Protocol of the Session on September 30, 2015

Seit dem Jahr 2007 sind die Ausgleichsmittel für den ÖPNV, die Ausgleichsmittel für die Schülerverkehre unverändert. Die Verkehrsträger sprechen von einem zusätzlichen Bedarf von

30 Millionen €. Insofern ist die Frage, ob der Verkehrsminis ter dieses Thema nicht mehr auf die lange Bank schiebt, son dern es – was dringend notwendig ist – jetzt angeht.

Abschließend: Nach der Mittagspause erfolgt die Erste Bera tung zur Novellierung des Landesgemeindeverkehrsfinanzie rungsgesetzes. Einerseits schreit der Verkehrsminister beim Bund nach mehr Mitteln, andererseits möchte er viele neue Fördertatbestände in dieses neue Gesetz hineinbringen. Er ist aber nicht bereit, dies mit eigenen Mitteln zu unterlegen. In sofern wirkt die Kritik des Verkehrsministers gegenüber dem Bund immer etwas schräg und fragwürdig – da man selbst nicht bereit ist, für neue Dinge, die man gern in dieser Finan zierungsform hätte, Mittel für die Verkehrspolitik in BadenWürttemberg bereitzustellen. Ich glaube, dass CDU und FDP/ DVP in der letzten Legislaturperiode auch gezeigt haben, wie es besser funktioniert. Daran wollen wir wieder anknüpfen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Hermann.

(Zuruf von den Grünen: Gott sei Dank!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Als sich in der vergangenen Woche spätabends die Re gierungschefs der 16 Länder, die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister – für viele völlig überraschend – auch über Regionalisierungsmittel und GVFG-Mittel verständigt haben, war ich – das sage ich gern – erleichtert und froh; denn ein jahrelanger Kampf um mehr Finanzierungssicherheit, da rum, wie es weitergeht, war damit erst einmal sozusagen er ledigt. Das muss man wirklich festhalten: Es haben viele über Jahre hinweg dafür gekämpft, dass wir eine Perspektive be kommen, dass wir eine verlässliche und auskömmliche Mit telverteilung bei den Regionalisierungsmitteln bekommen und dass wir auch eine Verlängerung und Fortsetzung des Gemein deverkehrsfinanzierungsgesetzes bekommen. Insofern bin ich der Ministerpräsidentenkonferenz sehr dankbar, dass sie die sen Beschluss gefasst hat.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie merken schon: Ich bin weit davon entfernt – auch wenn Sie mir das gern immer wieder unterstellen –, so zu tun, als wäre das meine Leistung.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Es ist ja offenkundig, dass viele daran gearbeitet und dafür ge kämpft haben: Das waren die Fraktionen, es waren die kom munalen Landesverbände, und es waren natürlich auch Bun destagsabgeordnete.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Aber an dieser Stelle muss man eines schon sagen: Am längs ten blockiert hat der Bundesfinanzminister. Es war dann auch der Druck der Verhältnisse, dass von allen Seiten gesagt wur de: Jetzt muss endlich die Entscheidung kommen. Darüber,

dass es in diesem Zusammenhang dann endlich geklappt hat, bin ich jedenfalls sehr froh.

Was bedeutet dieser Beschluss? Das will ich noch einmal deutlich machen, weil nicht alles ganz richtig herübergekom men ist. Wir halten zunächst einmal fest: Wir – die Länder ins gesamt – bekommen ab 2016 8 Milliarden € statt wie bisher 7,3 Milliarden €. Wir bekommen als jährliche Dynamisierung, also Aufstockung, statt 1,5 % zukünftig 1,8 %. Und es ist zu gesagt, dass die Laufzeit wieder 15 Jahre beträgt und das Gan ze nach einem neuen Schlüssel verteilt wird, dem Kieler Schlüssel.

