Da ist also nicht irgend ein Kuhhandel gemacht worden, Herr Rülke. Die Gesundheitskarte ist verhandelt worden. Sie stand nur nicht im Papier der Großen Koalition drin. Ich habe dar auf bestanden, dass Dinge, die verhandelt werden, auch ge macht werden.
Jetzt muss ich doch noch einmal klarstellen: Mit dieser Ge sundheitskarte findet keine Rundumversorgung statt – jeden falls habe ich der Zeitung entnommen, dass Sie das so gesagt haben, Herr Fraktionsvorsitzender Wolf.
Der Leistungskatalog der Gesundheitskarte wird gegenüber dem jetzigen Leistungskatalog für Asylbewerber überhaupt nicht verändert.
Das muss einmal klar sein. Das ist der gleiche Leistungskata log. Insofern findet da kein Anreiz statt, sondern es findet ei ne Verwaltungsvereinfachung bei den Kommunen statt.
Wer krank ist, entscheidet ein Arzt und nicht ein Verwaltungs beamter. Es ist der Mindeststandard in unserer Zivilisation, dass Krankheit durch einen Arzt festgestellt wird und nicht durch einen Verwaltungsbeamten.
Ich muss schon sagen: Natürlich nehmen wir alle die Sorgen und Ängste der Bevölkerung auf, und wir nehmen sie auch ernst.
Aber wir sind auch dazu verpflichtet, den Menschen die Ängs te, die auf unkorrekten Annahmen beruhen, zu nehmen; das ist ja klar. Wenn Kassenpatienten schon die Meinung haben, sie würden gegenüber Privatpatienten benachteiligt, hätten längere Wartezeiten und einen eingeschränkten Leistungska talog, und jetzt auf einmal kolportiert wird, die Asylbewerber bekämen eine Rundumversorgung, dann schürt man meines Erachtens mit solchen Aussagen die Ängste und nimmt den Leuten nicht die Ängste.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Mi nisters Dr. Nils Schmid – Zurufe von den Grünen und der SPD: Bravo! – Richtig! – So ist es! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: So ein Blödsinn! Es hat noch nie ein Verwaltungsbeamter über Gesundheit und Krankheit entschieden! So ein Quatsch! – Abg. Klaus Herrmann CDU: Sie wecken Hoffnungen!)
Jetzt ist Folgendes entscheidend. Ich erwähne noch einmal zum Thema „Sichere Herkunftsländer“: Es war immerhin ein einstimmiger Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, dass das evaluiert werden soll. Das war nicht nur meine Pri
vatmeinung. Man muss doch, wenn man Maßnahmen durch führt, schauen, ob sie die erwünschte Wirkung haben. Man kann jedenfalls statistisch erheblich bezweifeln, dass diese Wirkung so groß ist, wie es viele erwarten.
Jedenfalls ist das Entscheidende bei dieser Frage – da mache ich keinen Kuhhandel –, dass den Menschen im Balkan auch eine Legalperspektive eröffnet wird. Da haben wir, glaube ich, gar keine Differenz, Herr Kollege Rülke.
Sie haben von einem Zuwanderungsgesetz gesprochen. Die ser Meinung sind wir auch. Ich weiß nicht, wie lange das jetzt geht, weil es da in der Union erhebliche Vorbehalte gibt. Des wegen war es mein Anliegen, jedenfalls für die Balkanstaa ten einen Ausbildungs- und Beschäftigungskorridor auszuge stalten, damit, wenn wir jetzt sozusagen beim Asyl etwas stär ker zumachen – wobei das Grundrecht auf Asyl immer beste hen bleibt; dazu gibt es eine klare Rechtsprechung des Bun desverfassungsgerichts –, wenn wir da etwa die Verfahren be schleunigen – jetzt rutscht mir die Hose etwas herunter –,
(Der Redner zieht seine Hose hoch. – Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Mehr essen! Regel mäßig essen!)
auf der anderen Seite auch eine Perspektive deutlich wird. Diese ist jetzt erst einmal verhandelt. Es wird entscheidend sein, dass dem auf dem anstehenden Gipfel zugestimmt wird. Denn wir brauchen diese Menschen. Sie sind hoch motiviert. Viele, die nach dem Bürgerkrieg hier aufgewachsen sind, kön nen gut Deutsch. Es ist nur richtig, ihnen auch eine Perspek tive zu eröffnen, um ihnen gleichzeitig zu sagen: Der Weg über das Asyl kann für euch nicht gehen; wer ihn nimmt, der wird zurückgeschickt.
