Protocol of the Session on February 17, 2016

Ja, 40 % hört sich zunächst nicht schlecht an. Aber wenn man berücksichtigt, dass der Frauenanteil auf der Ebene darunter deutlich höher ist, dann ergibt sich, dass Frauen nicht zehn Prozentpunkte zu einer gleichmäßigen Vertretung auf dieser Leitungsebene, sondern tatsächlich 25 Prozentpunkte fehlen.

Wir haben uns einmal die Leitungsstellen direkt unter den Oberbürgermeistern und weiteren Wahlbeamten in den Städ ten ab 50 000 Einwohnern angesehen. Ich zeige Ihnen jetzt einmal eine Statistik, die aufzeigt, wie Frauen und Männer dort in den einzelnen Stellen vertreten sind.

(Die Rednerin hält eine Grafik hoch.)

Da sehen Sie: Blau sind alles Männer, und Rot sind die Frau en.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ha no, ha no! Män ner sind nicht immer blau! – Heiterkeit)

Die Kollegin hat auch nicht den Zustand, sondern die Farbe gemeint.

Ja, genau. Man hätte auch Hellblau und Rosa nehmen können.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, gestat ten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, keine Zwischenfrage.

Also: Diese Statistik zeigt, wie Frauen und Männer dort bei den Leitungen der großen Ämter – also Stadtkämmerei, Haupt amt, Ordnungsamt, Bauamt, Sozialamt usw. – vertreten sind. Das sind übrigens in der Regel Stellen, die mit A 14 oder auch deutlich höher bewertet werden. Auf der Säulendarstellung sieht man sehr viel Blau, welches die Männer kennzeichnet, und sehr wenig Rot, was für die Frauen steht. In drei der Städ te in Baden-Württemberg über 50 000 Einwohnern sind sogar ausschließlich Männer Leiter der großen Ämter.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Insgesamt sind 300 Leitungsstellen mit Männern und 67 Lei tungsstellen mit Frauen besetzt. Damit beträgt der Anteil der Männer 82 % und der Anteil der Frauen nur 18 % – und das, wie gesagt, bei einem Anteil der Frauen auf der Ebene unter den Amtsleitungen von mehr als 60 %.

Jetzt komme ich mit meinem Text nicht mehr ganz durch. Ich möchte aber abschließend noch sagen: Wenn man sich einmal den Gesetzentwurf anschaut, der 2005 zu diesem Thema ein gebracht wurde, und zur Kenntnis nimmt, was Staatssekretä rin Lichy damals als Begründung genannt hat, dann muss man sagen: Es muss in Ihrem Sinn sein, dass wir das auch vollzie hen. Denn diese Anforderungen sind ganz klar definiert, und die versuchen wir zu erfüllen. Daher verstehe ich nicht, dass Sie den Gesetzentwurf ablehnen.

An dieser Stelle noch eine persönliche Bemerkung: Dies ist heute, wenn ich richtig gezählt habe, meine 30. und auch mei ne letzte Rede in dieser Legislaturperiode. Ich möchte mich bedanken für das faire Zuhören. Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir uns alle in gleicher Zusammensetzung im Mai wiedersehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Vielleicht in glei cher farblicher Zusammensetzung! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das Wort für die FDP/ DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja vor ei nigen Monaten im Sozialausschuss den Bilanzbericht 2015 zum Chancengleichheitsgesetz bearbeitet, durchgesprochen

und verabschiedet. Es war ganz interessant, zu lesen, dass sich die Gesamtsituation von Frauen in der öffentlichen Verwal tung in Baden-Württemberg weiter verbessert hat.

Zum Stichtag 30. Juni 2013 hatten wir einen Frauenanteil in den öffentlichen Verwaltungen von insgesamt 58,3 %. Bei den obersten Landesbehörden beträgt der Frauenanteil in den Ein stiegsämtern 51,7 bis 55,4 %, bei den Städten und Gemein den – Frau Kollegin Wölfle hat es auch ausgeführt – gibt es in Baden-Württemberg insgesamt einen Frauenanteil von 64 %, und im Führungsbereich – das haben Sie richtigerweise ange sprochen – liegt er bei 40 %. Im höheren Dienst in den obers ten Landesbehörden sind ein Drittel der Beamten – das haben Sie, Frau Schneidewind-Hartnagel, angesprochen – Frauen. Bei den Angestellten sind es 49,5 %.

Teilweise bestehen in den Startpositionen Perspektiven, die sicherlich dazu beitragen, dass in Zukunft auch im Führungs bereich die Parität erreicht wird oder der Frauenanteil viel leicht sogar noch über 50 % liegt. Im Prinzip wäre es sogar fast so, dass nach dem Chancengleichheitsgesetz bei manchen Einstellungsverfahren die Chancengleichheitsbeauftragten gar nicht mehr anwesend sein dürften aufgrund der Situation, dass der Frauenanteil teilweise schon über 50 % beträgt. So weit zu diesem Bilanzbericht.

