Protocol of the Session on December 17, 2015

Auch bei den kommunalen Straßen liegt der Bedarfsschwer punkt hinsichtlich des Aus- und Neubaubedarfs aufgrund der Verkehrsbelastung oder der Notwendigkeit der Entlastung von Ortsdurchfahrten in Verdichtungsräumen. Bei der Frage der Förderfähigkeit sind die Kriterien des LGVFG dennoch be wusst auch auf den ländlichen Raum ausgerichtet. So konkur rieren Kreisstraßenprojekte im ländlichen Raum hinsichtlich der erforderlichen Mindestverkehrsmenge nicht mit hochbe lasteten Straßen im Verdichtungsraum, weil wir da immer nur auf den Durchschnittswert im jeweiligen Kreis abstellen. Da mit sind auch die Landkreise im Land gleichgestellt. Insge samt kann bei der Straßenbauförderung nach dem LGVFG si cherlich auch anhand der real geförderten Projekte nicht da von gesprochen werden, dass der ländliche Raum dabei zu kurz kommen würde.

Bei den Landesstraßen ist das Land nicht in der Rolle des För dermittelgebers, sondern es baut und priorisiert seine Landes straßenprojekte selbst. Hier haben wir ein austariertes Bewer tungs- und Priorisierungssystem entwickelt, das die Maßnah men anhand fachlicher Kriterien bewertet. Dabei ist im Er gebnis festzustellen, dass der ländliche Raum keineswegs be nachteiligt ist. In den Landesstraßenbauprogrammen für die nächsten Jahre – 2015, 2016 und ab 2017 – befinden sich von insgesamt 39 aufgenommenen Maßnahmen etwa die Hälfte im ländlichen Raum, obwohl im ländlichen Raum nur 35 % der Bevölkerung leben.

Anders, als Ihre Fragestellung suggeriert, werden in BadenWürttemberg die öffentlichen Verkehrssysteme auch nicht nur in Ballungsgebieten subventioniert. Das Land legt – das war auch bereits unter den Vorgängerregierungen so – großen Wert auf eine gute Erschließung auch des ländlichen Raums. In der Aufgabenträgerschaft des Landes liegt dabei der Schienenper sonennahverkehr. Sie kennen unser Zielkonzept und unser Ziel eines flächendeckenden Stundentakts auch im ländlichen Raum. Diese Förderung des ÖPNV im ländlichen Raum ist uns einiges wert, denn der Zuschussbedarf je Zugkilometer oder je Fahrgast ist im ländlichen Raum naturgemäß höher als in Ballungsräumen.

Neu aufgesetzt haben wir das Programm „Regiobusse“. Auch das kommt dem ländlichen Raum zugute. Von den sechs Li nien, die in diesem Jahr bewilligt werden konnten, liegen drei im ländlichen Raum und drei in Randzonen von Verdichtungs räumen, keine einzige im Verdichtungsraum.

Mit diesem Mix aus Maßnahmen und anhand unserer klaren und ausgewogenen Kriterien betreiben wir eine Straßenbau politik und auch eine Verkehrspolitik, die insgesamt zukunft weisend ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger.

(Abg. Niko Reith FDP/DVP telefoniert.)

Herr Kollege Reith, das Telefonieren im Plenarsaal ist nicht gestattet.

Jetzt, Herr Abg. Dr. Bullinger.

Frau Staatssekre tärin, ich beziehe mich auf eine Korrespondenz des Landrats

des Landkreises Schwäbisch Hall mit Ihrem Haus und auf die Antwort von Ihrer Mitarbeiterin, Frau Ministerialdirigentin Dr. Rose. Ich frage Sie: Trifft es zu und halten Sie es für ge rechtfertigt, dass z. B. der Landkreis Schwäbisch Hall ange sichts der Länge des Kreisstraßennetzes – ich glaube, das zweitgrößte im Land – in der gesamten Legislaturperiode un ter Winfried Hermann lediglich eine – in Zahlen: eine! – För dermaßnahme erhielt?

Ich bin jetzt erst einmal überrascht über den Namen unserer Ministerialdirigentin, den Sie genannt haben.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wieso, gibt es die nicht? – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Insoweit bin ich erstaunt. Ich schaue mir aber gern an, wel chen Schriftverkehr es da gibt. Wenn es um Fördermaßnah men geht, dann sage ich noch einmal, dass das natürlich auch davon abhängt, was beantragt wird.

