Frau Sitzmann hat es eben angesprochen. Ihre Ziele sehen Sie wohl am ehesten bei den soziokulturellen Zentren realisiert. Die werden von Ihnen nämlich
und auch die Baumaßnahmen werden gefördert. Da gehen an dere im Vergleich leer aus – ich schaue mir nur die Privatthe ater an. Die betreiben auch eigene Häuser und eigene Ensem bles. Aber Sie unterstützen bei der Kultur vornehmlich das, was auf Ihrer grün-roten Wellenlänge liegt.
Wer sich an ein eher bürgerliches Publikum wendet, ein Pub likum, das vielleicht eine konservative Kulturauffassung hat, wer sein Publikum vielleicht einfach nur unterhalten oder er freuen will, der wird von Ihnen nicht als Teil der Vielfalt be trachtet.
Aber wir können nicht von jedem Theater erwarten, dass es einen Beitrag zur Inklusion von behinderten Menschen, zur Integration von Flüchtlingen oder zur kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen leistet. Die kulturelle Bildung, mei ne Damen und Herren, sehen wir sowieso am besten im Bil dungsbereich aufgehoben. Dazu gehört in erster Linie die Schule. Dort erreichen wir alle Kinder und Jugendlichen, dort sind Strukturen, Fachkompetenz und vor allem auch die not wendige pädagogische Kompetenz vorhanden. Uns ist es schlei erhaft, warum Sie die kulturelle Bildung nicht als Leitpers pektive in den neuen Bildungsplan hineingeschrieben haben.
Wenn Sie schon solche Leitperspektiven entwickeln, warum dann nicht gerade und zuallererst die kulturelle Bildung? Es geht Ihnen um nachhaltige Entwicklung, um Toleranz und Ak zeptanz von Vielfalt, Prävention und Gesundheitsförderung, berufliche Orientierung, Medienbildung und Verbraucherbil dung. Aber was fehlt, ist die kulturelle Bildung. Es wäre doch das Normalste der Welt gewesen, wenn Sie die kulturelle Bil dung in den neuen Bildungsplan hineingeschrieben hätten.
Wir hatten einen Fachbeirat Kulturelle Bildung. Dieser hat hervorragende Arbeit geleistet; er stammt noch aus der vor herigen Legislaturperiode. Der Fachbeirat hat selbst gefordert, dass seine Arbeit in den Bildungsplan einfließt. Wenn Sie die kulturelle Bildung in den Schulen stärken würden, könnten wir uns so manches Projekt sparen.
In Kulturkreisen – das wissen Sie genauso wie ich – wird mitt lerweile über die „Projektitis“ geklagt.
Denn wir dürfen nicht vergessen: Wir haben auch die Landes stiftung, die Kulturförderung betreibt. Im nächsten Jahr wird sie dafür 1,85 Millionen € zur Verfügung stellen. Mir scheint, wir haben es hier mit Doppelstrukturen zu tun, wobei es mir fast so vorkommt, als ob die Landesstiftung mehr Transpa renz bei der Vergabe herstellt und anschließend auch mehr Nacharbeit bei den Projekten leistet. Es ist wirklich fraglich, ob das Ministerium selbst auch so stark in die Projektförde rung einsteigen muss. Denn eigentlich wäre es doch Ihre Auf gabe, Kultur nachhaltig zu fördern und tragfähige Strukturen aufzubauen. Aber genau das wollen Sie scheinbar nicht – nachzulesen auf der Homepage des MWK. Dort steht, es ge he auch darum – ich zitiere –,
Meine Damen und Herren, deswegen betrachten Sie wahr scheinlich auch die Amateurmusik so skeptisch – trotz aller Lippenbekenntnisse.
Die CDU – das will ich hier noch einmal ganz deutlich sagen – sieht in den Vereinen und Verbänden der Amateurmusik den idealen Ort für kulturelle Bildung, für den interkulturellen Di alog und für die Zusammenarbeit über die Generationen hin weg. Es ist wirklich bedauerlich, dass Sie sich nicht entschlie ßen konnten, mit uns im Rahmen des Nachtragshaushalts ei nen gemeinsamen Antrag zu unterschreiben, um den Verbän den – hier jetzt der Blasmusik – zu signalisieren, dass wir sie unterstützen wollen, dass wir anerkennen, dass sie für ihre Ju gendarbeit, die Sie auch so betonen, die beiden neuen Akade mien in Plochingen und in Staufen benötigen und wir sie da bei finanziell unterstützen werden. Herr Kern, Sie haben selbst noch einen eigenen Antrag nachgeschoben, aber Sie haben sich nicht bereit erklärt, an den Konsens, der in diesem Haus in Sachen Kulturpolitik eigentlich herrschte, anzuknüpfen und den Antrag von uns mit zu unterschreiben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Wer definiert denn, was hier Kon sens ist?)
Lieber bewilligen Sie aus Ihrem Innovationsfonds noch ein Projekt mehr, als dass Sie vorhandene und bewährte Struktu ren stärken. Für uns kann ich sagen: Wir wollen Bewährtes und Bekanntes nicht aus Prinzip einfach so hinterfragen, zer schlagen und schwächen; im Gegenteil. Bewährtes gilt es zu bewahren und zu stärken.