Sie haben auch den Gemeindetag angesprochen. Ich möchte nur einen Satz aus seiner Stellungnahme zitieren:

Dem Gesetzentwurf liegt erkennbar eine einseitige, über holte Sicht der Gleichstellungspolitik zugrunde, die na hezu ausschließlich die Frauenförderung zum Ziel hat und dabei nicht mehr zeitgemäße Instrumente einsetzt.

Mir ist natürlich Frauenförderung genauso wichtig. In meiner Funktion als frauenpolitischer Sprecher habe ich, denke ich, auch in den letzten Jahren einiges dafür getan, und zwar nicht nur in der FDP, sondern auch hier im Landtag.

Dennoch stellt sich mir eine Frage: Man wollte das tatsäch lich flächendeckend machen. Die Sozialministerin wird mir sicherlich erklären können, warum gerade Gemeinden ab 50 000 Einwohnern verpflichtet werden, Gleichstellungsbe auftragte zu bestellen. Sind es monetäre Gründe – weil eben die 2,1 Millionen € das Limit waren –, oder gibt es tatsäch lich Gründe? Diese würden mich auch als ehemaligen Perso nalverantwortlichen aus dem Mittelstand interessieren. Liegt der Grund tatsächlich in der Einwohnerzahl von 50 000, oder sind es rein monetäre Gründe? Ich vermute das.

Man müsste sie eigentlich auch in Gemeinden einsetzen, die weniger als 50 000 Einwohner haben. Nachdem in 19 der 22 betroffenen Kommunen – Frau Gurr-Hirsch hat es auch ange sprochen – bereits Gleichstellungsbeauftragte eingesetzt sind und diese Aufgabe wahrnehmen, frage ich mich natürlich, wa rum das Land hier noch einmal 2,1 Millionen € – mit dyna mischer Entwicklung – zuschießen muss. Wir loben ja immer auch hier im Landtag die Kommunen, wie selbstständig sie arbeiten und wie eigenverantwortlich sie unterwegs sind.

Warum muss der Landtag von Baden-Württemberg den Kom munen vorschreiben, ab wann und wie sie die betreffende Auf gabe fortführen? Ich denke, wir haben verantwortliche Füh rungskräfte in den Kommunen Baden-Württembergs, sodass

wir es ihnen überlassen können, wie sie in diesem Bereich tä tig sind.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Warum sollen die Landkreise sozusagen auch auf die Städte und Gemeinden einwirken und die Koordinierung überneh men? Das ist für mich ein völliges Rätsel. Auch als jemand, der viele Jahre im Mittelstand tätig war, der selbst auch ver antwortlich Frauen gefördert hat und einiges für die Förde rung getan hat – ich weiß auch, was die Industrie in diesem Bereich tut –, frage ich mich schon: Warum muss die freie Wirtschaft diese Dinge mitfinanzieren, was im Grunde genom men die Verwaltungen und die Kommunen selbst machen kön nen? Um diese Themen voranzutreiben, muss das Land nicht Steuergelder einsetzen. Der Bilanzbericht zeigt das ganz gut.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Abschließend: In der eigenen Landesverwaltung – Amtsleiter oder in anderen Bereichen –, denke ich, bestünde durchaus auch noch Potenzial, mehr zu tun, um Frauen in Führungs funktionen entsprechend zu fördern. Da ist noch Luft nach oben.

Auf jeden Fall wird die FDP/DVP-Landtagsfraktion dieses Gesetz ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregie rung erteile ich das Wort Frau Sozialministerin Altpeter.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Wir beraten heute in der zweiten Le sung den Gesetzentwurf zur Neufassung des Chancengleich heitsgesetzes. Ein langer, ein intensiver Prozess der Erarbei tung dieses Gesetzentwurfs liegt hinter uns. Es war ein Pro zess, der mir in aller Deutlichkeit noch einmal gezeigt hat, wie viel wir noch zu tun haben, um zur tatsächlichen Gleichberech tigung von Männern und Frauen zu kommen. Denn Gleich berechtigung wird noch längst nicht bei allen großgeschrie ben, auch hier in Baden-Württemberg nicht.

Ich finde, Schlagzeilen in der Presse wie „Baden-Württem berg, ein frauenpolitisches Entwicklungsland“ sollten uns zu denken geben. Es ist nahezu vermessen, wenn dann ein Ge meindetagspräsident bestimmt, was eine überholte Sichtwei se ist und was nicht. In aller Deutlichkeit sage ich: Solange wir in Führungspositionen, in Gremien und auch hier im Par lament nicht eine 50:50-Besetzung haben, so lange wird es mit mir Frauenförderung im Land geben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es ist sicherlich richtig, dass sich in der Eingangsbesoldung im öffentlichen Dienst durchaus positive Entwicklungen nach weisen lassen. Wenn wir aber auf die nächsthöhere Ebene gu cken, sehen wir: Das fällt schon wieder deutlich ab.

