Protocol of the Session on October 14, 2015

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, um den es heute geht, enthält Positives und Negatives, von Letzterem leider ein bisschen zu viel, sodass wir ihn insgesamt auch nicht mit tragen können, was im Grunde ein Stück weit schade ist, denn es steckt für sich betrachtet viel Positives darin. Darauf will ich zunächst zu sprechen kommen. Das betrifft gerade den Be reich der direkten Demokratie, der Erleichterung kommuna ler Bürgerentscheide. Das sind Materien, die wir ohne Weite res mittragen. Da hätten wir auch insofern gern isoliert zuge stimmt. Das sind auch Teile der gemeinsamen Vereinbarung, zu der wir auch stehen, aber – das muss ich jetzt sagen – mit einer einzigen Ausnahme.

Man muss in der jetzigen Situation einfach den Verstand ein schalten. Dann kommt man zu dem Schluss, dass in der ge gebenen – –

(Abg. Walter Heiler SPD: Das heißt, wir haben ihn sonst ausgeschaltet, oder was?)

Ein bisschen kommt es mir schon so vor, lieber Herr Kolle ge.

(Abg. Walter Heiler SPD: Was?)

Denn in der jetzigen Zeit zum gegebenen Zeitpunkt wäre es eigentlich sachgerecht, die Frage, ob ein Bebauungsplan auf gestellt wird, in der Kompetenz des Gemeinderats zu belas sen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Andreas Schwarz GRÜNE und Walter Heiler SPD)

Ich habe es bewusst so ausgedrückt, weil manchmal so getan wird, als wäre das keine Demokratie. Das wäre im Moment eine sachgerechte Regel.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Ohne Gemeinderat gibt es keinen Bebauungsplan! Ich weiß nicht, was das soll!)

Was Sie machen, indem Sie jetzt den Schulterschluss – – Ich habe mich, glaube ich, schon klar genug ausgedrückt.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Sie üben jetzt den Schulterschluss und schieben die Argumen te einfach weg, und zwar ein bisschen nach dem Motto: Ist der Weg auch falsch und steinig, Hauptsache, wir sind uns ei nig.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP)

Ich möchte umgekehrt für uns noch in Anspruch nehmen, dass hier die Geschäftsgrundlage gegenüber unseren Vereinbarun gen teilweise weggefallen ist. Es hat seither schon einschnei dende Dinge gegeben.

Doch mit dieser Einschränkung würden wir das Kapital „Di rekte Demokratie“ durchaus begrüßen. Das gilt auch für die verstärkte Beteiligung Jugendlicher. Auch da sind die Regeln vielleicht nicht auf Punkt und Komma so, wie wir sie gemacht hätten, aber trotzdem nicht schlecht.

Durchwachsen wird es schon beim Thema Altersgrenzen. Hier könnte man sagen: Es ist gut, dass sich bei den Altersgrenzen für kommunale Mandatsträger überhaupt etwas bewegt. Aber es ist nicht unser Modell – Ihres nicht und auch das von den Kolleginnen und Kollegen der CDU nicht –; wir würden be kanntlich die Grenzen ganz wegfallen lassen. Da gibt es aus unserer Sicht also zu wenig Bewegung.

Jetzt komme ich zum entscheidenden Teil, natürlich zu dem, was uns nicht gefällt. Ich möchte das Prinzip noch einmal in den Vordergrund stellen, bevor ich auf wenige einzelne Punk te zu sprechen komme. Dieses Gesetz atmet den Geist der Be vormundung

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig! – Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

und des Eingriffs in die kommunale Satzungsautonomie.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es ist halt wieder einmal freiheitsfeindlich.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Was ist daran frei heitsfeindlich?)

Es ist eine freiheitsfeindliche Bevormundung. Ich kann Ih nen, wenn Sie es brauchen, noch einmal eine Kostprobe ge ben. Ich glaube, dafür haben wir die Zeit. Ein gewisser Höhe punkt ist z. B. § 41 b Absatz 3 der Gemeindeordnung. Ich darf Ihnen diesen Absatz 3 zitieren:

In öffentlichen Sitzungen sind die Beratungsunterlagen im Sitzungsraum für die Zuhörer auszulegen.... Die aus gelegten Beratungsunterlagen dürfen vervielfältigt wer den.