Jetzt müssen wir das einmal ins Verhältnis zu dem setzen, was die Länder gefordert haben. Sie haben 8,5 Milliarden € als Untergrenze gefordert. Wir haben gesagt: „Mindestens 2 % Dynamisierung plus Absicherung der hohen Trassenpreisstei gerungen, und wir brauchen den Kieler Schlüssel.“ Wenn man das alles zusammennimmt, kann man sagen, dass das Ergeb nis insgesamt positiv beurteilt werden kann. Man muss es ja im Verhältnis sehen; denn es sind viele Milliarden Euro not wendig geworden zur Bewältigung der Flüchtlingsproblema tik. Wenn man es in diesem Kontext sieht, kann man als Ver kehrspolitiker meines Erachtens auch mit 8 Milliarden € zu frieden sein und sagen: Immerhin; es ist deutlich mehr, auch wenn die Wünsche der Länder nicht ganz vollständig erfüllt worden sind.

Positiv ist zweifellos, dass das Menetekel, Regionalisierungs mittel vielleicht in Jahresscheiben zu bekommen, auch vorbei ist und dass es eine Regelung über 15 Jahre gibt. Das ist für die Planungssicherheit der Länder ganz wichtig.

Auch wichtig: Der Kieler Schlüssel – da ist jetzt einiges durch einandergeraten, aber ich will jetzt nicht besserwisserisch sein – ist weder der alte Schlüssel noch ein neuer Schlüssel auf Ba sis des Königsteiner Schlüssels. Der alte Schlüssel war ein Schlüssel, der sehr stark an Zugkilometern und an Bedarfen der damaligen neuen Bundesländer orientiert war und der sehr zum Nachteil vor allem Baden-Württembergs, Bayerns und Nordrhein-Westfalens war. Der neue Schlüssel orientiert sich an dem, was inzwischen an Kilometern gefahren wurde und wie viele Einwohner ein Land jeweils hat. Das ist dort berück sichtigt. Tatsächlich kommt es zu einer Erhöhung des Anteils von etwa 10,4 % an der Gesamtsumme – die jetzt 8 Milliar den € beträgt – auf 12,37 %. Das ist wirklich eine erhebliche Verbesserung für Baden-Württemberg. Es bedurfte hierzu al lerdings langer Verhandlungen, auf die ich viel Zeit verwen det habe. Es ist mein persönlicher Anteil, dass ich wirklich da rum gekämpft habe, dass wir einen neuen, anderen Schlüssel bekommen und dass am Ende alle diesem neuen Schlüssel zu gestimmt haben – auch die Länder, die dabei nicht ganz so gut wegkommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ein Teil unseres Kompromisses war, dass wir nicht sofort den neuen Schlüssel realisieren, sondern dass wir eine Übergangs zeit von 15 Jahren haben, was bedeutet, dass wir in den nächs ten Jahren ein Stück weit darauf verzichten, sofort den gan zen Anteil zu bekommen, da dies sukzessive aufwächst. Inso fern ist es ein tragfähiger Kompromiss. Er ist von allen mit getragen worden, und alle Ministerpräsidenten haben dem jetzt noch einmal zugestimmt.

Allerdings bedeutet das dann in der Konsequenz, dass wir nicht sofort im Geld schwimmen; um das einmal ganz klar zu sagen. Wir werden nach dieser Rechnung – das sind alles noch vorläufige Zahlen – im nächsten Jahr – zum ersten Mal – plus 65 Millionen € haben, im übernächsten Jahr plus 85 Millio nen € und 2018 plus 105 Millionen € – in etwa. Das sind, wie gesagt, wirklich noch keine endgültigen Zahlen. Aber das be deutet, dass wir – da wir ja in diesem Jahr etwa 100 Millio nen € aus Landesmitteln zugeben, um keine Züge abbestellen zu müssen – erst ab dem Jahr 2019 wirklich mehr Geld ha ben. Also: Vorsicht mit vorschnellen Versprechungen.

