Protocol of the Session on February 17, 2016

Grün-Rot redet immer gern davon, dass die europäische Har monisierung unserem exportorientierten Land Vorteile bringt. Dem will ich gar nicht widersprechen. Aber warum wird dann die europäische Richtlinie zur Berufsqualifikation vom De zember 2013 erst heute mit heißer Nadel und auf den letzten Drücker zwischen Tagesschau und Wetterkarte umgesetzt?

Betroffen sind zwei große Berufsgruppen: die Architekten und die Ingenieure. Sie gehören zu den besten in der Welt. Ihr hamletsches Zögern ist unprofessionell und war wirtschafts schädlich. Ihr Aktivismus ist heute nicht unserem Wirtschafts standort, sondern allein dem Umstand geschuldet, ein Ver tragsverletzungsverfahren zu vermeiden.

Ein Teilaspekt des Gesetzes ist, die Zuständigkeit für die An erkennung ausländischer Ingenieurqualifikationen einem ein heitlichen Ansprechpartner zu übertragen. Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse ist in Baden-Württemberg, aber auch in anderen Bundesländern bei den zuständigen Berufs kammern organisiert, von der Architektenkammer über die

Anwaltskammer bis hin zur Handwerkskammer. Es liegt da her nahe, die Anerkennung von ausländischen Ingenieurqua lifikationen der Ingenieurkammer zu übertragen, da wir die se Kammer vor 25 Jahren als große Kammer für Ingenieure aller Disziplinen gegründet haben und weil sie als Körper schaft des öffentlichen Rechts Teil der mittelbaren Staatsge walt ist.

Die meisten Bundesländer haben das auch so gemacht. In ei nem Ingenieurland wie Baden-Württemberg wäre es für mich befremdlich, die Anerkennung von Ingenieurqualifikationen als Aufgabe der beruflichen Selbstverwaltung nicht der Inge nieurkammer zuzuweisen. Unsere Ingenieurkammer ist inter national vernetzt, ihre Arbeit und ihre Kompetenz werden im Ausland hoch geschätzt.

Eine Pflichtmitgliedschaft für alle Ingenieure wird es nicht ge ben – das ist uns wichtig. Die Ingenieurkammer hat ein trans parentes Anerkennungsverfahren mit Einbindung von Hoch schulen und den Verbänden vorgelegt. Wir vertrauen der Kom petenz der Kammer.

Eine rechtliche Überprüfung ist mit einem Widerspruchsver fahren gewährleistet. Nach zwei Jahren soll es ein Evaluie rungsverfahren geben. Wenn es bis dahin eine bundeseinheit liche Regelung gibt, prüfen wir den Anpassungsbedarf.

Dennoch gibt es Kritik von den Verbänden VDI und VDMA, von den Hochschulen, den Gewerkschaften. Von einem Ein griff in die Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit, von Berufsverbot, fehlendem Know-how, Verkammerungs ängsten, fehlendem Rechtsschutz und unklarem Anerken nungsverfahren ist die Rede. Selbst der Europäische Berufs ausweis wird verfassungsrechtlich infrage gestellt.

Ich teile diese Kritik nicht. Sie aber nach Gutsherrenart vom Tisch zu wischen und nicht intensiv darüber zu diskutieren, das geht auch nicht. Sonst wird eine Anhörung zur Farce.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Zuletzt haben die Grünen noch die Fachaufsicht nachgescho ben – ein Solitär. Das gibt es bei keiner Kammer und in kei nem Bundesland. Unsere Ingenieurkammer braucht keine be treute Selbstverwaltung und keine grünen Erziehungsberech tigten. Unnötige Doppelstrukturen für Fachaufsicht im Fi nanz- und Wirtschaftsministerium blähen nur Bürokratie auf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden diesem Artikelgesetz insgesamt zustimmen, aber bei der Anerkennung ausländischer Ingenieurqualifikationen über jeden einzelnen Paragrafen gesondert abstimmen lassen.

Die Fachaufsicht stand nicht in der Vorlage des Finanz- und Wirtschaftsministeriums. Die Genossen haben die Änderung der Grünen nicht bemerkt. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Die Leseschwäche des Vizekanzlers Gabriel streut pande misch in die SPD. Jetzt ducken sich die Genossen weg.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Es ist so. – Das Gesetz abzulehnen würde dem Wirtschafts standort Baden-Württemberg schaden. Das wäre falsch. Wir sehen Nachbesserungsbedarf. Die Zeit dafür wird kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Lindlohr.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wir haben uns hier in der ersten Le sung und auch im Ausschuss bereits intensiv mit der Novelle der verschiedenen Gesetze des Bauberufsrechts auseinander gesetzt. Ich finde es auch gut, dass wir im Ausschuss noch ei ne öffentliche Anhörung dazu gemacht haben.

Die wesentlichen Ziele des Gesetzentwurfs, den wir heute hof fentlich verabschieden können, bleiben bestehen. Wir brau chen eine gute Grundlage für die Arbeit der erfolgreichen und hoch qualifizierten Architektinnen und Architekten, Ingenieu rinnen und Ingenieure in unserem Land.

