Protocol of the Session on November 25, 2015

Erstens – diese Erfahrungen machen wir vor Ort häufig auch selbst –: Der Rettungsdienst steht heute und gerade auch in der Zukunft vor einer erheblichen Herausforderung. Der de mografische Wandel, die Entwicklung im Krankenhauswesen, insbesondere was die stationäre Krankenhausversorgung be trifft, erfordern auch Anpassungen im Rettungsdienstgesetz. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt schon derzeit bei rund 80 Jahren, und sie wird allen Prognosen zufolge bis zum Jahr 2050 auf 90 Jahre steigen. Damit steigt auch die Zahl der chronisch und mehrfach erkrankten Patientinnen und Patien ten hohen Alters.

Dies wird einerseits – das spüren wir schon heute ganz deut lich – zu immer weiter steigenden Einsatzzahlen in der Not fallrettung und im Bereich des Krankentransports führen. An dererseits erfordert dies auch andere medizinische Maßnah men vom Rettungsdienstpersonal, um diese Patienten dann auch adäquat versorgen zu können.

Zweitens: Das Notfallsanitätergesetz des Bundes ist auch in Landesrecht umzusetzen. Der Bund – das kann man, denke ich, an dieser Stelle nochmals ausdrücklich lobend erwähnen – hat mit dem Notfallsanitätergesetz einen höher qualifizier ten Beruf im Rettungsdienst geschaffen. Die zukünftigen Not fallsanitäter werden besser ausgebildet, um auch medizinische Maßnahmen vorzunehmen. Zudem bildet die Versorgung von

Patienten hohen Alters einen neuen Ausbildungsschwerpunkt, gerade auch im Bereich der Notfallsanitäter.

Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet fünf zentrale Rege lungsschwerpunkte. Das ist zum einen die Verankerung der Rettungskette. Das heißt, künftig wollen und werden wir nicht nur die Hilfsfrist – über sie haben wir bei unterschiedlichen Gelegenheiten immer wieder auch hitzig und heftig diskutiert –, sondern die gesamte Rettungskette betrachten und im Ge setz verankern. Das ist bundesweit bisher einmalig. In keinem anderen Bundesland gibt es eine entsprechende Regelung. Mit der Rettungskette meine ich den kompletten Einsatzablauf im Rettungsdienst, vom Eingang des Notrufs in der Leitstelle bis zur Übergabe des Patienten, der Patientin in das richtige Kran kenhaus.

Alle Elemente dieser Rettungskette sind bei den Strukturpla nungen der Bereichsausschüsse und bei der landesweiten Qua litätssicherung zu berücksichtigen. Entscheidend – das will ich damit sagen – ist zukünftig jedes einzelne Glied in der Ret tungskette und nicht nur der Teilaspekt „Einhaltung der Hilfs frist“.

Meine Damen und Herren, bisher blieben ganz unterschiedli che und entscheidende Qualitätskriterien einer guten und schnellen Notfallversorgung unberücksichtigt. Das muss man ganz einfach auch erkennen.

Das gilt z. B. für die Zeit des Disponenten in der Leitstelle für die Alarmierung des richtigen Rettungsmittels, also die Leit stellenbearbeitungszeit, oder die Zeit bis zur Besetzung des Rettungsmittels. Wir haben bei Überprüfungen und Untersu chungen festgestellt, dass häufig ein nicht geringer Zeitanteil verloren geht, bis die Kräfte das Rettungsmittel entsprechend besetzt haben. Das hat mit Strukturen vor Ort und anderen Ge gebenheiten zu tun, die hierbei auch ausschlaggebende Fak toren sind.

Ich verweise auch auf die Zeit bis zur Übergabe des Patien ten in ein Krankenhaus.

All dies, meine Damen und Herren – das wird von allen Fach leuten nicht bestritten; von uns, denke ich, auch nicht –, ist insbesondere bei Schlaganfallpatienten, bei Patienten mit ei nem Herzinfarkt oder mit einem Schädel-Hirn-Trauma ganz entscheidend.

Gleiches gilt für die Frage, ob der Patient in das geeignete Krankenhaus eingeliefert wird.

Künftig gilt: Jedes Glied in der Kette muss leistungsfähig sein, und die Abläufe müssen optimal ineinandergreifen, optimal aufeinander abgestimmt sein. Hierzu werden die Bereichsaus schüsse jetzt verpflichtet, jedes dieser einzelnen Elemente der Rettungskette fortwährend auf Verbesserungsmöglichkeiten zu überprüfen und auf eine Verkürzung aller Faktoren, aller Zeitintervalle hinzuwirken. Das bedeutet, der Bereichsaus schuss wird jetzt verpflichtet, jährlich nicht nur die Hilfsfrist, sondern die komplette Rettungskette zeitnah zu überprüfen und vor allem auch erforderliche Verbesserungen zeitnah in die Wege zu leiten.

