Protocol of the Session on October 28, 2015

Zum Thema „Spekulative Finanzgeschäfte und Fremdwäh rungsdarlehen“ will ich noch ergänzend sagen: Da gibt es nicht viel Neues. Wir haben das Thema 2012, wie ich meine, umfassend erörtert. Auch die kommunalen Landesverbände halten eine weitere Regelung nicht für sinnvoll. Sie halten sie nicht nur für nicht erforderlich, sondern auch für nicht sinn

voll. Über den Derivateerlass haben wir in der Tat noch mit einander zu sprechen.

Herr Professor Goll, es ist schon relativ einfach – so, wie Sie es gemacht haben –, in den Gesetzentwurf hineinzuschreiben: „Spekulative Finanzgeschäfte sind verboten.“ Die Problema tik zeigt sich dann, wenn man dieser Aussage ein bisschen nä hertritt, wenn wir uns bewusst machen, was dies am Ende al les umfassen kann und was dies eigentlich bedeutet. Jeder von uns, meine Damen und Herren, der in seinem Leben – beim Hausbau, bei welcher Gelegenheit auch immer – einmal eine Kreditentscheidung treffen musste, hat eigentlich eine speku lative Entscheidung getroffen. Er hat nämlich im Prinzip ab gewogen: „Nehme ich einen variablen Zins oder einen Fest zins?

(Abg. Walter Heiler SPD: Ja!)

Wie wird sich der Zinssatz in den kommenden fünf oder zehn Jahren entwickeln?“ Fällt dies schon unter ein Spekulations verbot, oder fällt es nicht unter ein Spekulationsverbot? – Da ran merkt man schon, denke ich, wie schwierig dies dann auch in der Lebenswirklichkeit zu handeln ist. Jedenfalls kann es nicht durch eine solche einfache Gesetzesformulierung ein deutig geklärt werden.

Das Gleiche trifft auf die Fremdwährungsdarlehen zu. Auch da sei einmal darauf hingewiesen: 0,8 % aller Schulden, die die Kommunen in Baden-Württemberg haben, gehen auf sol che Fremdwährungsdarlehen zurück. In der Stellungnahme zu Ihrer Initiative haben wir sogar die Kommunen einzeln auf gelistet, die sich solcher Darlehen bedienen.

Da will ich ausdrücklich sagen – das betrifft den zweiten Teil Ihres Gesetzentwurfs –: Ich bin durchaus bereit, tatsächlich noch einmal zu diskutieren und mit den kommunalen Landes verbänden entsprechend abzustimmen, ob solche Geschäfte abgesichert werden müssen bzw. sollen oder nicht. Wenn die Kommunen dies für notwendig erachten, wollen wir, die Lan desregierung, uns diesem Ansinnen nicht verschließen.

(Glocke des Präsidenten)

Im Moment gibt es jedenfalls nach meiner Auffassung hier keinen Handlungsbedarf.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Anschluss. – Im Moment gibt es keinen entsprechenden Handlungsbedarf. Wir sind aber gesprächsbereit. Wir werden über den Derivateerlass, über die entsprechende Verwaltungsvorschrift noch diskutieren. Wenn die Kommunen mit dem Wunsch an uns herantreten, weiter gehende Regelungen zu treffen, dann sind wir da diskussions bereit. Aktuell besteht jedenfalls kein Handlungsbedarf.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Kollege Hollenbach, bitte.

Herr Minister, Sie haben wiederholt den Derivateerlass aus dem Jahr 1998 angespro chen. Sie haben im Juni 2012 dem Finanz- und Wirtschafts ausschuss zugesagt, dass dieser Erlass demnächst neu verfasst

wird. Ist denn damit zu rechnen, dass dies in Kürze oder dem nächst geschieht, oder ist da noch ein größerer Zeitrahmen zu erwarten?

Herr Hollenbach, ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich im Ausschuss „demnächst“ gesagt habe. Ich habe wie auch heute zum Ausdruck gebracht, dass dort Handlungsbedarf besteht. Aber ich habe auch darauf hin gewiesen, dass die Materie komplex ist und die – ich benut ze jetzt einmal diesen Begriff – kommunale Familie da nicht einmütig unterwegs ist. Da stellen wir durchaus immer wie der Unterschiede in der Argumentation fest.

Wir sind darüber im Gespräch. Aber ich kann und möchte ei gentlich auch heute keine Zeitbefristung vornehmen. Denn es liegt nicht immer in meinem Ermessen, wann etwas zu Ende gebracht werden kann oder nicht. Da gibt es einfach Partner in diesem Spiel. Jedenfalls sind wir dabei, dies zu tun, und niemand hat einen Grund, etwas zu verzögern.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aus sprache beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/7340 zur weiteren Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 8 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 – Drucksache 15/7443

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben sich darauf verständigt, in der Ersten Beratung keine Aussprache zu füh ren. Die Landesregierung verzichtet auf eine mündliche Be gründung des Gesetzentwurfs.

