Protocol of the Session on October 28, 2015

Dann gibt es die extremere Folge, dass das ganze Geschäft nach § 134 BGB nichtig ist. Aber ein zweiter Blick auf das Ganze zeigt schon, dass Letzteres die krasse Ausnahme sein muss. Ich mache es Ihnen an einem einfachen Beispiel deut lich: Wenn der Kämmerer für seine Sekretärin einen dicken Mercedes kauft, dann ist das wahrscheinlich ein Verstoß ge gen sämtliche Haushaltsbestimmungen. Wenn aber der Bür germeister ins Autohaus geht und sagt, das Geschäft ist nich tig, dann sagt der Verkäufer: „Nein, dieses Geschäft wird nie mals nichtig sein.“ Dann sagt er: „Dann verkaufst du halt den Mercedes wieder.“ Es ist doch ganz klar, dass nur in beson deren Fällen Nichtigkeit die Folge sein kann, denn sie kann nur dann – –

(Abg. Walter Heiler SPD: Seit wann vertritt der Käm merer die Stadt? Das müssen Sie mir mal erklären, das Beispiel!)

Gut, also der für die Finanzen Zuständige.

(Unruhe bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Abg. Professor Dr. Goll hat das Wort.

Lieber Herr Heiler, ich hof fe also, dass Sie terminologisch so genau bleiben, wenn ich jetzt schildere, was wir wollen. Der für die Finanzen zustän dige Beamte der Gemeinde kauft ein Auto, das er nicht hätte kaufen dürfen. Wir sind uns einig, dass Sie beim Autohaus nicht sagen können, der Vertrag sei nichtig. Vielmehr müssen Sie schauen, dass Sie das Auto wieder loswerden.

Warum ist das so? Weil normalerweise der Geschäftspartner geschützt wird, und wir haben es dann mit dem BGB zu tun, und dieses erklärt nicht gleich jeden Vertrag für nichtig, son dern es erklärt Verträge nur dann für nichtig, wenn glasklar im Gesetz steht: Dieses Geschäft ist verboten. Dazu gibt es übrigens auch Kommentarliteratur. Da reicht es nicht, wenn drinsteht: „Das darf der Kämmerer nicht machen“, sondern es muss explizit drinstehen: „Dieses Geschäft ist verboten.“

Ich sage Ihnen deutlich: Wenn wir die Rechtslage so lassen, wie sie jetzt ist, dann bleibt die Nichtigkeit des Geschäfts frag lich. Das ist ein klarer Fall. Dann muss man abwarten, ob ein Gericht so gnädig ist, so zu urteilen. Das ist gerade der Hin tergrund dessen, dass es jetzt Vorstöße gibt, das klar ins Ge setz zu schreiben – mit einem einzigen Satz; das ist kein gro ßer Aufwand.

Nun schließlich zu den Stellungnahmen. Die Stellungnahmen des Bundes der Steuerzahler im Land und im Bund sind un eingeschränkt positiv. Sie sagen: So etwas braucht man. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat das hessische Vor haben begrüßt. Unser Städtetag hat interessanterweise 2012 in Baden-Württemberg noch die Position vertreten, dass es durch die ausdrückliche Verankerung des Spekulationsverbots zu Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sowie zu einer besse ren Durchsetzbarkeit von Rückgewähransprüchen kommen könnte.

Diesmal hat sich erstaunlicherweise der Städtetag in eine ein heitliche Stellungnahme der kommunalen Landesverbände eingereiht, die – jetzt komme ich zum Anfang zurück – das Ganze aber missverstanden haben. Sie lehnen es ab und sa gen, es schaffe keine Rechtsklarheit, und verweisen auf den Derivateerlass, der demnächst „Derivateverwaltungsvor schrift“ heißen wird.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Genau!)

Damit haben sie etwas verwechselt. Dort ist geregelt, welches Geschäft verboten ist und welches erlaubt ist. Das ist manch mal nicht leicht abzugrenzen. Aber darum geht es nicht in die sem Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf soll und kann kei ne Rechtsklarheit darüber bringen, was verboten ist und was erlaubt ist, sondern er bringt nur die klare Folge – das muss sich in der Tat aus dem Derivateerlass ergeben –, dass es, wenn es verboten ist, nichtig ist. Insofern muss man bei die ser Stellungnahme sagen: „Knapp vorbei ist auch daneben.“

(Heiterkeit bei der FDP/DVP)