Da frage ich mich übrigens, von wem und wo und wie. Sol che Regelungen muss man sich einmal auf der Zunge zerge hen lassen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch Freiheit!)

Verzeihung, nie war der Satz von Montesquieu wahrer:

Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es nötig, kein Gesetz zu machen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir machen jetzt – ich weiß nicht, ob Sie erst dann Gefühl da für bekommen, was ich meine; vielleicht haben Sie es auch nicht – eine kleine Gegenüberstellung, was bekanntlich in Ar tikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes steht. Da darf ich wiede rum wörtlich zitieren. Da heißt es:

Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.

Jetzt stellen wir den Duktus dieser Verfassungsbestimmung noch einmal dem Satz aus der Gemeindeordnung gegenüber:

In öffentlichen Sitzungen sind die Beratungsunterlagen im Sitzungsraum für die Zuhörer auszulegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn ich solche Gesetze mache, was bleibt dann eigentlich noch für die örtliche Verantwor tung übrig? Vielleicht die Bestimmung des Papiergewichts oder so ähnlich.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig! – Abg. Peter Hauk CDU: Das schreit nach Kla ge!)

Das ist nicht unser Verständnis von kommunaler Selbstver waltung.

Weil Sie so etwas dumpf im Hinterkopf ahnen, haben Sie in diesem Gesetz in dieselbe Vorschrift noch einen Absatz 6 ein gefügt. Die Ergänzung dieser Vorschrift, § 41 b Absatz 6 der Gemeindeordnung, lautet interessanterweise:

Die Beachtung der Absätze 1 bis 5 ist nicht Voraussetzung für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung und Leitung der Sitzung.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP)

Da steht also sinngemäß: Es war überflüssig, ihr braucht es nicht ernst zu nehmen.

Meine Damen und Herren, inhaltlich wie formal wird auf die se Art der Autorität von Gesetzen geschadet. Das muss man einfach einmal sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Damit ist auch schon klar, warum wir mit dem Gesetz Schwie rigkeiten haben. Hinzu kommen einzelne Punkte wie z. B. die Amtszeit der Gemeinde- und Kreisräte – –

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: An der Amtszeit der Gemeinderäte ändern wir doch gar nichts!)

Doch, die Amtszeit endet mit dem Tag der Wahl, und die Gemeinderäte werden für den Rest der Zeit bis zur Neuwahl praktisch entmündigt. Das sind alles Dinge, die meines Er achtens aus Einzelfällen heraus entstanden sind. Da kommt selten etwas Gutes heraus.

Für ähnlich problematisch halte ich die neuen Vorschriften zum Gemeindeblatt. Vielleicht durfte einmal einer aus Ihren Reihen dort irgendetwas nicht veröffentlichen. Ich weiß nicht, wie man auf so eine Regelung kommt. Ist Ihnen nicht bewusst, dass Sie mit diesem Gemeindeblatt neuer Prägung ein ganz problematisches Erzeugnis schaffen? Welche Regeln sollen für so ein Gemeindeblatt eigentlich gelten? Presserechtliche Regeln können es eigentlich nicht sein; denn wenn das Pres serecht gelten würde, müssten Sie sich an die Pressefreiheit halten. Dann gäbe es keine Veröffentlichungspflicht.

(Glocke der Präsidentin)

Nein, danke. Meine Rede ist mindestens so gut wie die des Kollegen Heiler.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Klaus Herrmann CDU: Die ist viel bes ser!)

Diese Regel wird Ihnen rechtlich noch Schwierigkeiten ma chen – da gibt es sehr beachtliche verfassungsrechtliche Ar gumente – und auch faktisch, wenn Sie künftig – beinahe hät te ich es so gesagt – jeden Blödsinn abdrucken müssen und nach Argumenten suchen, um Nein zu sagen. Auch diese Si tuation kann eintreten. Auch da schränken Sie Freiheit in ei ner Art ein, die Ihnen in den Rathäusern schon noch auf die Füße fallen kann.