Protocol of the Session on October 29, 2015

... „Boris Palmer ist Mathematiker. Der rechnet die Zah len hoch,... und kommt... zu dem Ergebnis, dass in ab sehbarer Zeit der Punkt erreicht ist, an dem nichts mehr geht.“

(Zuruf des Ministers Franz Untersteller)

Das sagte Rezzo Schlauch.

Schauen Sie sich die aktuellen Zahlen des „Politbarometers“ vom vergangenen Freitag an: Wer ist für Transitzonen? 54 % der Grünen-Wähler sind für Transitzonen.

(Zurufe der Abg. Sascha Binder und Nikolaos Sakel lariou SPD)

Ihre Wählerinnen und Wähler sind schon deutlich weiter als die Ideologen in den Parteizentralen, meine Damen und Her ren.

(Beifall des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Es ist notwendig, an dieser Stelle etwas zu unternehmen, an dieser Stelle deutlich weiter zu kommen. Da muss man dann auch über den Familiennachzug reden. Es ist klar: Demjeni gen, der ein dauerhaftes Bleiberecht hat, muss natürlich auch die Möglichkeit zum Familiennachzug gegeben werden.

Aber wenn wir Hunderttausende von Flüchtlingen haben, die einen vorübergehenden Schutz genießen – so ist es nach der Genfer Flüchtlingskonvention; diejenigen, die vorübergehend zu uns kommen und einen vorübergehenden Schutz genießen, müssen wieder zurückgeführt werden, wenn der Schutzgrund entfallen ist –, ist es durchaus sinnvoll, darüber nachzuden ken, ob man zumindest für den Zeitraum, in dem geklärt wer den muss, ob der Flüchtling dauerhaft bleibt oder nicht, den Familiennachzug begrenzt. Auch da würde ich mir wünschen, dass die Landesregierung mit Vorschlägen etwas beiträgt, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Letztlich – die Staatsrätin sehe ich gerade nicht; vielleicht ar beitet sie die nächste Broschüre aus –

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

ist es auch notwendig, über Rückführungen nachzudenken. Wenn – wie vorhin geschildert – etwa ein Drittel der Flücht linge aus sicheren Herkunftsländern kommen, dann ist es schon notwendig, darüber nachzudenken.

(Zuruf)

Herr Innenminister, Sie haben vor etwa drei Wochen im Land tag von Baden-Württemberg gemeldet, es gebe in diesem Jahr gut 1 600 Rückführungen. Das sind etwa doppelt so viele wie im Jahr 2010 unter der schwarz-gelben Landesregierung. Aber die Zahl der Flüchtlinge hat sich seither nicht verdoppelt, son dern verzwanzigfacht. Deshalb ist dies eindeutig zu wenig.

Deshalb ist es notwendig, konsequent diejenigen rückzufüh ren, die eben als Asylbewerber abgelehnt worden sind. Aber da haben Sie ein Problem mit Ihrem Koalitionspartner. Da ver fasst die Staatsrätin eine Broschüre mit Ratschlägen, wie man, nachdem der Asylantrag abgelehnt wurde, die Rückführung vermeiden kann. Ich zitiere Seite 77:

(Zuruf: Das hatten wir gestern schon!)

Unter bestimmten Bedingungen kann ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen erteilt werden, etwa bei der Heirat mit einer Person mit Aufenthaltsrecht...

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, wo die Liebe hin fällt!)

Da gibt es also den Ratschlag, wenn der Asylantrag abgelehnt ist, dann müsse man sich möglichst jemanden suchen, der ei nen heiratet; dann könne man das Ganze unterwandern.

(Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Manfred Lucha: Unglaublich!)

Auf der Seite 79 heißt es:

Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, ein organisatorischer Zusammenschluss der Kir chenasylbewegung in Deutschland, gestattet Flüchtlin gen Kirchenasyl,...

(Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Ja!)

