Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung: Wir finden es außerordentlich schade, dass Sie hier die Zusage nicht ein gehalten haben, dass Sie sich nicht an die parlamentarischen Spielregeln halten. Auch dieser Gesetzentwurf ist so sehr mit heißer Nadel gestrickt worden, dass wir hierzu eine Sonder sitzung des zuständigen Ausschusses benötigen; wir haben den Gesetzentwurf im Grunde erst vor wenigen Stunden er halten. Das ist meines Erachtens kein guter parlamentarischer Brauch. Aber eine neue Landesregierung im Jahr 2016 wird hier Besseres tun, als diese Regierung es getan hat.
Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Wacker, Sie haben Ihre Pflichtaufgabe gerade so er füllt, hier noch ein bisschen Wahlkampf zu betreiben.
Die heute zur Debatte stehende Vorlage ist schlicht und ein fach ein Gesetz zur Harmonisierung. Sie erfüllt den Auftrag eines Entschließungsantrags, den wir fraktionsübergreifend, sogar einstimmig, am 15. Juli des vergangenen Jahres hier be schlossen haben. Dabei haben Sie mitgestimmt. Es geht da bei nämlich um Inklusion, um die unkomplizierte Kooperati on von freien und staatlichen Schulen im Bereich der Inklu sion. Der zweite Teil ist die Verbesserung der Förderung der Privatschulen. Diese wird jetzt auf eine transparente Grund lage gestellt. Auch das ist eigentlich kein Aufreger.
Zunächst zur Inklusion: Mit der vorgesehenen Gesetzesände rung wird es möglich, dass Sonderpädagoginnen und Sonder pädagogen, die an einer Privatschule angestellt sind, mit ei ner pragmatischen, auskömmlichen Erstattungsregelung auch an staatlichen Schulen arbeiten können, um dort Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu unterstützen. Das musste man erst einmal rechtlich einnorden bzw. entsprechend formulieren, weil es nicht so ganz unkompliziert ist.
Auch bisher war diese Unterstützung möglich. Dann galten aber die Inklusionsschülerinnen und -schüler nicht mehr als inklusiv beschult, sondern waren plötzlich wieder Schüler ei ner Sonderschule, obwohl sie dort gar nicht unterrichtet wor den sind. Inklusiv beschulte Kinder wurden quasi exkludiert. Das liegt am komplizierten Dienstrecht. Deswegen hat es auch mit der Gesetzesänderung ein bisschen gebraucht. Die Folge, die ich gerade benannt habe, war natürlich nicht der Wille des Gesetzgebers. Dies wird jetzt entsprechend unserem gemein samen Entschließungsantrag rechtlich sauber geändert.
Die neue Regelung gilt ab dem kommenden Schuljahr, um die bisherigen Konstrukte nicht innerhalb des Schuljahrs durch einanderzubringen. Es stellt sich aber die Frage, was mit de
nen passiert, die es im Vorgriff auf die neue Regelung schon richtig gemacht haben und die bereits eine unkomplizierte Er stattungsregelung angewandt haben. Die Antwort liegt auch da auf der Hand. Auch sie ist kein Aufreger.
Da die bisherige Regelung in der Wirkung nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht – wir wollten inklusive Beschu lung ermöglichen –, kann hier juristisch von einer planwidri gen Gesetzeslücke gesprochen werden. Auch das ist nichts Einmaliges in der Historie. Alle, die diese Lücke durch prag matisches Verwaltungshandeln stimmig geschlossen haben, haben keinen Fehler gemacht. Darin bin ich auch mit dem Kultusminister einig.
Die Förderung der freien Schulen haben wir in den vergange nen Jahren Schritt für Schritt massiv erhöht. Der Kultusmi nister hat dies bereits aufgelistet. Damit haben wir uns einer Förderung von 80 %, die wir mittelfristig zugesagt haben, an genähert. Die Steigerung fiel auch deswegen so hoch aus, weil sich in den vergangenen Jahren die Bemessungsgrundlage er weitert hat. Denn wir haben die Pro-Kopf-Ausgaben für alle Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg in den ver gangenen Jahren um rund 20 % erhöht. Das ist ein historischer Zuwachs für die Bildung in unserem Land. Das ist auch kein Zufall. Denn die Kinder in Baden-Württemberg sind uns das wert.
Parallel dazu haben wir mit den Privatschulen vereinbart, dass auch sie sich künftig Schritt für Schritt an der Altersversor gung der bei ihnen arbeitenden Beamten beteiligen.
