Protocol of the Session on July 15, 2015

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Ulrich Müller CDU)

Wenn Sie nämlich schon damals den Weitblick gehabt hätten und, wie im Titel Ihres Antrags zu lesen ist, einmal über den Tellerrand hinaus geschaut hätten, hätten Sie festgestellt, dass der Rückgang hinsichtlich der Haupt- und Werkrealschulen im ländlichen Raum schon viel früher eingesetzt hat. Der Kol lege Schebesta zitiert ja sehr gern, dass zu der Regierungszeit von Schwarz-Gelb von den 1 100 Haupt- und Werkrealschu len

(Abg. Volker Schebesta CDU: 1 200!)

ach, Entschuldigung, Herr Kollege Schebesta –, von den 1 200 Haupt- und Werkrealschulen am Ende noch 800 da wa ren. Das heißt, auch damals gab es schon die Problematik: Was passiert denn mit den Haupt- und Werkrealschullehrerin nen, die ja – –

(Abg. Ulrich Müller CDU: Die haben kein Problem!)

Ja, heute gibt es auch kein Problem. Denn für die Lehrerin nen und Lehrer gibt es Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Das Kultusministerium ist auch aktiv daran, diese Möglich keiten weiter auszubauen. Man kann auch kein Personalent wicklungskonzept im Ganzen machen – wie in Ihrem Ände rungsantrag gefordert –, weil es immer um Einzelfälle geht. Für jeden Lehrer, der hier eine neue Möglichkeit oder Pers pektive braucht, muss man individuell betrachten, was für Antworten es gibt.

Ich muss es leider sagen: Hätten Sie sich schon damals Ge danken darüber gemacht, wie sich die Bildungslandschaft auf den demografischen Wandel einstellen muss – man muss ja nicht einmal bildungspolitische Maßnahmen ins Auge neh men; nehmen Sie einfach den demografischen Wandel, der bei uns im Land schon vor zehn Jahren spürbar war –, hätten Sie einfach schon früher darauf reagiert, hätten wir heute eine bes sere Ausgangssituation, als wir sie haben.

Es ist nicht überall einfach, auf den demografischen Wandel und die Veränderungen zu reagieren. Es ist auch nicht immer einfach, die regionale Schulentwicklungsplanung vor Ort gut umzusetzen, aber die Gemeinden haben ein großes Interesse daran. Man hört vor allem aus den Gemeinden, in denen die Schulentwicklungsplanung noch nicht angestoßen wurde, dass darauf gewartet wird, dass endlich etwas passiert. Denn so, wie es momentan läuft, kann es nicht weitergehen. Ich würde an dieser Stelle sagen: Nehmen Sie sich einfach noch einmal das vor, was Sie versäumt haben, und wir machen unsere Ar beit und geben den Lehrerinnen und Lehrern eine gute Pers pektive.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Verehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Müller, von Zerstörung der Hauptschule zu sprechen, nachdem Sie sich zehn Jahre lang durch unterlassene Hilfeleistung ausgezeich net haben, das ist schon ein starkes Stück.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zurufe von der CDU)

Sie haben im Grunde zugesehen, wie eine Schulart, in der Lehrerinnen und Lehrer eine engagierte und gute Arbeit ge macht haben, systematisch in die Knie gegangen ist, ohne ir gendeine Reformoption anzubieten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jede Menge Res sourcen wurden da reingepackt!)

Sie haben im Grunde gar nichts getan, weil Sie sich nämlich auch vor unangenehmen Entscheidungen gedrückt haben; re gionale Schulentwicklung macht nicht immer Spaß. Das hat mir übrigens als Fraktionsvorsitzendem in Mannheim auch keinen Spaß gemacht, als wir bereits 2009 neun unserer 21 Werkrealschulen schließen mussten. Tun Sie hier also nicht so, als ob das, wie im Antrag behauptet wurde, durch die Auf hebung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung ver ursacht worden wäre. Das ist ein völliger Nonsens. Das sehen Sie, wenn Sie sich die Schülerzahlenentwicklung seit Mitte der Neunzigerjahre anschauen.

(Zuruf des Abg. Georg Wacker CDU)

Wir haben in der Tat mit der regionalen Schulentwicklung – ich sage Ihnen auch, dass wir stolz darauf sind – Verantwor tung übernommen, und wir haben den Gemeinden, den Kom munen vor Ort auch Regeln an die Hand gegeben, nach de nen sie diesen Prozess durchlaufen können. Ich habe es an die

ser Stelle schon einmal betont: Wir, die SPD, haben insbeson dere auch dafür gesorgt, dass eine Schule weiterarbeiten kann, wenn sie mindestens 16 Schülerinnen und Schüler in einer Eingangsklasse hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist nichts Neu es! Das gab es vorher genauso!)

Damit unterstützen wir insbesondere den ländlichen Raum, Herr Röhm.

Wir sind uns auch dessen bewusst gewesen, dass es kein The ma ist, bei dem viel Freude am Tisch entsteht, und dass es trotzdem darum geht, Verantwortung zu übernehmen, eben, wie Sie sagen, den Blick über den Tellerrand, die Abkehr vom eigenen Kirchturmdenken zu wagen.

