Letztlich – das finde ich besonders bemerkenswert –: Der Ver ein „Mehr Demokratie“, mit dem wir uns immer wieder be schäftigen, führt in der Anhörung aus:
Dieses... Informationsfreiheitsgesetz... ist im Vergleich der Bundesländer das schlechteste, das es in Deutschland gibt.
Herr Minister Gall, es wird Sie vielleicht wundern, dass wir, die CDU-Landtagsfraktion, dies nicht so sehen. Wir können durchaus erkennen, dass die Landesregierung, insbesondere Ihr Haus, versucht hat, die gegenseitigen Interessen in eine angemessene Abwägung zu bringen.
Wir können aber auch nicht erkennen, dass Sie – wie Sie es gerade ausgeführt haben, Herr Minister – in Ihrem Gesetzent wurf über das hinausgehen, was das Bundesinformationsfrei heitsgesetz bezogen auf Bundesbehörden regelt.
Wir finden es in Ordnung, dass Sie den Anwendungsbereich des Gesetzes in sensiblen Bereichen einschränken: bei den Or ganen der Rechtspflege, bei den Sicherheitsbehörden, beim Verfassungsschutz, auch bei Hochschulen, Forschung und öf fentlichen Schulen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist er staunlicherweise auch davon ausgenommen, sofern es die journalistische Freiheit betrifft. Auch Sparkassen und die Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft, also die Kammern, werden vom Anwendungsbereich weitestgehend ausgenommen. Dies können wir insofern mittragen.
Darüber hinaus geben Sie den Behörden die Möglichkeit, die Interessen des Staates, die öffentlichen Interessen, aber auch private Interessen in eine Abwägung zu bringen und dort, wo die Herausgabe von Informationen verlangt wird, welche pri vaten und öffentlichen Interessen entgegensteht, dies zu ver sagen.
Insofern glauben wir, dass dieses Gesetz durchaus die Chan ce haben sollte, in Kraft zu treten. Dann sollte – so, wie Sie es auch vorschlagen; das wäre auch ein Vorschlag unsererseits – nach gewisser Zeit – hier: nach fünf Jahren – dieses Gesetz evaluiert und überprüft werden.
Letztlich können wir auch mittragen, dass Sie insbesondere den Kommunen, die vermutlich – jedenfalls ist es in anderen
Ländern so – 80 % der Auskünfte erteilen müssen, die Mög lichkeit geben, für ihre Tätigkeit entsprechende Gebühren zu verlangen.
Einen Punkt, Herr Minister Gall, möchte ich noch ansprechen, über den wir mit Ihnen dann auch in den Ausschussberatun gen noch diskutieren wollen und bei dem ich von der Landes regierung eine gewisse Offenheit erwarte. Das ist die Thema tik, dass ein Widerspruchsverfahren nicht notwendig sein soll, sondern die Bürgerinnen und Bürger bei einem abgelehnten Antrag direkt an die Verwaltungsgerichte verwiesen werden. Das ist weder bürgerfreundlich, noch ist es behördenfreund lich, vor allem ist es für die Verwaltungsgerichte nicht res sourcenschonend. Heute Morgen haben wir darüber diskutiert, dass sie momentan andere Verfahren auf dem Tisch haben. Der Bürger wird darauf hingewiesen, dass er sofort in ein kos tenpflichtiges Gerichtsverfahren gehen muss. Und: Es gibt nicht die Möglichkeit, bei einem neuen Gesetz auch eine ge wisse Selbstkontrolle bei den Verwaltungen vorzunehmen.
Geben Sie den Bürgern, aber auch den Verwaltungen die Ge legenheit, hier noch einen Zwischenschritt in Form des übli cherweise im Verwaltungsverfahren stattfindenden Wider spruchsverfahrens zu machen. Das wäre unsere Bitte. Ich hof fe, dass wir darüber dann auch in den Beratungen noch dis kutieren können.
Sehr geehrter Herr Prä sident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen.“
Diesem Grundsatz folgend haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Ansprüche an einen Staat und seine Ver waltung verändert. – Kaum spricht man über Veränderung, ist hier schon Gemurmel.
Dass ich beim letzten Tagesordnungspunkt noch so viel Le ben in die Runde bringe, hätte ich nicht gedacht. Okay.
Unsere Gesellschaft lebt von Informationen und dem freien, offenen und gleichberechtigen Zugang dazu. Wir haben dies erkannt und gehandelt, meine Damen und Herren.
Dass diese Gesetzesinitiative nicht auf viel Gegenliebe bei den Kolleginnen und Kollegen von der CDU stößt – obwohl Sie jetzt etwas anderes gesagt haben; was ich sehr begrüße, was unsere Fraktion sehr begrüßt –, ist nicht verwunderlich.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Da war Ihre Rede schon geschrieben! – Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)
Nein. Wissen Sie, Herr Schneider – er ist jetzt nicht da – hat letztes Mal, vor ungefähr zwei Jahren, als die FDP/DVP ei
nen Gesetzentwurf eingebracht hat, der übrigens nur auf das Bundesgesetz verwiesen hat, eine Brandrede gehalten, dass Informationsfreiheit nicht notwendig sei, dass alles im Staat doch gut funktioniert habe. Da ist Ihr Sinneswandel sehr zu begrüßen. Wir hatten wahrscheinlich auch Anteil daran.