Das Thema „Landesweite Qualitätssicherung“ spielt dabei ei ne ganz wichtige Rolle. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Tä tigkeit und Verantwortung aller Beteiligten im Rettungsdienst,

der Bereichsausschüsse und der Rechtsaufsicht flankierend durch folgende Elemente zu unterstützen – das heißt unabhän gige Qualitätssicherung mit landesweit einheitlichen Stan dards, die vorgegeben sind –:

Eine zentrale Stelle im Land, nämlich die Stelle zur träger übergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst BadenWürttemberg, SQR-BW, wird verstetigt und im Gesetz ver ankert. Die jährliche Analyse der Struktur-, Prozess- und Er gebnisqualität im Rettungsdienst wird dort entsprechend fest gehalten, untersucht, verglichen, und die Unterschiede wer den deutlich gemacht.

Meine Damen und Herren, dies wird sicherstellen, dass jeder Teilprozess im Gesamtablauf überprüfbar ist und Verbesse rungspotenziale sichtbar gemacht werden, sichtbar in dem Sinn, dass man darauf hinweisen kann, wo Handlungsbedarf besteht. Diesen Handlungsbedarf werden wir dann auch ein fordern.

Deshalb wird die Rechtsaufsicht der Kreise gestärkt. Die Stadt- und Landkreise als Rechtsaufsichtsbehörden werden die Bereichsausschüsse einerseits künftig stärker unterstützen, andererseits aber auch für Abhilfe sorgen, wenn die Bereichs ausschüsse ihren Aufgaben nicht in dem Umfang nachkom men, wie sie es tatsächlich müssten.

Gut ausgebildete Notfallsanitäter – das habe ich angesprochen – verbessern die medizinische Hilfe. Das bestreitet, denke ich, niemand. Im Gesetzentwurf ist deshalb eine Neuregelung der Besetzung der Rettungswagen vorgesehen.

Ausdrücklich weise ich darauf hin: Das haben wir einerseits mit den Kostenträgern, andererseits mit den Leistungserbrin gern vereinbart, beschlossen. Wir haben darüber diskutiert. Das war nicht ganz einfach, oder, besser gesagt, es war schon ein ziemlich schwieriger Diskussionsprozess. Aber am Ende haben wir uns auf einheitliche Regelungen festgelegt. Das heißt, die gemeinsame Basis findet sich auch in unserem Ge setzentwurf wieder.

Es geht also um die Frage: Welches Fahrzeug wird mit wel cher Qualität an Personal besetzt? Wir haben entsprechende Übergangsregelungen vorgesehen, um Härtefälle abzufangen.

Wir haben auch klar geregelt – damit haben wir nun einen lan gen Streit, hoffe ich jedenfalls, definitiv beendet –, wer für die Finanzierung der Ausbildung dieser Notfallsanitäter zu sor gen hat, nämlich die Kostenträger. Das ist auch richtig so. Wie gesagt, der lange Prozess der Auseinandersetzung über die Frage, wer wie viel bezahlt, ist damit, denke ich, beendet.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass der einge brachte Gesetzentwurf zur Änderung des Rettungsdienstge setzes einen ganz zentralen Beitrag zur Verbesserung der Not fallversorgung, der Notfallrettung in unserem Land leisten wird. Das zeigt die von mir schon angedeutete breite Zustim mung, die der Gesetzentwurf im Anhörungsverfahren erfah ren hat. Mit diesen Regelungen werden wir die gute Qualität des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg auch in der Zu kunft nicht nur sichern. Unser Ziel ist vielmehr, den Rettungs dienst zu verbessern.

Deshalb bitte ich Sie, den Gesetzentwurf im Hinblick auf un sere gemeinsame Verantwortung für das Wohl der Menschen

in unserem Land in den Ausschussberatungen zu unterstützen. Dafür sage ich schon jetzt ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsidium ei ne Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hillebrand das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Herr Minister, wir möchten Ihnen heute eine Freude machen. Die CDU-Frakti on wird dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle betonen, lieber Herr Minister Gall, dass Ihnen der große Wurf hierbei nicht ge glückt ist.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Aber es zeugt von Größe – hören Sie doch bitte zu –, dass Sie aus der Debatte im vergangenen Jahr die richtigen Schlüsse gezogen haben und Ihre Überlegungen, die Hilfsfrist für das zweite Rettungsmittel auf 18 Minuten zu erhöhen, wieder ver worfen haben. Dies hätte nämlich zu einer deutlichen Ver schlechterung des Qualitätsstandards des Rettungsdienstes ge führt

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das war so harmonisch am Anfang!)

und wäre insbesondere – lieber Herr Kollege Schmiedel – bei der Vielzahl von Einsätzen, bei denen es um Leben und Tod geht, wahrlich das falsche Signal gewesen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das Anforderungsprofil in der Notfallversorgung in Baden-Württemberg ist hoch. Wir können zu Recht stolz darauf sein. Doch die Leistungsfähig keit des Rettungsdienstes kommt nicht von ungefähr, sondern muss durch die richtigen politischen Maßnahmen gefördert und stetig weiter verbessert werden.