Wenn wir das heute im Entwurf vorliegende Gesetz nicht ver abschieden würden, würde sich dadurch die Förderquote an einzelnen Schulen wieder verringern. Das wollen wir natür lich nicht.
Zugleich gilt es, ein neues und recht kompliziertes Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zur Finanzierung der Privatschulen einzubeziehen. Zwischen den Privatschulen und dem Kultus ministerium gibt es nun die Verabredung – auch das ist ein Konsens –, dass beide Seiten das Urteil auswerten und auf die ser Basis ab Ende März verhandeln.
Als Überbrückungsregelung gibt es die heute zur Debatte ste hende Regelung, die das Förderniveau einheitlich auf 78,1 % festschreibt, also auch bei den Schulen, die besonders viele Beamte angestellt haben. Das ist sowohl relativ als auch ab solut sehr viel mehr, als es unter Schwarz-Gelb je gab.
In diesem Sinn ist dies ein gutes, ein notwendiges Gesetz, das, wenn Sie die Verführung des Wahlkampfs ausklammern – das ist Ihnen bisher nicht ganz gelungen –, in diesem Haus auch einmütig verabschiedet werden kann.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Gesetzesvor lage schließen wir erfolgreich ein Zwischenkapitel, ein wei teres Kapitel in der zuverlässigen Partnerschaft zwischen der neuen Landesregierung und den Schulen in freier Träger schaft.
Dies wird uns sowohl ermöglichen, Verbesserungen beim The ma „Erweiterung und Einsatzmöglichkeit im Bereich Inklu sion“ zu erzielen, als auch das Thema Finanzen einen weite ren Schritt voranzubringen. Denn das Verhältnis zwischen Schwarz-Gelb und den Schulen in freier Trägerschaft hat sich leider im Wesentlichen durch Taschenspielertricks und nicht durch eingehaltene Zusagen ausgezeichnet. Sie haben näm lich immer wieder eine finanzielle Förderung in Aussicht ge stellt. Sie haben aber Ihren Worten nie wirklich strukturell Ta ten folgen lassen. Von dem Ziel, das Sie zugesagt hatten, näm lich einer Finanzierung von 80 % nach dem Bruttokostenmo dell, waren Sie 2011 – gefühlt – Lichtjahre entfernt.
Die Tabelle auf Seite 18 des Gesetzentwurfs ist hier eindeu tig. Zum Teil mehr als zehn Prozentpunkte haben Sie von dem gesetzlich formulierten Ziel getrennt.
Es war mit eine der ersten Maßnahmen der neuen Landesre gierung, die Förderung der Schulen in freier Trägerschaft strukturell sofort zu erhöhen. Die Zahlen sind in der Tat ein drucksvoll. Minister Stoch hat sie bereits ausgeführt.
Neben den leicht steigenden Schülerzahlen ist dieser Anstieg in erster Linie gerade durch die Anhebung der strukturellen Förderung zu erklären. Der nächste Erhöhungsschritt 2016 steht mit einer Jahreswirkung von erneut 16 Millionen € an. Im Zuge des Zweiten Nachtragshaushalts haben wir noch ei nen Erhöhungsschritt von weiteren 17 Millionen € on top ge setzt. Damit erhalten die Privatschulen mindestens 78 % der Kosten eines Schülers an einer öffentlichen Schule refinan ziert. Strukturell erhöhen wir damit in der laufenden Legisla turperiode die Zuschüsse insgesamt um 72,5 Millionen €.
Diese Zahlen belegen: Wir stehen auch weiterhin für eine fai re Finanzausstattung und für das anzustrebende Ziel von 80 %. Dass wir heute prozentual immer noch leicht darunterliegen, hängt mit den hohen Investitionen zusammen, die wir, auch die SPD, bewusst im öffentlichen Schulsystem vorgenommen haben. Damit verändert sich die Berechnungsgrundlage, und deswegen haben wir im Dezember noch einmal nachgelegt.
Dass unsere Anstrengungen auch von den Privatschulen ho noriert werden, belegt das Rundschreiben der AG Freier Schu len an alle Schulen vom 8. Januar. Dort heißt es wörtlich – ich zitiere –:
Auch wenn das Ziel einer Förderung in Höhe von 80 %, das sich die Regierungsparteien in der Koalitionsverein barung gesetzt haben, aktuell noch nicht erreicht ist, wur den in den vergangenen Jahren wichtige Schritte unter nommen. Unser Dank geht insbesondere auch an die bei den Fraktionsvorsitzenden von B 90/Grüne Edith Sitz mann und SPD Claus Schmiedel, die in intensiven Ge sprächen mit der AGFS in den vergangenen Monaten die se Entwicklung ermöglicht haben.