(Beifall der Abg. Daniel Andreas Lede Abal und Ni kolaus Tschenk GRÜNE – Abg. Karl Zimmermann CDU: Den Grünen geht doch das Gesetz nicht weit genug! – Gegenruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)
Mit dem, was im Gesetz steht, wollen wir die Verwaltungen nicht lahmlegen. Wir misstrauen den Beamtinnen und Beam ten nicht;
diese leisten für uns jeden Tag eine gute Arbeit. Vielmehr geht es eher darum, dass Informationsfreiheit genau das Gegenteil von dem bewirkt, was oft vermutet wird. Informationsfreiheit stärkt nämlich das Vertrauen in die Gesellschaft und in das Handeln des Staates und ermöglicht erst das Agieren auf Au genhöhe. Das hat auch der Minister bereits ausgeführt, indem er auf das Thema „Bürgerbeteiligung, direkte Demokratie“, zu dem wir gestern ein Gesetz verabschiedet haben, verwie sen hat. Man braucht Informationen, um sein Begehren über haupt vortragen bzw. fundiert vortragen zu können und auch andere davon zu überzeugen.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Heute hat ein Abge ordneter den Ministerpräsidenten etwas gefragt, und der hat die Auskunft verweigert!)
Herr Zimmermann, auch Sie haben sich angesichts der CDU-Meinung verändert. Das glaube ich zwar manchmal nicht, aber es ist so.
Man muss jetzt verstehen, dass das im Entwurf vorliegende Gesetz nur eine Lücke zwischen den bereits existierenden In formationsfreiheitsgesetzen wie z. B. dem Umweltinformati onsgesetz schließt. Wir sind aufgrund der Historie in BadenWürttemberg mehr als sorgsam mit den Interessen von beiden Seiten umgegangen. Man hätte durchaus weiter gehen kön nen; das will ich gar nicht in Abrede stellen.
Die Evaluationen der Informationsfreiheitsgesetze im Bund und in den Ländern zeigen deutlich, dass eine Gefahr der Überforderung nur ein Trugbild ist und es kein Beispiel dafür gibt.
Wir gehen dabei auch erste Schritte – das muss man, glaube ich, einschränkend auch sagen – in Richtung eines Transpa renzgesetzes, indem wir auch die aktive Veröffentlichung for dern und fördern.
Das Informationsfreiheitsgesetz ist nicht nur ein Thema der Zivilgesellschaft – das muss man, glaube ich, auch erwähnen –, sondern im Gespann mit dem Thema „Open Data“ eine un glaubliche Chance für die heimische Wirtschaft und Indust rie.
Sie, meine Damen und Herren von der CDU – so viel darf ich sagen, weil auch Herr Wolf immer wieder solche Reden hält –, reden zwar über Digitalisierung, denken und handeln aber wie in der Steinzeit.
Schauen Sie die Initiativen von Herrn Minister Bonde zum Thema Geoinformationen an; da ist Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer vorangegangen – auch im Sinne der Wirtschaft und der Gesellschaft. Daher: Das ist zu begrü ßen. Die von Ihnen regierten Länder könnten ja nachziehen. Aber das sehe ich weit und breit nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Waren Sie noch nie in Bay ern?)
Dabei darf nicht zu kurz kommen, dass die Informationsfrei heit eine wichtige und wesentliche Säule der Bürgerbeteili gung ist.
Darüber hinaus darf ich abschließend noch Folgendes sagen, weil meine Zeit hier vorn auch bald um ist.
Ich glaube, danach haben wir auch noch sehr viel Zeit, ge rade auch, um die Informationsfreiheit weiterzuentwickeln.
Worum geht es also? Abschließend: Sie dürfen sich sicher sein, dass ich – das können Sie aus dem schließen, was ich auch schon zum FDP/DVP-Gesetzentwurf zur Informations freiheit gesagt habe – nicht vollumfänglich mit dem Gesetz zufrieden bin. Doch das jetzige Informationsfreiheitsgesetz stellt eine solide Basis bzw. einen soliden Anfang dar. Es wird sicherlich – da sind im Übrigen auch Sie gefragt – in Zukunft nicht für alle Tage so bleiben. Rheinland-Pfalz z. B. hat vor Kurzem als erstes Flächenland sein Transparenzgesetz verab schiedet, das viel weiter geht. Man hat wohl erkannt, welche Chancen und Potenziale darin stecken.
Worum geht es also? Am Ende wird alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende. Das gilt auch für das Informationsfreiheitsgesetz.