Ich muss sagen, ich bin durchaus sehr positiv beeindruckt von den Zahlen, die mir jetzt vorliegen, nämlich, dass es in über 93 % der 125 Verfahren der regionalen Schulentwicklung ei ne einvernehmliche Lösung gegeben hat.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist nichts Neu es! – Abg. Ulrich Müller CDU: Das war vorher auch schon so! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Ich betone: In mehr als neun von zehn Fällen konnte ein Kon sens erzeugt werden. Das ist bemerkenswert, und die Kom munen haben damit gezeigt, dass sie auf Grundlage unserer Landesgesetzgebung zur regionalen Schulentwicklung ihrer Verantwortung gerecht werden können und Schule zukunfts sicher in der Region aufstellen können. Das ist ein großer Er folg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ge statten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten – –

Am Ende, bitte. – Natürlich sind damit für manchen konkreten Standort unangenehme Ent scheidungen verbunden. Mir ist klar, dass das eben keinen Spaß machen kann und dass man da auch eine Verantwortung trägt. Wir haben diese Verantwortung auch übernommen. Konkret werden das Kultusministerium und die Schulverwal tungsämter dieser Verantwortung sehr gut gerecht, weil, wie die Kollegin Boser angedeutet hat, jede einzelne Person, je der einzelne Fall systematisch besprochen und beraten wird und eine Perspektive aufgezeigt bekommt.

Gerade Lehrerinnen und Lehrer sind nicht gerade artikulati onsschwach. Das heißt, Sie erhalten relativ schnell eine Rück meldung – das können Sie aus Ihrer Wahlkreisarbeit sicher lich bestätigen –, wenn es Probleme gibt. Ich sage Ihnen: Bei uns konkret sind keine Beschwerden angekommen. Im Ge genteil, es gibt sogar sehr, sehr positive Rückmeldungen. Dies ist mir wichtig, weil es, wenn wir aktuell über die Schließung mehrerer Werkrealschulstandorte sprechen, in der Tat ein The ma ist, das mich in meinem Wahlkreis betrifft.

Daher ist es aber auch Nonsens, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, jetzt, am Schuljahresende, sei vielen unklar, wo sie im nächsten Jahr unterrichten sollen. Frau Boser hat es aus geführt: Die Schulen laufen ja aus. Oder kennen Sie einen

Fall, wo heute die Notbremse gezogen wird und ab Septem ber die Lehrerinnen und Lehrer – übrigens auch die Schüle rinnen und Schüler – an einem völlig anderen Standort sind? Das ist doch Nonsens, Herr Müller, was Sie da in Ihren An trag geschrieben haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es geht hier dar um, wo die Lehrer hinkommen! – Zurufe von der CDU)

Das Gegenteil ist der Fall: Die staatlichen Schulämter gehen rechtzeitig und umfassend auf die Betroffenen zu, und sie ha ben dafür übrigens auch eine entsprechende Handreichung des Kultusministeriums erhalten. Auf unsere Nachfrage wurde auch erneut bestätigt, dass die Fortbildungen sehr gut ange nommen werden. Eine Arbeitsplatzgarantie besteht für die Lehrerinnen und Lehrer sowieso.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Welche finden denn überhaupt statt? Nennen Sie das doch einmal!)

Herr Röhm und Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion: Wir nehmen in der Tat Ihr Anliegen im Falle von Schulschließungen sehr ernst, aber eine persönliche Bemer kung müssen Sie mir an dieser Stelle doch erlauben: Wenn Sie in diesem Zusammenhang von ungewisser Zukunft spre chen, dann tut mir das gerade aktuell wirklich weh, wenn ich daran denke, wie wir derzeit in Mannheim gemeinsam mit den Beschäftigten von Alstom und Bombardier um den Erhalt von Arbeitsplätzen kämpfen.

(Abg. Georg Wacker CDU: Jetzt kommt der Gewerk schafter!)

Dort drohen ersatzlose Streichungen, betriebsbedingte Kün digungen. Da muss man leider von ungewisser Zukunft spre chen. Aber als Lehrer kann ich wirklich sagen: Unsere Lan desbediensteten hingegen wissen, dass sie sich auf das Land als zuverlässigen Arbeitgeber verlassen können. Das ist so.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Lachen des Abg. Karl Zimmermann CDU – Abg. Karl Zimmer mann CDU: Bei dieser Regierung!)

Zusammenfassend: Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich denke insgeheim, dass Sie die Leitplanken der re gionalen Schulentwicklung begrüßen, dass Sie sich heute selbst eingestehen, dass Sie nicht selbst den Mut hatten, die ses heiße Eisen anzufassen, oder – da ja bei Ihnen Gedichte oder Zitate durchaus en vogue sind – um es mit Goethe zu sa gen:

Es ist nicht genug, zu wissen,... man muss auch tun.

Diese Regierung hat getan. Wir haben gehandelt.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da war noch eine Frage! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aus!)

Nein, die Redezeit ist ab gelaufen; sie war schon im Minusbereich.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das war ein feiner Zug von Ihnen, Herr Kollege! Sie haben die ganze Zeit die Uhr gesehen!)

Für die Fraktion der FDP/DVP

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Kürzlich habe ich die Burgschule Hai terbach im Landkreis Calw besucht. Sie ist die einzige wei terführende Schule am Ort und auch in einem weiteren Um kreis. Wie so viele kleinere Schulen im ländlichen Raum ist sie Jahr für Jahr froh, 16 Schüler für die Eingangsklasse zu sammenbekommen zu haben. Was aber die Zukunft des Schul standorts betrifft, herrscht dort große Unsicherheit.

Grün-Rot verweist darauf, dass es dem demografischen Wan del geschuldet sei, wenn Schulen im ländlichen Raum ge schlossen werden müssen, und natürlich trägt Grün-Rot nicht die Verantwortung dafür, dass Schülerzahlen sinken. Aller dings trägt die Landesregierung in erheblichem Maß ihren Teil dazu bei, dass die Situation im ländlichen Raum für viele Schulen noch verschärft wird.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Nein!)