Protocol of the Session on December 17, 2015

Wenn wir uns diesen Solidarpakt einmal im Detail anschau en, dann stellen wir fest, dass in vielen Bereichen, Frau Kol legin Schmid, Themen angepackt wurden, die über Jahre, teil weise sogar über Jahrzehnte nicht angepackt wurden. Da bringt es, glaube ich, relativ wenig, wenn man in sauertöpfi schem Ton hier vorn lamentiert

(Lachen des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

und dabei vergisst, dass man selbst es war, der diese Themen jahrzehntelang nicht aufgegriffen hat. Denn dass in Baden

Württemberg die Übungsleiterpauschale seit den Sechziger jahren nicht erhöht wurde, ist das Verschulden der früheren Landesregierungen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Immer noch nied riger als bei den Volkshochschulen!)

Und wenn Sie hier über einen Sanierungsstau im Bereich des Vereinssportstättenbaus lamentieren, dann muss ich sagen: Dieser Sanierungsstau ist nicht etwa 2011 vom Himmel ge fallen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Vielmehr war der Vereinssportstättenbau über Jahre und Jahr zehnte unterfinanziert. Deswegen geht es jetzt darum, den Ver einen eine gute infrastrukturelle Grundlage zu geben, damit diese die hervorragende Arbeit mit vielen ehrenamtlichen Übungsleitern auch wirklich erbringen können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das waren nur zwei der Felder, die hier Teil des Solidarpakts Sport sind. Ich darf noch einmal die Gesamtvolumina benen nen: Wir haben insgesamt 87,5 Millionen € als Erhöhungsvo lumen über den Zeitraum von fünf Jahren, und wir haben zu sätzlich noch für den kommunalen Sportstättenbau weitere 25 Millionen € im Topf. Das heißt, wir sprechen über fünf Jah re hinweg über ein Erhöhungsvolumen von 112,5 Millionen €. Das ist eine Erhöhung um rund 30 %, während Sie beim letz ten Solidarpakt eine Erhöhung um lediglich 5 bis 6 % vorge nommen hatten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es geht uns dabei nicht nur – aber natürlich auch – um die Fra ge der Übungsleiter – der Übungsleiterinnen und Übungslei ter, die das tragende Gerüst gerade im Kinder- und Jugend sport, aber auch im Leistungssport, in den Verbänden und Ver einen bilden. Uns geht es daneben um die Infrastruktur, das heißt um die Vereinssportstätten, uns geht es aber auch um weitere Maßnahmen. So fördern wir u. a. – als Herzstück der Sportverbände – die Sportschulen, die weitere Investitions kostenzuschüsse bekommen, um dort die wichtige Arbeit – gerade wenn es um die Qualifizierung von Übungsleiterinnen und Übungsleitern geht – in hervorragender Qualität machen zu können.

Außerdem ist mir ganz wichtig, immer wieder auf eines hin zuweisen: In Baden-Württemberg ist der Sport – und dies aus guten Gründen – im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport verankert. Sie wissen, dass die Zuständigkeit hierfür in den meisten anderen Bundesländern im Innenministerium veran kert ist. Aber ich glaube, die Verknüpfung mit Fragen der Bil dung, das heißt, mit den Fragen, die sich für Kinder und Ju gendliche stellen, ist genau die richtige Zielsetzung, und dies ist auch der Grund dafür, dass der Sport im Kultusministeri um verankert sein muss. So gibt es zahlreiche Maßnahmen, die wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben.

Denn eines ist klar: Nur wenn wir es schaffen, Kinder und Ju gendliche von Anfang an in unseren Bildungseinrichtungen gemeinsam mit den Vereinen mit Sport und Bewegung in Ver bindung zu bringen, nur wenn wir es schaffen, von Anfang an

den Kindern und Jugendlichen Freude an Bewegung zu ver mitteln, dann werden diese Menschen ihr gesamtes Leben lang eine größere Freude hieran haben, und es wird für sie selbst verständlich sein, weite Bereiche ihres Lebens mit Sport und Bewegung in Verbindung zu bringen. Deswegen sind Sport und Bewegung für uns eine wichtige Erziehungsfrage, gera de in den Schulen in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Warum haben Sie dann im Ergänzungsbereich gekürzt und bei den An rechnungsstunden?)