Deswegen ist es, damit wir das alles machen können, wich tig, dass die Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen von drei Monaten auf sechs Monate erhöht wird, damit wir in der Tat nicht gesetzlich gezwungen werden, wenn die Verfah ren immer noch zu lange dauern, die Leute ohne eine Ent scheidung in die Kommunen zu schicken; denn das führt ope rativ zu großen Schwierigkeiten. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, die Verweildauer zu erhöhen.
Allerdings halte ich im Gegenzug dazu die Forderung auf recht, dass die maximale Verfahrensdauer von drei Monaten dann auch im Gesetz festgeschrieben wird, damit der Bund nicht weiter meint, er brauche die Verfahren nicht zu beschleu nigen, und wir dann die Menschen immer länger in den Erst aufnahmeeinrichtungen halten müssen. Auch das wird so nicht gehen.
Auch Leistungskürzungen werden wir beschließen. Das ma chen wir übrigens schon. Flüchtlingen, die sich bewusst der Mitwirkung entziehen, wird das Taschengeld schon jetzt ge kürzt. Das haben wir in der Landesregierung schon beschlos sen. Also auch da schauen wir, dass wir das Richtige machen. Darauf können Sie sich verlassen.
Aber ich will noch einmal sagen: Entscheidend ist die Verfah rensdauer, und das Sachleistungsprinzip in den Erstaufnah meeinrichtungen gilt. Dazu bekommen die noch ein Taschen geld. Jetzt wird auch noch einmal über Gutscheine verhandelt. Das ist alles in dem Paket drin. Aber das Sachleistungsprin zip für die Erstaufnahmeeinrichtungen ist vereinbart. Zusätz lich gibt es ein Taschengeld. Da hat uns das Bundesverfas sungsgericht enge Grenzen in der Ausgestaltung gesetzt. Das weiß auch jeder.
Sie haben vorhin den Punkt Verfahrensdauer und schnelle Asylverfahren angesprochen. In der Tat sehen auch wir darin einen Schlüssel, dass man schnelle, präzise Asylverfahren hat. Jetzt haben Sie den ehemaligen BAMF-Präsidenten, Herrn Dr. Schmidt, vorhin auch zitiert, der sagte: „Es geht nur über die Definierung weiterer sicherer Herkunftsländer.“ Daher meine Frage: Wie stehen Sie zu unserer Forderung? Sie haben ge sagt, das müsse man erst einmal evaluieren. Die Evaluierung der ersten Tranche der sicheren Herkunftsländer ist ja bereits letzte Woche erfolgt.
Daher frage ich jetzt nach Ihrer Einschätzung: Wie stehen Sie dazu, weitere sichere Her kunftsländer, nämlich das Kosovo, Albanien und Monteneg ro, zu definieren, ohne diese wichtige Frage an andere Fragen zu koppeln?
Ich kann mich nur wiederholen. Schon im Bundesrat habe ich damals gesagt: Das Institut der sicheren Herkunftsländer wird überschätzt. Haargenau so ist es. Wenn man sich die Statistiken anschaut – das kann ich selbst ja nun auch –, dann stellt man da ganz unterschiedliche Zahlen fest: Mal sinkt es, mal steigt es, mal bleibt es gleich. Das muss also andere Ursachen haben. Das habe ich schon in der Bundesratsrede angemahnt. Dass alle glauben, das sei nun der Stein der Weisen, das halte ich für ei nen Irrtum.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Klaus Herrmann CDU: Das erleichtert vieles!)
Das können Sie auch nicht nachweisen. Niemand macht das. Die Bundesregierung hat es bisher nicht gemacht. Sie machen es nicht. Sie haben jetzt gerade behauptet, die Evaluation lie ge seit letzter Woche vor. Mir liegt gar nichts vor. Ich habe diese Evaluation nicht.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ich sage es Ihnen nachher! – Weitere Zurufe – Vereinzelt Heiter keit)
Aber das ist Bestandteil eines Gesamtpakets. Ich habe jetzt noch einmal gesagt, worauf es insbesondere ankommt, näm lich auf diesen Korridor für Arbeit und Ausbildung. Das ist nun ein richtiger Sachzusammenhang. Wenn ich sichere Her kunftsländer festlege und das Asylverfahren für diese Men schen erschwere, dann muss ich ihnen auf der anderen Seite eine Legalperspektive weisen. Das ist alles mit Bestandteil im Verhandlungspaket. Das wird morgen verhandelt. Und ich ge he offen und kompromissbereit in diese Verhandlung; da kön nen Sie ganz sicher und zuversichtlich sein.