Noch einmal, damit wir uns nicht falsch verstehen: Ein Inno vationsfonds, mit dem neue Projekte angestoßen werden kön
nen, kann durchaus sinnvoll sein. Ich freue mich für alle, die jetzt einen Antrag bewilligt bekamen. Aber ein Innovations fonds sollte nicht dazu genutzt, nicht dazu instrumentalisiert werden, mit zeitlich befristeten Projektmitteln Daueraufgaben zu ersetzen. Die kulturelle Bildung gehört für uns ganz deut lich zu den Daueraufgaben, genauso wie die interkulturelle Arbeit und die Kultur im ländlichen Raum. Gerade dort brau chen wir Verlässlichkeit und feste Strukturen, damit das auf Dauer funktioniert.
Denn Ihre Projekte werden, wenn die Steuereinnahmen ein mal zurückgehen, auch ganz schnell wieder gestrichen.
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das ist der Hin tergrund! – Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Das ist ei ne Unterstellung!)
Es wird auch eine ganz langfristige Aufgabe sein, die Flücht linge, die bei uns bleiben werden, zu integrieren, ihnen Zu gang zur Kultur und Ausdrucksmöglichkeit zu eröffnen. Das schaffen Sie aber nicht mit ein paar Projekten. Damit müssen wir uns viele Jahre beschäftigen, und dazu brauchen wir ganz verlässliche Strukturen.
Mein Fazit zu dem grün-roten Innovationsfonds und dem Ti tel der heutigen Debatte ist: Sie benutzen den Innovations fonds, um normale Daueraufgaben mit Projektmitteln zu fi nanzieren, während Sie diese Aufgaben an anderen Stellen – z. B. in der Schule oder den Vereinen und Verbänden der Ama teurmusik – nur unzureichend erfüllen. Offen, vielfältig und innovativ, das sind Sie nur da, wo es Ihnen ins Konzept passt, meine Damen und Herren.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Unser Land hat eine hochran gige und breite Kulturlandschaft, auf die wir national und in ternational stolz sein können. Das ist ein großes Erbe, das die Vorgängerregierung zunehmend vernachlässigte, dem wir uns jedoch verpflichtet fühlen – entgegen den Ausführungen, die Sie, Frau Kurtz, eben hier zu Gehör gebracht haben. Auf die ses Erbe bauen die Einrichtungen und die Kunstschaffenden bei uns auf und entwickeln enorme innovative Potenziale, die es ebenfalls zu fördern und weiterzuentwickeln gilt.
Während in den zurückliegenden Legislaturperioden der Kul turetat immer weiter zurückgefahren wurde – 2004 von der CDU-FDP/DVP-Regierung nochmals pauschal um 10 % –,
haben wir – 2011 mit 387 Millionen € beginnend – die Mittel sukzessive um über 21 % auf heute 468 Millionen € gestei gert,
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Was sagen Sie jetzt, Frau Kurtz?)
und zwar, um eine zukunftsfähige Entwicklung in allen Kunst bereichen, auch in den von Ihnen erwähnten traditionellen oder konservativen – wie auch immer –, möglich zu machen. Dabei haben wir neben der kontinuierlichen Anhebung von Fördermitteln für die großen etablierten Kultureinrichtungen des Landes – nämlich die Bühnen, Museen, Orchester, Kunst- und Musikhochschulen, diverse Festspiele und Festivals – ein besonderes Augenmerk auf die freie Kulturszene, die Laien- und Amateurkunst, die kulturelle Bildung, die interkulturelle Kulturarbeit und die Soziokultur gelegt.
Die Soziokultur hatte 2012 bereits den 2:1-Schlüssel erreicht, der so viele Jahre zuvor von Ihnen versprochen und doch nicht weitergegeben wurde. Wir haben die Mittel nämlich, ausge hend von 2011, von 2 Millionen € auf 3,7 Millionen € gestei gert, was einen Anstieg um 85 % ausmacht.
Mit dem erstmals eingeführten Innovationsfonds Kunst haben wir ein neues, ein notwendiges Instrument geschaffen, um ak tuellen Entwicklungen, spartenübergreifenden und integrie renden Kunstprojekten und Projekten künstlerischer Bildung endlich den Stellenwert zu verschaffen, der ihnen gebührt. Von 2011 bis heute wurden dafür 8,5 Millionen € ausgegeben.
Während Sie noch vor Kurzem in einer Großen Anfrage den Niedergang der Musikkultur in Baden-Württemberg herauf beschwören wollten, mussten Sie erkennen, dass Baden-Würt temberg bundesweit das Musikland Nummer 1 ist.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das haben wir schon lange gewusst!)
Das haben Sie schon lange gewusst, Sie haben aber nichts dafür getan. Denn wir haben die fünf Musikhochschulen zu kunftsfähig und neu aufgestellt, wir haben herausragende Or chester mit rund 6 500 Vereinen der Amateurmusik,
(Abg. Karl Klein CDU: Wir haben die Popakademie in Mannheim! – Gegenruf des Abg. Walter Heiler SPD: Herr Klein, Contenance!)
12 000 Ensembles und etwa 400 000 Musikerinnen und Mu siker und Sängerinnen und Sänger. Das, meine Damen und Herren, ist musikalische Energie pur, die unserem Land gut tut. Auch daran können Sie nicht vorbeigehen.
Während im schulischen Bereich nach Erhebungen des Ver bands Deutscher Schulmusiker in den letzten Legislaturperi oden, also vor unserer Regierungszeit, während der schwarzgelben Regierungszeit – jetzt aufpassen –, an den Grundschu len 82 %, an den Haupt- und Realschulen 63 % und an den Gymnasien 36 % der Musikstunden weggefallen sind,