Ich habe die Gründe noch einmal aufgeführt, weshalb wir das machen. Es geht also um den Schutz der Kommunen. Es geht nicht darum, in ihre Freiheit einzugreifen. Deswegen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie, wenn wir die Diskussion führen, von vornherein eines weglassen würden, nämlich den Vor wurf, es gehe um die kommunale Selbstverwaltung, und wenn Sie nicht wie beim letzten Mal sagen würden, die Verbände hätten einhellig ablehnend Stellung genommen. Das ist ers tens auf Bundesebene nicht der Fall, und zweitens bitte ich Sie zu berücksichtigen, dass uns die kommunalen Landesver bände, mit denen wir, glaube ich, noch einmal sprechen müss ten, missverstanden haben. Es wäre geradezu paradox, wenn ausgerechnet die kommunalen Landesverbände einen winzi gen Schritt verhindern würden, der eigentlich ihre Kommu nen schützt – und dies sollte man im Sinne unserer Kommu nen tun.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Hollenbach das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Goll, ich bin kein Juraprofessor und kein Jurist, der so detailliert, wie Sie es können, die Unterschiede zwischen Wirtschaftsrecht, Ge meinderecht und BGB tiefschürfend herausarbeiten kann, und ich bin auch nicht der Meinung, dass mit diesem Gesetzent wurf, den Sie heute vorlegen, in das kommunale Selbstver waltungsrecht eingegriffen wird.

Ihr Anliegen ist, wie Sie soeben dargelegt haben, die Kom munen, Städte, Gemeinden und Landkreise, bei Finanzge schäften vor Schaden zu schützen. Diesem Anliegen kann man ohne Weiteres folgen, und ich denke, das ist unser aller An liegen. Aber die Frage ist eben, ob mit dieser Gesetzesände rung, nämlich mit dem Zusatz „Spekulationsgeschäfte sind verboten“, diesem Anliegen so Rechnung getragen wird bzw. getragen werden kann, wie Sie es gern hätten. Denn es ist mei nes Erachtens schon jetzt – Sie haben dem nicht widerspro chen – verboten, Spekulationsgeschäfte zu machen. Es ist nicht explizit so formuliert, aber die §§ 77, 78 und 102 der Gemeindeordnung sowie die Gemeindehaushaltsverordnung enthalten Formulierungen, die zu diesem Schluss führen. Des halb, meine ich, ist das Anliegen berechtigt. Aus diesem Grund aber eine Gesetzesänderung zu formulieren, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Wir haben bereits 2012 – Sie haben darauf hingewiesen – in tensiv darüber beraten, und schon damals war Ihr Gesetzent wurf, der wieder wörtlich übernommen worden ist, was die Spekulationsgeschäfte betrifft, nicht zielführend. Jeder, der einen Vertrag abschließt, ein Rechtsgeschäft macht, muss prü fen, ob die Rechtsgrundlage gegeben ist, und der Partner wird versuchen, ihn zu überzeugen, dass dieses Rechtsgeschäft rechtsgültig ist, denn sonst kommt es nicht zu diesem.

Ich bin überzeugt, dass selbst mit der Formulierung, die Sie jetzt vorschlagen, immer wieder Ideen geboren werden bei den Menschen, die solche Geschäfte machen, die jemanden zu der Überzeugung bringen: Dieses Geschäft ist so in Ord nung. Ich erinnere mich sehr gut an die Diskussion, als CrossBorder-Leasing durch das Land geisterte. Ich war selbst Mit glied einer Verbandsversammlung, als man darüber entschied. Da haben juristische, finanzpolitische Experten oder Finanzi ers überzeugend dargelegt, dass es gute Geschäfte seien. So kann man es bei anderen Dingen auch tun.

Deshalb meine ich: Wir sollten dem alten Grundsatz treu blei ben, in einem Gesetz die Grundzüge zu formulieren und die Ausformungen jenen zu überlassen, die dieses Gesetz anwen den. Das tun – davon bin ich überzeugt – in den Gemeinden Baden-Württembergs die meisten.

In Ihrer Anfrage, die Sie zu den Fremdwährungskrediten ge stellt haben, kommt dies deutlich zum Ausdruck. Zehn, 15, maximal 19 Kommunen haben in den letzten zehn Jahren Kre dite in Fremdwährung – meist in Schweizer Franken – aufge nommen. Das ist bei 1 108 Gemeinden wirklich ein beschei dener Anteil. Diejenigen, die dies gemacht haben, waren im mer der festen Überzeugung, sie machten ein gutes Geschäft.

Ich kenne auch Leute, die vor Jahren, als man bei uns einen Zinssatz von 6, 7, 8 % bezahlt hat, andere belächelt haben, da sie in der Schweiz Kredite für etwa 4 % bekommen haben. Damals haben sie durch die Währungsparität auch Spekulati

onsgewinne gemacht. Es muss also schon demjenigen über lassen bleiben, der die Entscheidung trifft.