Wir modernisieren verschiedene Punkte des Bauberufsrechts, die in unserer eigenen Hoheit liegen. Dies ist aus eigenem Im puls geschehen. So ermöglicht beispielsweise die Partner schaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung neue For men von Unternehmen im Bereich der Architekten und Inge nieure.

Wir setzen auch die Berufsanerkennungsrichtlinie der EU in der neuesten Form um. Auch das ist gut. Wir wollen Mobili tät für Fachkräfte im Europäischen Binnenmarkt. Das ist zwar einerseits eine Verstärkung des Wettbewerbs. Wettbewerb ist aber gut. Es ist andererseits auch eine Chance für den Wirt schaftsstandort Baden-Württemberg, hier Fachkräfte zu ge winnen. Ebenso ist es eine Chance für Architekten und Inge nieure, im Ausland weiter tätig zu werden. Wir unterstützen diese Anerkennungen, die die Europäische Union von uns ver langt. Daher setzen wir sie auch um.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Über lange Zeit war die hier vorgesehene Übertragung der An erkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Bereich der In genieure von den Regierungspräsidien auf die Ingenieurkam mer hoch strittig. Einige Verbände treten dem stark entgegen. Der VDI und der VDMA haben sich entsprechend geäußert.

Für uns ist es manchmal schwierig, zu verstehen, warum die ser Konflikt eigentlich so hoch hängt. Denn ich meine, hier wird nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. Wir stellen aber fest, dass sich im Gegensatz zu der ganz uneingeschränk ten, nicht mit Kritik reflektierten Äußerung des Kollegen Löff ler in der ersten Lesung inzwischen auch die CDU-Fraktion mit der Kritik der anderen Verbände auseinandergesetzt hat.

Wir Grünen sagen: Beides ist möglich. Beides sind machba re Wege, nämlich dass die Regierungspräsidien zuständig blie ben oder, so wie wir es hier vorschlagen, dass die Ingenieur kammer diese Anerkennungen übernimmt.

Jede Stelle, die dies tut, findet ein komplexeres Regelwerk vor, für das sie Kompetenzen aufbauen muss. Die Ingenieur kammer hat erklärt, dass und wie sie das tun möchte. Die Kammer wird dann für einen Personenkreis weit über ihre ei genen Mitglieder hinaus zuständig sein. Das ist die Besonder heit, die sie von anderen Kammern der freien Berufe unter scheidet.

Angesichts dessen sind zwei Neuerungen hinzugekommen. Eine hat die CDU-Fraktion, bei der ich mich dafür bedanke, eingebracht. Das ist die Idee, dass genau diese Paragrafen im Gesetz einer Evaluation unterzogen werden. In diesem Punkt hat die CDU-Fraktion die Kritik der anderen Verbände aufge nommen und mit einer Evaluation versehen, der wir im Aus schuss gern zugestimmt haben. Und die Fachaufsicht kann hier auch in der Sache überprüfen, wenn es nötig ist. An die ser Stelle also vielen Dank an die CDU-Fraktion für ihre Im pulse.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Nicht übertreiben!)

Dieser Gesetzentwurf enthält in keiner Weise den Konflikt, der dahintersteckt, nämlich die Frage, ob die Pflichtmitglied schaft in der Ingenieurkammer ausgeweitet werden soll. Wir sind im Ausschuss zu der einstimmigen Erklärung gekommen, dass wir das nicht wollen. Auch hier nochmals vielen Dank für den Impuls und den Antrag.

Im Bereich des Architektengesetzes gab es auch einiges an Kritik. Vonseiten der Hochschulen ging es z. B. um die Fra ge, ob es richtig ist, dass, wie hier vorgesehen, die Berufsbe zeichnung „Architekt“ erst nach einer mindestens vierjähri gen Regelstudiendauer geführt werden darf. Ich sehe, dass das notwendig ist. Wir haben eine Anforderung aus der EU-Be rufsqualifikationsrichtlinie für den Bereich des Hochbaus. Eu ropäisch ist es gar nicht anders möglich als mit einer vierjäh rigen Regelstudiendauer. Hier den Standard abzusenken, da für ist sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt.

Wenn es daraus hochschulpolitische Konsequenzen bezüglich des Aufbaus der Studiengänge gibt, ist es sicherlich möglich, dies auch nach und nach umzusetzen. Ich denke, wir sind hier im guten Gespräch mit den Hochschulen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Eine Unklarheit kam noch bezüglich des Stuttgarter Weges bei den Absolventen der Universität Stuttgart in der Fachrich tung Architektur mit dem Schwerpunkt Stadtplanung auf. Das Gesetz sagt, dass eine Doppeleintragung selbstverständlich weiter möglich ist. So haben wir es gemeint. In diesem Sinn wollen wir es auch heute verabschieden.

Es ist also ein Gesetz, das viel erreicht, das viele Baustellen aufmacht und einen richtigen Weg zeigt. Ich wünsche den Ar chitektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieu ren weiter eine gute berufliche Zukunft auf einer guten recht lichen Grundlage. Ich bin mir sicher, dass uns das Thema auch erhalten bleiben wird. Denn es ist ein spannendes Feld, das sich immer wieder ändert.