Ich muss auch dazusagen: Wie viel Geld uns ab 2019 zur Ver fügung steht, hängt wesentlich davon ab, wie die Ausschrei bung läuft. Denn erst dann wissen wir, was in den nächsten Jahren an Zahlungen fällig ist. Wir sind froh, dass die ersten Ausschreibungen gut gelaufen sind, und zwar mit deutlich günstigeren Werten, als Sie sie erzielt haben – und das 15 Jah re später. Aber wir wissen noch nicht, was bei der Ausschrei bung der Stuttgarter Netze herauskommt. Wenn wir auch da günstiger sind, haben wir ab 2019 insgesamt schon einen Spielraum, aus dem heraus wir ein Konzept machen können.

Aber ich warne davor, jetzt schon Geld zu verteilen – schon gar nicht gleich morgen –, das wir noch nicht sicher haben. Wir wollen damit sehr sorgsam und sehr sorgfältig umgehen.

Was werden wir im Weiteren tun? Die Länder müssen sich jetzt z. B. darüber verständigen, wie wir die Beschränkung der Preissteigerung bei Trassen- und Stationsgebühren im Gesetz berücksichtigen. Das müssen wir innerhalb der nächsten Wo che hinbekommen; denn es soll sehr schnell geschehen.

Wir müssen uns außerdem noch einmal Gedanken machen, wie wir den Kieler Schlüssel genau übertragen. Da gibt es un terschiedliche Bewertungen, aber wir setzen darauf, dass das, was die Ministerpräsidenten beschlossen haben, endgültig gilt.

Schließlich werden wir, wenn wir das alles haben – wir war ten den endgültigen Beschluss von Bundestag und Bundesrat ab; es soll ja sehr schnell gehen –, anfangen zu überlegen, was wir mit den Geldern machen, wenn wir die letzten Informati onen aus den Ausschreibungen haben.

Ich bedanke mich an dieser Stelle ausdrücklich für das Lob der verschiedenen Rednerinnen und Redner. Insbesondere be danke ich mich bei Frau Razavi, die mich immer wieder ein mal mit freundlichen Kommentaren begleitet und lobt.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe)

Bei jeder Debatte freue ich mich darauf, zu hören, wie Sie meine Leistungen würdigen.

(Unruhe)

Kommen wir zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz: Hier haben wir die Zusage: „Es geht weiter.“ Das ist wichtig; denn bisher hat das Land Bürgschaften übernommen für den Fall, dass es nicht weitergeht. Die Tatsache, dass es weitergeht, ent lastet den Landeshaushalt am Ende. Wenn es schiefgegangen wäre, wären es fast eine halbe Milliarde Euro gewesen. An gesichts dessen sind wir froh. Übrigens sind auch die Kom

munen, die ins Risiko gegangen sind, froh, dass das jetzt nicht eintritt.

Der Nachteil dieses Beschlusses ist, dass es keine Erhöhung gibt. Vielmehr wird es fortgeschrieben. Es ist auch darauf hin gewiesen worden: Die Mittel sind eher knapp als ausreichend. Die Länder haben – übrigens einstimmig – dafür plädiert, dass wir nicht 333 Millionen €, sondern 500 Millionen € bekom men. Denn wir haben eine Menge an Sanierungsaufgaben, die durch das alte Gesetz nicht abgedeckt waren.

Es gibt weiterhin einen Sanierungsbedarf und die Notwendig keit, den ÖPNV wirklich besser auszubauen. Ich kann nur da vor warnen, zu glauben, dass die Beschlüsse, die jetzt getrof fen wurden, schon gleich das Paradies des Ausbaus bedeuten. Denn das ist es nicht. Vielmehr ist es eine seriöse Grundlage, um weiterzumachen. An vielen Enden werden wir aber noch Finanzierungsprobleme haben.