Das ist kein Lob von uns. Das ist ein Lob von den freien Schu len für die Politik dieser Landesregierung.
Das Ziel der SPD ist es weiterhin, die 80 % zu erreichen. Im Gegensatz zur CDU verbinden wir unsere Zusagen nicht mit dem großen F-Wort, das bei Ihnen für „Finanzierungsvorbe halt“ steht. Im Gegenteil: Die SPD ist die Partei, die dafür ge sorgt hat, dass der Bildungsetat heute mehr als 10 Milliarden € umfasst. Die SPD ist die Partei, die die Streichung von Tau senden Lehrerstellen verhindert hat, und die SPD ist die Par tei, die auch in Zukunft für Bildungsgerechtigkeit im öffent lichen wie im freien Schulwesen ist. Daher unterstützen wir das Gesetzesvorhaben.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Es ist verständlich, dass Sie sich jetzt feiern lassen wollen. Nachdem die Geschichte Ihrer Bildungs politik in den vergangenen fünf Jahren vor allem eine Ge schichte des Scheiterns war, bringt Ihre Regierung zum Schluss noch einen Gesetzentwurf ein, der allgemeine Zustim mung findet.
Auch die FDP/DVP-Fraktion unterstützt die Anliegen dieses Gesetzentwurfs. Aber auch auf die Gefahr hin, dass ich Ihnen jetzt die Feierlaune verderbe:
Der eine Teil des Gesetzentwurfs besteht in einer nachträgli chen Reparaturmaßnahme zum Inklusionsgesetz, und der an dere in einem längst überfälligen Schritt zur Anhebung der Privatschulzuschüsse,
Zunächst zur nachträglichen Reparaturmaßnahme: Lehrkräf te aus Sonderschulen in freier Trägerschaft sollen künftig im Rahmen der Inklusion auch an staatlichen Schulen eingesetzt werden können. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, der aber § 38 Absatz 1 des Schulgesetzes entgegensteht, wo nach an staatlichen Schulen eingesetzte Lehrkräfte Bediens tete des Landes sein müssen. Die FDP/DVP-Fraktion hat des halb bereits bei den Beratungen zum Inklusionsgesetzentwurf den Antrag gestellt, diesen Paragrafen zu streichen – aber ver geblich. Grün-Rot lehnte ab.
Nun soll mit einiger Verspätung dasselbe Problem auf ande re Weise behoben werden. Wir Freien Demokraten wollen die ser Regelung nicht im Weg stehen und werden abwarten, in wieweit sie sich bewährt.
Leider wird der späte Zeitpunkt der Regelung zur Überlas sung von Lehrern privater Sonderschulen zum Vorwand ge nommen, diese erst zum 1. August 2016 in Kraft treten zu las sen, obwohl die Kooperation bereits im laufenden Schuljahr praktiziert wird. Dies ist praxisfern, bringt die Verantwortli
chen vor Ort in Schwierigkeiten und lässt sie hinsichtlich der Finanzierung im Regen stehen. Korrekt wäre es, die nachträg liche Reparaturmaßnahme als solche einzugestehen und die Regelung zeitgleich mit dem Gesetz in Kraft treten zu lassen.
Der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfach behinderung wurde nicht in die offizielle Anhörung einbezo gen – aus Sicht der FDP/DVP-Fraktion ein unverständlicher Fauxpas –, hat aber dennoch eine Stellungnahme abgegeben.
Darin verweist der Verband darauf, dass die Berechnungs grundlage für die Kostenerstattung unklar ist. Dies wäre nicht so schlimm, wenn die freien Schulen darauf vertrauen könn ten, dass in solchen Fragen fair mit ihnen verfahren wird. Lei der sind die freien Schulen in Bezug auf die Berechnung der Zuschüsse des Kultusministeriums aber gebrannte Kinder.
Insgesamt unterstützen wir das Vorhaben zwecks erleichter ter Kooperation zwischen staatlichen Schulen und Sonder schulen in freier Trägerschaft. Es zeigt, dass das Personal und die Kompetenz der Sonderschulen insgesamt für die Inklusi on unverzichtbar sind. Wir erneuern deshalb unsere Forde rung, die Sonderschulen nicht ausbluten zu lassen. Sie sollten nicht nur wieder Sonderschulen heißen – nachdem Grün-Rot ihnen den Namen schon einmal weggenommen hat –, sondern die Kompetenzzentren sein, von denen aus die Inklusion ko ordiniert und fachlich betreut wird.