom men worden. Aber dies gilt es nun gemäß dem Urteil des Staatsgerichtshofs bzw. Verfassungsgerichtshofs zu überar beiten. Das System der Privatschulfinanzierung ist im Bemü hen um Gerechtigkeit für unterschiedliche Schulen, unter schiedliche Schulträger und unterschiedliche Schularten sehr komplex geworden. Alle Beteiligten haben sich darauf ver ständigt. Deshalb war es schon immer und ist es schwierig, wenn einzelne Aspekte herausgegriffen werden und das Brut tokostenmodell als Ganzes infrage gestellt wird.
Was wir jetzt leisten müssen, ist, den Vorgaben des Staatsge richtshofs gerecht zu werden. Dieser will, dass das Land sei ne Berechtigung nutzt, Fragen der Privatschulfinanzierung, insbesondere auch die der Elternbeiträge, gesetzlich zu regeln. Der Staatsgerichtshof hat dabei keineswegs festgestellt, dass das Land insgesamt seiner Verpflichtung, die freien Schulen zu finanzieren, bisher nicht nachgekommen wäre. Mit den Pri vatschulverbänden werden wir die Konsequenzen aus dem Urteil in den nächsten Monaten intensiv erörtern und bespre chen. Das Ziel ist klar: Wir wollen das hohe Niveau der Fi nanzierung halten und weiter verbessern, um den Privatschu len Planungssicherheit zu geben und gleichzeitig die Gerech tigkeit innerhalb des Schul- und Bildungssystems zu erhöhen.
Dies alles dient den Zielen, die ich eingangs erwähnt habe: gemeinsame Verantwortung für eine öffentliche Aufgabe, Ver wirklichung von Pluralismus, Förderung pädagogischer Inno vation und vor allem Freiheit für die Eltern bei der Schulwahl – dies alles, meine sehr geehrten Damen und Herren, im In teresse der Kinder unseres Landes.
Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 15/7957. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Kultus, Jugend und Sport, Drucksache 15/8023. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf unverän dert zuzustimmen.
Über die zwei vorliegenden Änderungsanträge der Fraktion der FDP/DVP, Drucksachen 15/8061-1 und -2, werde ich an den entsprechenden Stellen abstimmen lassen. Die Entschlie ßungsanträge der Fraktion der FDP/DVP, Drucksachen 15/8061-3 und -4, sowie den Entschließungsantrag der Frakti on GRÜNE und der Fraktion der SPD, Drucksache 15/8061-5, werde ich nach der Schlussabstimmung zur Abstimmung stel len.
Wer Artikel 1 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist Artikel 1 einstim mig zugestimmt.
(Abg. Walter Heiler SPD zur CDU: Was jetzt? – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Du stehst jetzt unter Beob achtung, Peter!)
Ich rufe Nummer 3 auf. Wer Nummer 3 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Nummer 3 einstimmig zugestimmt.