Herr Kollege Dr. Kern, Sie haben eines in fundamentaler Wei se nicht erkannt: In Baden-Württemberg ist – leider –, auch aufgrund des demografischen Wandels, in den letzten Jahren ein sich zunehmend verstärkender Prozess zu beobachten, dass in den Vereinen bedauerlicherweise immer weniger Kin der und Jugendliche sind, die an Unterrichts- und Trainings stunden teilnehmen. Dies einfach so zu akzeptieren und hin zunehmen und zu sagen, daran sei jetzt die Ganztagsschule schuld, geht am Thema vorbei, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn dort, wo Vereine und Verbände gut mit Schulen koope rieren – wir machen dies gerade durch das Modell der Mone tarisierung in der Ganztagsschule möglich –,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! Ganze Jahr gänge!)

dort, wo dies gelingt, profitieren die Vereine in unglaublich starkem Maß. Deswegen bin ich immer noch dankbar, dass wir mit dem Landessportverband als erstem Verband eine Rahmenvereinbarung für die Förderung des Sports im Ganz tagsbereich der Schulen abschließen konnten. Glauben Sie denn ernsthaft, dass der Sport eine solche Rahmenvereinba rung abschließen würde, wenn er hierdurch nicht einen posi tiven Effekt für sich erwarten würde? Herr Kollege Dr. Kern, Sie diskutieren völlig an der Realität vorbei.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Eine These ist natürlich auch richtig: Wenn wir in BadenWürttemberg auch Spitzensport haben wollen, wenn wir auf nationaler und internationaler Ebene erfolgreiche junge Sport lerinnen und Sportler haben wollen, dann muss eine starke Breitensportförderung bereits auch in jungen Jahren stattfin den. Deswegen haben wir – ich glaube, das ist ein geschlos senes Konzept, das sehr gut funktioniert – mehrere Elemen te, die es ermöglichen, gerade Kindern im vorschulischen und schulischen Bereich Sport und Bewegung nahezubringen.

Ich nenne hier als Beispiel die Kindertagesstätten mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt; ich nenne die Grundschulen mit sport- und bewegungserzieherischem Schwerpunkt – insgesamt immerhin 835 Grundschulen in Ba den-Württemberg. Ich nenne das Ganztagsschulkonzept mit Einbindung der Vereine in Baden-Württemberg, und ich nen ne als weiteren Schritt, gerade für den Bereich der weiterfüh renden Schulen, die Spitzensportförderung an unseren Elite schulen und Partnerschulen des Sports. Denn dort sind junge

Menschen, die bereits in Individual- oder Mannschaftssport arten national und international auf hohem Niveau arbeiten, sowohl, was den Umfang des Trainings, als auch, was die Wettkampfbelastung angeht.

Wir haben vor wenigen Wochen gemeinsam mit dem Lan dessportverband in Ludwigsburg ein Konzept gerade zur För derung dieser Spitzensportler veröffentlicht und bekannt ge macht. Ich glaube, wenn wir die jungen Menschen mit diesen Konzepten in ihre schulische Laufbahn führen, dann werden wir in den nächsten Jahren in Baden-Württemberg wieder mehr erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler haben. Dann wird vor allem auch die Grundlage dafür gelegt, dass die Überzeugung in der Bevölkerung wieder wächst, dass sport liche Großveranstaltungen wie Olympische Spiele oder Welt- und Europameisterschaften in Deutschland stattfinden sollen –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Stuttgart!)

ich sage: in Deutschland stattfinden müssen, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Als ein Beispiel für diese Motivationsfunktion des Sports kann ich natürlich auch anführen, dass der Deutsche Turner-Bund gemeinsam mit uns hier in Baden-Württemberg die Turn-WM veranstalten wird. Deswegen ist Teil des Solidarpakts u. a. auch, dass das Land Baden-Württemberg finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, um die Turn-WM hier in Stuttgart durch führen zu können.