Der Kreis Schwäbisch Hall kam in den letzten Jahren nicht so schlecht weg. Ich kann Ihnen noch einmal vortragen: Im Land kreis Schwäbisch Hall betrugen die Ausgaben für die Förde rung des kommunalen Straßenbaus beispielsweise im Jahr 2012 5,64 Millionen €, im Jahr 2013 1,26 Millionen € und im Jahr 2014 2,78 Millionen €. Entsprechende Schwankun gen gab es in den Vorjahren genauso, z. B. im Jahr 2005 mit 1,47 Millionen €.

Insoweit hängt das einfach davon ab, welche Maßnahmen be antragt wurden, welche bewilligt werden konnten und wann sie dann auch tatsächlich umgesetzt werden. Daher hilft eine jährliche Betrachtung an dieser Stelle nicht wirklich weiter.

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.

Die Zeit für die Fragestunde ist nun vorbei. Die Fragestunde soll nicht länger als eine Stunde dauern. Wir beenden die Fra gestunde daher. Ich meine, Sie haben auch alle Fragen abge arbeitet. Die erste Frage wollte Herr Kollege Dr. Bullinger dann schriftlich beantwortet haben, also die Listen zugeschickt haben, wenn das möglich ist.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja! Das wä re mir recht! Das geht auch nach Weihnachten noch!)

Vielen Dank. – Damit sind die Mündliche Anfrage unter Zif fer 6 der Fragestunde und zugleich auch Punkt 6 der Tages ordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst in BadenWürttemberg (Chancengleichheitsgesetz – ChancenG) und zur Änderung anderer Gesetze – Drucksache 15/7844

Das Wort zur Begründung erteile ich Frau Ministerin Altpe ter.

Herr Präsident, sehr ge ehrte Damen und Herren, meine lieben Kolleginnen und Kol

legen! Wir beraten heute in erster Lesung den Gesetzentwurf zur Neufassung des Chancengleichheitsgesetzes.

Ich möchte Ihnen meine Freude darüber nicht verhehlen, dass ich Ihnen nun nach einem langen und intensiven Prozess der Anhörung von Verbänden, Beauftragten für Chancengleich heit, Bürgerinnen und Bürgern den Entwurf des ChancenG heute vorstellen kann.

Das bisherige Chancengleichheitsgesetz hat sich als tragende Säule für die Partizipation von Frauen erwiesen. In der Ein gangsbesoldung lassen sich positive Entwicklungen nachwei sen. Frauen haben heute zudem bessere Chancen, beruflich aufzusteigen und dabei auch Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist heute aber noch Realität, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen noch weit unterdurchschnittlich ist. Es ist auch kein Geheim nis, dass Frauen in Gremien immer noch in der Minderheit sind. Um diesen Unterrepräsentanzen wirksam entgegenzu wirken, können wir uns nicht auf dem bisher Erreichten aus ruhen. Wir wollen und wir müssen daher Diskriminierungen abbauen, um Frauen die gleichen beruflichen und gesellschaft lichen Chancen zu ermöglichen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Denn wenn wir die Arbeitskraft von Frauen als unverzichtbar ansehen, dann müssen wir ihnen auf der anderen Seite auch dieselben Aufstiegsmöglichkeiten bieten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen die Chan cengleichheit von Frauen und Männern vor allem auch auf der kommunalen Ebene stärken. Es steht zwar außer Frage, dass sich einige Kommunen bereits aktiv für die Gleichberechti gung einsetzen. Allerdings ist der Fortschritt noch nicht über all erkennbar oder ist der Fortschritt auch da eine Schnecke.