Es gibt also dann den Ratschlag: Man kann ja auch noch Kir chenasyl in Anspruch nehmen.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Wenn der zuständige Pfarrer das will!)

Diese Broschüre ist Ausdruck eines naiven Gutmenschentums, das wir uns im Moment im Land Baden-Württemberg nicht leisten können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Deshalb ist es notwendig, solche Ratschläge nicht zu erteilen. Unser Land Baden-Württemberg ist ein Rechtsstaat, und für

Abschiebungen ist der Innenminister zuständig und nicht der Glöckner von Notre Dame.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Oh!)

Das müssen wir eindeutig sagen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wen meinen Sie denn mit dem Glöckner von Notre Dame?)

Deshalb erwarte ich von dieser Landesregierung, dass man al le Möglichkeiten nutzt, um das zu begrenzen, was die Mehr heit der Bevölkerung in diesem Land Baden-Württemberg zu nehmend nicht mehr akzeptiert. Da erwarten wir eine klare Positionierung dieser Landesregierung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf: Peinlich!)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Blenke das Wort.

Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Der Zustrom von Flüchtlingen, die auf dem Landweg nach Deutschland kommen, ist derzeit völlig unkon trolliert. Die Einhaltung von Rechtsvorschriften für die Ein reise und auch für die Wahrung nationaler, deutscher Interes sen kann faktisch gar nicht mehr gewährleistet werden.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das gilt insbesondere für die Situation an der österreichischdeutschen Grenze zu Bayern.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Kollege, lauter bitte! Pult hoch!)

Höher? Ich wollte das Pult unten lassen. Können wir den Ton vielleicht etwas lauter stellen?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Kollege, Sie sind größer, als Sie denken! – Heiterkeit)

Ich bin froh, dass Sie nicht „länger, als Sie denken“ gesagt haben.

(Vereinzelt Heiterkeit – Unruhe – Glocke des Präsi denten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte darum, dass wieder Ruhe einkehrt. – Kollege Blen ke, fahren Sie bitte fort.

Danke schön. – Ich bleibe ste hen und fahre fort: Es muss gehandelt werden. Wir brauchen geordnete Verfahren zur Registrierung der Flüchtlinge und Verfahren, mit denen Menschen, die hier einen unzulässigen oder auch offensichtlich unbegründeten Antrag stellen, zügig in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Zuwanderung nach Deutschland und auch nach BadenWürttemberg muss gesteuert und begrenzt werden – steuern und begrenzen. Da ist die Einrichtung von Transitzonen – ich bin dem Kollegen Rülke für den Antrag sehr dankbar –, die

Einführung dieses sogenannten Landgrenzverfahrens – das ist der eigentliche Fachausdruck –, ein wichtiger Baustein zur Steuerung und zur Begrenzung. Der wird – Kollege Rülke, da sind wir vermutlich einig – das Problem nicht in Gänze lösen – dafür sind zu viele Menschen unterwegs –, aber Transitzo nen können für geordnete Verfahren sorgen.

Wir kennen das bereits vom Flughafenverfahren. Das hat sich bewährt. Das Bundesverfassungsgericht hat das auch für recht mäßig erklärt. Deswegen muss man es jetzt schlicht und ein fach in dieser Situation machen.

Wir brauchen klare Entscheidungsräume und schnelle Verfah ren etwa dann, wenn Asylanträge eben unzulässig oder offen sichtlich unbegründet sind. Transitzonen an unseren nationa len Grenzen können helfen, weil in diesen Fällen die Einrei se zunächst einmal verweigert werden kann, bis das Verfah ren geprüft ist. Seit der grundlegenden Verschärfung des Asyl rechts Anfang der Neunzigerjahre im letzten Jahrhundert kann sich nicht darauf berufen, wer aus einem EU-Staat oder einem sicheren Drittstaat einreist oder dessen Antrag offensichtlich missbräuchlich oder unbegründet ist.