Aber, meine sehr geehrte Damen und Herren, nicht erst bei der Turn-WM wird deutlich werden: Baden-Württemberg ist ein Land, in dem der Sport, und zwar sowohl der Breiten- wie auch der Leistungssport, einen ganz hohen Rang hat. Deswe gen, Herr Kollege Dr. Kern, wird auch an dieser Stelle im Rahmen von Aktuellen Debatten noch oft über den Sport in Baden-Württemberg zu sprechen sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich in der zweiten Runde das Wort Herrn Fraktionsvorsitzendem Schmiedel.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil das, was Sie, Herr Kollege Kern, von sich gegeben ha ben, entweder schlicht unverschämt war oder den mangeln den Tiefgang Ihrer Gedanken zeigte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie hatten behauptet, es sei für die SPD kein angemessenes Thema, wenn sie sich im Rahmen einer Aktuellen Debatte mit dem Solidarpakt Sport beschäftige. Ich möchte Ihnen hierbei ein bisschen auf die Sprünge helfen: Der Sport hat in der Ge schichte der Arbeiterbewegung eine ganz herausragende Rol le gespielt, und die SPD ist Bestandteil dieser Arbeiterbewe gung.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das ist schon lange her!)

Sport, Arbeiterbewegung und SPD – das war also immer ei ne Einheit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Leider war es nicht möglich, in der ersten deutschen Demo kratie diese unterschiedlichen Ausrichtungen der Vereine – sogenannte bürgerliche Sportvereine und Arbeitersportverei ne – zusammenzuführen. Das war mit ein wesentlicher Punkt, dass die Gesellschaft in der Weimarer Republik nicht zusam mengefunden hat und dies dann im Fiasko des Dritten Rei ches gemündet hat – nicht der wesentliche, aber einer.

Deshalb war es eine große historische Leistung nach dem Zweiten Weltkrieg, dass sich die Vertreter des Arbeitersports und die Vertreter des bürgerlichen Sports zusammengefunden haben und dass wir heute eine Sportbewegung haben, in der nicht mehr unterschieden wird, ob jemand in die Fabrik geht, um zu arbeiten, oder ob er ein Beamter ist. Vielmehr haben wir Sportvereine, die wie keine andere Institution gesellschaft lich integrierend wirken.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das ist ein hochbrisantes, hoch spannendes Thema für den Zu sammenhalt unserer Gesellschaft – nicht nur im Hinblick auf Flüchtlinge, sondern auch im Hinblick auf die gesamte Ge sellschaft in der Bundesrepublik Deutschland.

Das Zweite, was ich Ihnen sagen wollte, weshalb es sich lohnt, darüber zu sprechen – weil Sie sagen: „Wir sind uns ja alle ei nig, dass es mehr Geld gibt“ –: Dieser Solidarpakt unterschei det sich von dem vorhergehenden dadurch, dass er eine stra tegische Ausrichtung hat,

(Abg. Karl Klein CDU: Quatsch!)

dass er nicht nur etwas mehr gibt.

(Abg. Karl Klein CDU: Quatsch!)

Beispiel: Alle sagen: „Der Sport fußt in ganz wesentlichen Teilen auf dem Ehrenamt“, und Sie loben das Ehrenamt über den grünen Klee. 40 Jahre wurde aber nichts gemacht, diese verbale Anerkennung auch in eine stärkere monetäre Unter stützung der Vereine zu überführen.

(Zuruf der Abg. Viktoria Schmid CDU)

Deshalb ist es ein strategischer Ansatz zur Stärkung des Eh renamts im Sport,