Ich schlage daher vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/7443 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Punkt 9 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Übergangszah len an die weiterführenden Schulen, insbesondere an die Gemeinschaftsschulen – Drucksache 15/3129 (Geänderte Fassung)

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich dem Kollegen Müller von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren Kollegen! Die Legislaturperiode neigt sich allmählich dem Ende zu. Es ist nun die richtige Zeit, um Bilanz über eines Ihrer wichtigsten Projekte dieser Legisla turperiode zu ziehen, nämlich zu dem Thema Gemeinschafts schule.

(Abg. Walter Heiler SPD: Oi!)

Bei dieser Bilanz ist sicherlich einer der wichtigsten und ob jektivsten Gesichtspunkte: Wie ist die Akzeptanz gemessen an den Schülerzahlen und damit die Akzeptanz bei den El tern? Das kann man in Zahlen ausdrücken. Deswegen werde ich hier auch relativ viele Zahlen nennen, um zu überprüfen, ob das, was Sie mit großem Anspruch formuliert haben, nun tatsächlich von der Wirklichkeit gedeckt ist.

Zunächst einmal kann man ganz simpel feststellen: Wenn die absolute Zahl der Schulen zunimmt, nimmt auch die absolu te Zahl der Schüler zu. Aber die meisten der Gemeinschafts schulen sind ehemalige Haupt- und Werkrealschulen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Es ist kaum noch eine Realschule dazugekommen.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Knapp 20!)

Diese Konzentration, diese annähernde Identität zwischen Ge meinschaftsschulen und früheren Haupt- und Werkrealschu len hat Folgen.

Folge 1: Es gibt eine abnehmende Anzahl von neuen Anträ gen auf die Einrichtung von Gemeinschaftsschulen. Das Po tenzial ist allmählich ausgeschöpft. Man sieht es an der Zu meldung des Kultusministeriums vom gestrigen Tag: Es gibt nur noch 32 neue Anträge, und in den Folgejahren wird es noch weniger geben. Das Potenzial ist offensichtlich er schöpft.

Folge 2: Es gibt eine Kannibalisierung der einzelnen Stand orte untereinander. Sie nehmen sich gegenseitig die Schüler weg. Auch das hat das Kultusministerium gestern bestätigt.

Folge 3: Das Motiv vieler Bürgermeister, ihren Standort zu sichern, indem sie aus ihrer Hauptschule eine Gemeinschafts schule machen, fängt an, sich ins Gegenteil zu verkehren bzw. zum Bumerang zu werden. Denn je mehr Gemeinschaftsschu len es gibt, desto mehr nehmen sie sich gegenseitig die Schü ler weg. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die ersten wieder geschlossen werden müssen.

Dass die Gemeinschaftsschulen im Wesentlichen ehemalige Haupt- und Werkrealschulen sind, zeigt sich nicht nur an den Standorten, sondern auch an der Zusammensetzung der Schü lerschaft und der Qualifikation der Lehrer. Der Anteil der Schüler mit Hauptschulempfehlung steigt an den Gemein schaftsschulen von Jahr zu Jahr und liegt mittlerweile bei fast zwei Dritteln, während der Anteil der Schüler mit Gymnasi alempfehlung sinkt und mittlerweile bei 9 % liegt. Was die Qualifikation der Lehrkräfte anbelangt, ist festzustellen, dass es pro Gemeinschaftsschule im Schnitt eine Lehrkraft mit der Ausbildung zum Gymnasiallehrer gibt.

Dieser Verdrängungswettbewerb, der sich im Prinzip auf ein ganz bestimmtes Set von Schulen, Schülern und Standorten

bezieht, müsste nicht so stattfinden, wenn der Kuchen insge samt größer würde, das heißt, wenn es einen Zulauf zu den Gemeinschaftsschulen gäbe und nicht das Wachstum an der einen Stelle mit dem Nichtwachstum an der anderen Stelle er kauft würde. Genau dieser Zulauf findet nicht statt. Der Ku chen wird nicht größer, und wenn die Zahl der Stücke größer wird, dann wird die Größe der Stücke kleiner. Das ist genau der Effekt: Die Zahlen pro Klasse schrumpfen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Das hat natürlich auch mit Ihrer Politik der Installation der Gemeinschaftsschulen zu tun. Im Überschwang der Gefühle haben Sie viel zu viele dieser Gemeinschaftsschulstandorte und auch Kleinststandorte genehmigt, und das holt jetzt alle Beteiligten ein.

Sie wollten bei der Einführung die stabile Zweizügigkeit, als Mindestgröße 40 Schüler. Das darf man wirklich als Mindest größe ansehen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Fast nirgends er reicht!)

Denn es soll ja eine Schule für alle sein und für alle Abschlüs se. Da ist eine Mindestgröße von 40 Schülern pro Stufe wirk lich ein sehr bescheidenes Ziel. Aber dieses Ziel ist nicht er reicht. Tatbestand ist, dass heute landesweit nahezu 30 % al ler Gemeinschaftsschulen diese 40 Schüler pro Jahrgangsstu fe nicht erreichen. Im Regierungsbezirk Tübingen sind es üb rigens nahezu 50 % der Schulen, die diese Mindestgröße, die Sie sich selbst als Ziel gesetzt haben, nicht erreichen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die können sich doch perspektivisch weiterentwickeln, Kollege Mül ler! Sie verstehen das nicht richtig!)

Ich komme gleich darauf zu sprechen.