Ich denke deshalb, dass es keines Gesetzes bedarf, um die Ge meinden zu schonen. Da kommt mir der Satz von Montesqui eu, der hier auch von Ihnen, Herr Professor Dr. Goll, schon wiederholt zitiert worden ist, in den Sinn:

Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.

Da Montesquieu ein sehr kluger Mann war, habe ich ein wei teres Zitat von ihm gefunden:

Fast nie kommt der Mensch aus Vernunft zur Vernunft.

Schwäbisch ausgedrückt heißt dies: Durch Schaden wird man klug. Ich glaube, alle die, die durch Schaden klug geworden sind, werden sich künftig überlegen, ob sie riskante Geschäf te machen.

Aus diesem Grund denke ich, dass die Kommunen schon ver standen haben, was Sie vorhaben. Sie sind aber der Überzeu gung, auch ohne Gesetzesänderung gute Kommunal- und Fi nanzpolitik machen zu können.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich dem Kollegen Schwarz das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Liebe Kollegen der FDP/DVP-Frak tion, zur heutigen Debatte kann man im Grunde – auch wenn Ihr Fraktionsvorsitzender nicht anwesend ist oder nicht anwe send sein kann –

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Kurzzeitig!)

nur die Frage stellen: Hat Herr Kollege Rülke sein Trauma aus dem Fall Pforzheim immer noch nicht verarbeitet? Das ist doch die Frage, die sich hier stellt.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ihnen vielleicht!)

Denn Sie beantragen jetzt zum vierten Mal in dieser Legisla turperiode eine Debatte über das Spekulationsverbot im kom munalen Haushalt, obwohl sich nichts Neues ergeben hat. Da her stellen wir uns die Frage – –

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ja, es ist die vierte Debatte dazu, Herr Kollege. Sie hatten dazu eine Aktuelle Debatte, dann Ihren Gesetzentwurf, über den wir zwei Mal gesprochen haben, und jetzt sprechen wir zum vierten Mal darüber.

Der Auslöser ist und bleibt wohl der Fall Pforzheim. Nur auf grund eines Einzelfalls in der baden-württembergischen Ge schichte eine Gesetzesverschärfung zu fordern, das ist nicht unser Ding.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Reine Spekulati onen, die Sie verbreiten!)

Herr Professor Goll, rechtssystematisch verkennen Sie fol genden Punkt: Die Gemeinde, die bewusst ein spekulatives Finanzgeschäft abschließt, wird sich nie auf die Nichtigkeit berufen können. Das ist doch absurd. Da schließt ein Käm merer oder, wie im Fall Pforzheim, eine Oberbürgermeisterin in vollem Bewusstsein ein solches Rechtsgeschäft ab. Sie wird sich nie auf die Nichtigkeit berufen können. Insofern ist Ihr Gesetzentwurf, Herr Kollege Goll, ein Placebo, das den Kom munen nicht weiterhilft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Sie haben den Rechtsrahmen selbst dargelegt. Auch Herr Kol lege Hollenbach hat ihn noch einmal beschrieben. Ich gehe auch davon aus, dass der Innenminister den Rechtsrahmen gleich noch einmal erläutern wird. In unseren Augen ist voll kommen klar: Der derzeitige Rechtsrahmen lässt keinen Platz für Zockerei in den Kommunen. Wir halten auch ein „Kom munenfinanzmisstrauensgesetz“, wie es die FDP/DVP ein bringt, für völlig fehl am Platz. Sie haben heute ein „Kommu nenfinanzmisstrauensgesetz“ in den Landtag eingebracht. Das ist für uns überflüssige Bürokratie. Daher können wir das sehr gut ablehnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Wir haben im Vorfeld mit der Gemeindeprüfungsanstalt – das ist quasi das Pendant des Rechnungshofs auf kommunaler Ebene – Rücksprache gehalten. Die Gemeindeprüfungsanstalt sieht keinerlei Handlungsbedarf für eine gesetzliche Rege lung. Daher sehen wir hier keinen Bedarf, etwas nachzuarbei ten.

Am Ende der Debatte bleibt nur das Trauma des Kollegen Rül ke.

(Heiterkeit des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Das Trauma des Kollegen geht zurück auf die von Herrn Kol legen Hollenbach angesprochenen Cross-Border-Leasing-Ge schäfte. Ich will hier einmal aus einem Protokoll aus dem öf fentlichen Teil der 29. Sitzung des Gemeinderats der Stadt Pforzheim vom 17. Dezember 2002 vorlesen. Unter TOP 9 wurde das Thema „US-Leasing für die Kläranlage Pforzheim inklusive Kanalnetz und Sonderbauwerke“ behandelt.