In diesem Sinn vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Storz.

Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vorliegende Gesetz zur Änderung des Bauberufsrechts macht deutlich, dass eine erfolgreiche und starke Wirtschaft auch einen festen Rahmen braucht. Die Unternehmen in Ba

den-Württemberg müssen sich darauf verlassen können, dass Regierung, Verwaltung und Rechtsprechung ihre Aufgaben verlässlich erfüllen.

Mit dem vorliegenden Gesetzespaket erbringt der Landtag ei ne Dienstleistung von hoher Bedeutung für die Wirtschaft. Wir haben den Entwurf daher konzentriert und schnell bera ten. Zahlreiche Verbände haben sich an den Anhörungen der Regierung und des Landtags mit konstruktiven Beiträgen be teiligt.

Wir konnten weitgehend Einvernehmen über die vorgeschla genen Veränderungen erzielen. Daher ist es dem Landtag jetzt auch möglich, die Fristen zur Umsetzung des Europarechts nur geringfügig zu überschreiten.

Schauen wir einmal in das Gesetzespaket. Wo liegen denn die wesentlichen Änderungen, und was ist deren Bedeutung? Wir übertragen das Verfahren zur Anerkennung der ausländischen Ingenieurabschlüsse auf die Ingenieurkammer Baden-Würt temberg. Dadurch entlasten wir nicht nur die Regierungsprä sidien. Vielmehr verfügt die Ingenieurkammer als Selbstver waltungskörperschaft über die nötige Sachkompetenz, um die se Aufgabe qualifiziert im Dienst der Menschen und der Wirt schaft auszuüben.

Gerade im Bauberufsrecht und bei der Berufsausbildung ist es sinnvoll, staatliche Aufgaben auf die Selbstverwaltung der Wirtschaft und der freien Berufe zu übertragen. Wir wissen nämlich: In den Kammern bündelt sich der Sachverstand. Die sen Sachverstand wollen wir jetzt auch nutzen.

Gerade in den technischen Berufen ist die Frage „Entsprechen ausländische Berufsabschlüsse unseren Standards?“ nicht ein fach zu klären, und je mehr Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungen aus verschiedenen Ländern zu uns kommen, desto umfangreicher und komplexer wird die Prüfung. Der Gesetzentwurf der Landesregierung trägt dazu bei, dass gründ lich und schnell geprüft werden kann. Dies ist im Interesse der Arbeitgeber und der betroffenen Menschen. Somit leistet das Gesetz auch einen wichtigen Ergänzungsbeitrag zur Fach kräftesicherung, die wir dringend brauchen.

Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Entschließungs- und Änderungsanträgen machen. Kritik – Kollege Löffler hat es vorgetragen – entzündet sich am Vorschlag, die Ingenieur kammer in einem kleinen Teil ihrer neuen Zuständigkeit nicht der üblichen Rechtsaufsicht, sondern einer Fachaufsicht zu unterstellen. Das Argument, eine Fachaufsicht widerspreche dem Prinzip der Selbstverwaltung, hat natürlich eine gewisse Berechtigung. Genauso stichhaltig ist jedoch das Gegenargu ment, dass sich die neue Fachaufsicht nur auf neu übertrage ne hoheitliche Aufgaben beschränke.

Ich meine, in der Gesamtwürdigung unterscheiden sich unse re Positionen nicht wesentlich. Es ist meiner Meinung nach überzogen, Herr Löffler, wenn Sie sich deswegen hier in der Abstimmung enthalten. Ein einheitliches Votum des Landtags wäre vielmehr ein Signal an die Wirtschaft, dass wir in die sem Fall unsere gemeinsame Verantwortung als Dienstleister der Wirtschaft an- und wahrnehmen. Daher bitte ich Sie, Ihr Votum nochmals zu überdenken.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Und ich bitte Sie, Ihres zu überdenken!)

In der Fachöffentlichkeit stießen vor allem zwei Bedenken auf große Resonanz. So sorgte sich der Verein Deutscher Ingeni eure, dass durch die Übertragung der Zuständigkeiten an die Kammer eine Pflichtmitgliedschaft aller Ingenieure durch die Hintertür vorbereitet werde. Außerdem wurde befürchtet, die bewährte Berufsbezeichnung „Wirtschaftsingenieur“ wäre ge fährdet. Ich denke, dass die Landesregierung in den Beratun gen überzeugend darlegen konnte, dass die genannten Sorgen unbegründet sind.

Diese Rechtsänderung wollen wir auf ihre Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit überprüfen. Das ist vernünftig. Schließlich wird in absehbarer Zeit ein Musteringenieurgesetz vorgelegt, auf das wir dann auch reagieren müssen. Wichtiger ist jedoch: Unsere Wirtschafts- und Arbeitswelt wandelt sich immer schnel ler. Auch als Gesetzgeber müssen wir ständig überprüfen, ob unser rechtlicher Rahmen noch den Bedürfnissen entspricht, die die Arbeitnehmer und die Unternehmen haben.