Im Bereich der kommunalen Projekte – das hat Herr Haller angesprochen – bekommen einige jetzt grünes Licht: z. B. die Regionalstadtbahn Neckar-Alb, das Mobilitätsnetz Heidel berg, auch die Regio-S-Bahn Donau-Iller. Die haben jetzt ei ne Perspektive. Man kann jetzt überhaupt erst darüber nach denken, dass man das macht. Vorher musste ich immer sagen: „Leute, solange keine Finanzierungsperspektive da ist, macht es keinen Sinn, ganz ins Detail zu gehen. Jetzt kann man nur Pläne machen in der Hoffnung, dass da etwas kommt.“

Was bleibt als Aufgabe übrig? Ungeklärt ist – das haben Sie nicht angesprochen –, wie es mit den Entflechtungsmitteln weitergeht. Die eigentlich große Summe sind nicht die GVFGMittel – das sind 0,33 Milliarden € –, sondern die eigentlich große Summe sind die 1,3 Milliarden € an Entflechtungsmit teln; das sind die Mittel, die das Landesgemeindeverkehrsfi nanzierungsgesetz speisen. Das sind übrigens seit Jahren zu wenig Mittel. Deswegen sollten Sie sich nicht bei mir bekla gen; denn diese Mittel bekommen wir vom Bund, und sie sind leider seit Jahren gedeckelt.

Diese Mittel werden infrage gestellt. Es wird in der nächsten oder übernächsten Woche von den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin zu entscheiden sein, ob es dafür einen Ausgleich gibt. Ich hoffe sehr, dass alle Ministerpräsidenten wissen, dass es, wenn sie das nicht durchsetzen, keine Finanzierung für den kommunalen Straßenbau oder für den ÖPNV im Bereich Stra ße gibt. Es ist wohl kaum ein Land in der Lage, das finanziell wirklich auszugleichen.

Deswegen kann ich auch nicht verstehen, wenn man sagt: „Der Verkehrsminister soll doch hier einmal schweigen und lieber selbst Geld drauflegen.“ Erstens ist es der Landtag, der mir das Geld zur Verfügung stellt; ich kann es nicht einfach irgendwoher nehmen. Zweitens wäre es politisch mehr als un geschickt, wenn wir sagen würden: „Zahlen wir schon einmal selbst, was uns der Bund nicht gibt.“ Nein, wir werden hart verhandeln, damit es eine Nachfolgeregelung gibt, die in et wa das an Mitteln abdeckt, was bisher aus dem Entflechtungs gesetz stammte.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich glau be, dass wir insgesamt den Entscheid positiv bewerten kön nen. Es hat sich gelohnt, dass wir die Entscheidung vorange trieben haben. Es hat sich gelohnt, dass wir uns eingesetzt ha ben. Es hat sich übrigens auch gelohnt, dass wir z. B. bei den

kommunalen ÖPNV-Projekten in Vorhand gegangen sind und gesagt haben: „Wir schauen, dass wir möglichst viele Mittel vom Bund abrufen.“ Nebenbei gesagt: Wir holen zurzeit un gefähr ein Drittel der Fördermittel des Bundes ab, die für GVFG-Projekte insgesamt zur Verfügung stehen.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Das ist weit über dem Königsteiner Schlüssel und weit über dem Kieler Schlüssel. Das ist eine richtig gute Nummer. Frau Razavi, das könnten Sie einmal zur Kenntnis nehmen; dann könnten Sie eine weitere Lobesrede auf mich halten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich in der zweiten Runde das Wort Herrn Kollegen Schwarz.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Es hat sich einmal mehr gezeigt: Die CDU ist in der Verkehrspolitik in der Sackgasse. Sie haben dem, was die Koalition plant, keine wirkliche Alternative ent gegenzusetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Walter Heiler SPD – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Lassen Sie mich Ihnen, Frau Kollegin Razavi, weil Sie ja vie le Felder der Verkehrspolitik angesprochen haben, einfach ei ne kurze Replik geben: Wie war das beim Erhalt und der Sa nierung von Landesstraßen in Ihrer Regierungszeit zwischen 2001 und 2010? Zwischen 8 und 50 Millionen € haben Sie in den Haushaltsplänen zur Verfügung gestellt. Was stellen wir heute zur Verfügung? 120 Millionen € für den Erhalt der Lan desstraßen.

(Zuruf von den Grünen: Hört, hört! – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Das ist mehr als eine Verdopplung der Gelder. Daran sieht man: Einmal mehr waren Sie und sind Sie in der Sackgasse, Frau Kollegin.