Der vorgelegte Gesetzentwurf ist eindeutig ein Schritt in die richtige Richtung, der allein schon deswegen notwendig ge worden ist, da am 1. Januar 2014 auf Bundesebene das Not fallsanitätergesetz eingeführt wurde, welches entsprechende Anpassungen im Rettungsdienstgesetz erfordert.

Die Notfallsanitäter werden die Rettungsassistenten zukünf tig nach und nach ersetzen. Dies führt zweifelsfrei mittelfris tig zu einer Verbesserung der medizinischen Ausbildung des Rettungsdienstpersonals und erhöht dadurch auch die Flexi bilität und die Qualität des gesamten Rettungsdienstes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begrüßen ausdrücklich, dass durch den Gesetzentwurf auch die Rechtsaufsicht über die Bereichsausschüsse gestärkt wird, die als maßgebliche Planungsgremien der Rettungsdienststrukturen in den Stadt- und Landkreisen fungieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Aufnahme und ge setzliche Verankerung der Helfer vor Ort ist richtig. Dazu ha ben Sie bisher noch nichts gesagt, Herr Minister. Es ist sinn voll, dass ehrenamtlich tätige qualifizierte Helfer aus der nä heren Umgebung des Unfallorts bis zum Eintreffen des Ret tungsdienstes vor Ort Erste Hilfe leisten. Dies kann im Ein zelfall Leben retten. Künftig wird insbesondere auch den Leit stellen die Möglichkeit gegeben, die Helfer vor Ort direkt an zufordern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einbeziehung der Hel fer vor Ort in die Rettungskette führt zweifellos zu einer Qua litätsverbesserung im Rettungsdienst, die den Patienten bzw. den Unfallopfern direkt zugutekommt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Genau!)

Mittelfristig ist dadurch auch mit einer Kostenersparnis für die Kassen zu rechnen. Deshalb wäre es meines Erachtens nur gut und richtig, wenn es dafür auf Sicht auch finanzielle Zu wendungen seitens der Kassen geben würde.

Lieber Herr Minister Gall, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich denke, wir sind uns einig, dass mit dieser Novelle das letz te Wort im Bereich der Rettungsdienste in Baden-Württem berg noch nicht gesprochen ist. Eine stetige Verbesserung der medizinischen Versorgung gerade im Bereich der Rettung und Erstversorgung von Patienten und Unfallopfern muss auch in Zukunft unser gemeinsames Anliegen sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Halder das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Da men und Herren! Was passiert, wenn ein Notruf in der Leit stelle eingeht? Wie lange dauert es vom Eingang des Notrufs bis zur Übergabe der Patientin bzw. des Patienten an das me dizinische Personal im Krankenhaus? Warum beschäftigen wir uns mit dieser Frage?

Der Faktor Zeit hat bei vielen Verletzungs- und Krankheits bildern einen maßgeblichen Einfluss auf den Behandlungser folg. Aus diesem Grund wollen wir bei der Notfallversorgung nicht nur die Frage der Hilfsfristen in den Blick nehmen, son dern auch den gesamten Einsatzablauf.

Der vorliegende Gesetzentwurf setzt genau da an und soll die Notfallversorgung im Rettungsdienst verbessern. Hierfür wol len wir den Bereichsausschuss stärker in die Verantwortung nehmen. Der Bereichsausschuss soll zukünftig die Rettungs dienststrukturplanungen übernehmen. Das bedeutet, dass der Bereichsausschuss für den gesamten Einsatzablauf vom Ein gang der Notrufmeldung bis zur Übergabe des Patienten bzw. der Patientin an das medizinische Personal im Krankenhaus verantwortlich ist.

Bei entsprechendem Handlungsbedarf und Verbesserungspo tenzial ist es Aufgabe des Bereichsausschusses, diese aufzu zeigen und im Bereichsplan umzusetzen.

Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Bereichs ausschüsse die festgelegten Vorhaltungen und eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen im Rettungsdienst jährlich über prüfen. Über diese Regelung wollen wir ein umfassendes Qua litätssicherungssystem für eine effiziente Notfallversorgung sicherstellen.