Daher wird die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten nun erstmals im ChancenG verankert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

In den 44 Stadt- und Landkreisen sowie in allen Städten mit einer Einwohnerzahl ab 50 000 wird die Bestellung von haupt amtlichen Gleichstellungsbeauftragten künftig verpflichtend. Diese gesetzliche Verpflichtung zur Bestellung von hauptamt lichen Gleichstellungsbeauftragten ist ein längst überfälliger Schritt zur Verwirklichung der Chancengleichheit. Denn wenn wir auch sonst an vielen Stellen spitze sind, so ist BadenWürttemberg nun das letzte Bundesland, das auch dieser Not wendigkeit nachkommt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Aber die beste Gleichstellungsbeauftragte nützt wenig, wenn sie ihre Aufgaben nicht effektiv ausführen kann. Deshalb er halten die Gleichstellungsbeauftragten nun auch gezielte Be teiligungsrechte.

Denn Gleichstellungsbeauftragte haben vielfältige Aufgaben. Einerseits beraten sie die Stadt- und Landkreise sowie die Ge meinden in Fragen der Chancengleichheitspolitik und arbei ten mit der Verwaltung zusammen. Andererseits sind sie ne

ben diesen Aufgaben auch behördenextern tätig. Chancen gleichheit umfasst also nicht nur die allgemeine Förderung von Frauen in der Dienststelle, sondern auch die Förderung außerhalb.

Ein weiterer Schwerpunkt bei der Novellierung des ChancenG war die Förderung der Chancengleichheit bei der Besetzung von Gremien. Wie ich vorhin auch schon gesagt habe, sind Frauen in diesem Bereich nach wie vor stark unterrepräsen tiert. Die bisherigen Regelungen haben sich – mit Verlaub – als nicht hinreichend wirksam erwiesen.

Bei der Besetzung von Gremien, für die dem Land ein Beru fungs-, Entsende- oder Vorschlagsrecht zusteht, wird kurzfris tig ein Frauenanteil von mindestens 40 % gesetzlich veran kert. Langfristig bleibt selbstverständlich das Ziel, die Beset zung zu gleichen Anteilen zu gestalten.

Ein weiteres, auch mir persönlich wichtiges Anliegen war die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Be ruf. Da ist es mir wichtig, eines anzufügen: Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ist ein Thema, das keineswegs nur Frauen betrifft.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Ich möchte mich selbstverständlich nicht der Tatsache ver schließen, dass beispielsweise die Teilzeitarbeit immer noch eine Domäne von Frauen ist. Allerdings besteht bei vielen, ge rade jüngeren Männern der Wunsch, sich verstärkt in Famili enaufgaben einzubringen. Anders als vielleicht noch vor Jah ren legt die Generation Y großen Wert darauf, Karriere und Familie optimal miteinander zu verbinden. Diesen Bedürfnis sen müssen und sollen wir nachkommen. Die Dienststellen sind deshalb aufgefordert, Rahmenbedingungen anzubieten, welche Frauen und Männern die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf erleichtern.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Diese Thematik wird auch durch die Aufnahme eines neuen Abschnitts im Gesetz stärker in den Vordergrund gerückt. Fa milien- und pflegefreundliche Arbeitszeitmodelle müssen in Zukunft einfach eine Selbstverständlichkeit werden. Zudem wird im Hinblick auf den demografischen Wandel der Begriff „Pflege“ erstmals in das Gesetz aufgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der Novellierung des ChancenG werden darüber hinaus die Rechte der Beauf tragten für Chancengleichheit und ihrer Stellvertreterin aus geweitet und gestärkt. Die Beauftragten für Chancengleich heit unterstützen ihre Dienststelle bei der Umsetzung des ChancenG und übernehmen damit eine wichtige Aufgabe bei der Verwirklichung von Chancengleichheit.

Da bereits bei Stellenausschreibungen und Personalauswahl gesprächen wichtige Weichen gestellt werden, ist eine stärke re Einbindung in den Bewerbungsprozess unerlässlich. Mit den steigenden Anforderungen und Aufgaben muss zukünftig auch die Möglichkeit bestehen, auch der Stellvertreterin Auf gaben zur eigenständigen Erledigung zu übertragen.

Zudem wird der bisher vorgesehene Bilanzbericht aufgege ben. Zweifelsohne bot dieser Bericht einen umfassenden Blick auf die bisherigen Fortschritte. Allerdings – das sage ich ganz

offen – erhoffe ich mir durch die Veröffentlichung der Chan cengleichheitspläne eine größere Transparenz und auch einen gewissen öffentlichen Druck, dieser Pflicht dann auch tatsäch lich nachzukommen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)