Es ist auch richtig, dass Frauen heute bessere Chancen haben, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Aber es ist eben auch noch Realität, dass der Anteil von Frauen in Füh rungspositionen weit, weit unterdurchschnittlich ist. Es ist auch kein Geheimnis, dass Frauen in Gremien immer noch in der Minderheit sind. Deswegen dürfen wir uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Es ist unsere Aufgabe, Diskriminierun gen abzubauen, um Frauen die gleichen beruflichen und ge sellschaftlichen Chancen zu ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen die Chan cengleichheit von Frauen und Männern vor allem auch auf der kommunalen Ebene stärken. Es steht zwar außer Frage, dass sich heute bereits viele Kommunen aktiv für die Gleichbe rechtigung einsetzen. Allerdings ist dieser Fortschritt noch nicht überall erkennbar.

Es gibt jetzt in vielen Stadt- und Landkreisen sowie in Ge meinden mit einer Einwohnerzahl ab 50 000 Gleichstellungs beauftragte. Aber wenn man hier von drei oder vier redet – oder was anscheinend noch zusätzlich hinzukommen soll –, dann muss man auch sagen, dass in einigen Kommunen der Stellenumfang der Gleichstellungsbeauftragten gerade einmal 5 % ausmacht. Da möchte ich einmal wissen, was Sie mit 5 % anfangen, um zu mehr Gleichberechtigung zu kommen.

Unter solchen Bedingungen ist eine gelungene Gleichstel lungsarbeit schlichtweg nicht möglich. Deshalb haben wir die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten erstmals im Chancen gleichheitsgesetz verankert. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, war auch bitter nötig.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ein weiterer Schwerpunkt bei der Novellierung war die För derung der Chancengleichheit bei der Besetzung von Gremi en. Nach wie vor sind Frauen dort stark unterrepräsentiert. Die bisherigen Regelungen, insbesondere das oft besungene Ho helied der Freiwilligkeit bei der Besetzung von Gremien, ha ben ja offensichtlich nicht geholfen. Deshalb haben wir bei der Besetzung von Gremien, für die dem Land ein Berufungs-, Entsende- und Vorschlagsrecht zusteht, einen Frauenanteil von zunächst mindestens 40 % gesetzlich verankert. Langfristig bleibt selbstverständlich die paritätische Gremienbesetzung auch im Land Baden-Württemberg das Ziel.

Ein weiteres, auch mir persönlich wichtiges Anliegen war die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Be ruf. Da ist es mir wichtig, noch einmal zu sagen, dass das The ma „Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege“ ausdrück lich nicht nur ein reines Frauenthema ist, sondern Frauen wie Männer gleichermaßen betrifft. Denn die heutigen Generati onen legen Wert darauf, Karriere und Familie miteinander zu verbinden. Ich finde es nur recht und billig, wenn wir diesen Bedürfnissen auch nachkommen.

Deshalb sind die Dienststellen aufgefordert, Rahmenbedin gungen anzubieten, die Frauen und Männern die Vereinbar keit von Familie, Beruf und Pflege erleichtern. Deshalb wird es auch in Zukunft immer mehr eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir mehr familien- und pflegefreundliche Arbeits zeitmodelle haben.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Novellierung werden darüber hinaus die Rechte der Beauftragten für Chan cengleichheit und ihrer Stellvertreterinnen ausgeweitet und gestärkt. Denn die Beauftragten für Chancengleichheit unter stützen ihre Dienststellen in der Umsetzung des Chancen gleichheitsgesetzes und übernehmen damit eine wichtige Auf gabe bei der Verwirklichung von Chancengleichheit. Ich fin de, es ist schon besonders wichtig, dass auf den Bereich Chan cengleichheit neben den üblichen Personalmitwirkungsmög lichkeiten zusätzlich ein besonderer Blick gerichtet wird. Denn was wir in diesem Bereich noch zu tun haben, sagen uns die Zahlen deutlich.

Wir haben mit dem Gesetz auch die Veröffentlichung der Chancengleichheitspläne verpflichtend gemacht. Denn damit entsteht eine größere Transparenz. Ich glaube, eine Veröffent lichung dieser Berichte gibt vielleicht mehr her als die seithe rigen Bilanzberichte; denn durch die Transparenz entsteht na türlich auch ein öffentlicher Druck auf die einzelnen Verwal tungen, auf die einzelnen Häuser. Ich denke, das wird eher wahrgenommen oder bewirkt mehr Transparenz für die Frau enförderung als ein Bilanzbericht.