Protocol of the Session on June 17, 2015

Deshalb ist auch die Einstellung in den Polizeivollzugsdienst speziell geregelt, und zwar in einer Polizeidienstvorschrift. Die Polizei wäre nicht die Polizei, wenn sie hierfür nicht auch eine Abkürzung hätte: PDV 300 heißt diese Vorschrift. Darin ist geregelt, dass die Erfüllung besonderer Anforderungen an die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit sowie an die seelische Belastbarkeit Einstellungsvoraussetzung für die Be werber ist. Dies gilt damit für den größten Teil des Personal körpers der Polizei. Es sind Einstellungshürden, die Menschen mit Behinderung zumindest in sehr vielen Fällen nur schwer überwinden können.

Damit gilt für den größten Teil des Personalkörpers der Poli zei, nämlich für den Vollzugsdienst, dass es hauptsächlich da rum geht, eine Weiterbeschäftigung für den Fall sicherzustel

len, dass während des laufenden Dienstes eine Beeinträchti gung auftritt, die nicht mehr die volle Polizeidienstfähigkeit im Vollzugsdienst gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund ist es ein wenig verwunderlich, aber ausdrücklich anzuerkennen, dass die Polizei dennoch die ge setzlich geforderte Quote für die Beschäftigung von Schwer behinderten im Großen und Ganzen praktisch erfüllt. Ich ent nehme die entsprechenden Zahlen der Stellungnahme zum Antrag; ich weiß nicht, warum diese Zahlen etwas von denen abweichen, die Sie, Kollege Hinderer, nannten. Demnach wa ren es 2012 4,89 % – gerade knapp verfehlt – und 2013 5,23 % – Quote gerade erfüllt. Das ist in Ordnung; da kann man nichts sagen. Dies schaffen übrigens gar nicht alle Ver waltungsbereiche; dies wird bei der Betrachtung klar.

Dies bestätigt, dass es eine langjährige Entwicklung ist. Die se Entwicklung hat nicht erst in den vergangenen vier Jahren eingesetzt, sondern es ist ein langjähriger Prozess, der nun zu dieser Schwerbehindertenquote bei der Polizei führen konn te. Das hat weder etwas mit Grün-Rot zu tun, noch hat es ir gendetwas mit der Polizeireform zu tun; das möchte ich aus drücklich sagen. Es ist vielmehr eine langjährige Entwicklung, die bei der Polizei stattfindet und die positiv zu bewerten ist.

Ich möchte anregen, zu prüfen, ob man künftig gerade im Be reich des Spezialistentums das Augenmerk noch gezielter da rauf richten kann, Schwerbehinderte bereits bei der Einstel lung besonders zu berücksichtigen. Eben hatte ich erwähnt, dass es bislang überwiegend um Fälle ging, in denen während des Dienstes eine Behinderung eintritt. Ich halte es inzwischen aber für sinnvoll, bereits bei der Einstellung entsprechende Möglichkeiten zu finden, etwa dann, wenn es um Tätigkeiten von Spezialisten geht. Ich will ein Beispiel nennen: Ein hoch spezialisierter IT-Experte bei der Polizei kann seine Tätigkeit sehr wohl auch im Rollstuhl ausüben und für den Polizeivoll zugsdienst wertvolle und sinnvolle Dienste leisten. Wir bitten darum, hierauf einfach ein Augenmerk zu richten.

Im Übrigen fragen Sie in Ihrem Antrag, in dem Sie sich zur Umsetzung der Polizeireform nach den Belangen der Schwer behinderten erkundigen, mit Verlaub, eigentlich Selbstver ständlichkeiten ab. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass bei der Umsetzung einer Reform Belange von Schwer behinderten berücksichtigt werden. Es wäre schlimm, wenn dies nicht geschehen wäre.

In diesem Punkt, muss ich sagen, haben Sie es bei der Poli zeireform richtig gemacht. Ich darf aus der Stellungnahme des Innenministeriums zitieren. Auf die Frage, wie es bei der Po lizeireform umgesetzt wurde, schrieben Sie:

Die im früheren Reformvorhaben der Landesregierung (Sonderbehörden-Eingliederung, Verwaltungsreform) fest gelegten Standards waren auch für die Umsetzung der Polizeistrukturreform maßgebend.

Es war sinnvoll, sich dessen zu bedienen. Das ist keine Erfin dung der Polizeireform, das ist auch keine Erfindung der der zeitigen Regierung, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit, so vorzugehen. Insofern hätten Sie dies eigentlich nicht extra fragen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte abschließend eine Anregung und einen Wunsch äußern. In der letzten Frage der SPD wird nach einer Aufglie derung gefragt, welche Behinderungen durch Berufsunfälle ausgelöst wurden. Nun gehört zu Berufsunfällen leider immer häufiger auch der Fall, dass eine solche Behinderung aufgrund von Gewalt gegen Polizeibeamte verursacht wird. Dies wird bislang nicht gesondert erfasst. Das hat mit Sicherheit auch datenschutzrechtliche Gründe wegen der individuellen Rech te der Bediensteten. Gleichwohl wäre es sinnvoll und wün schenswert, wenn man hierzu eine entsprechende Auflistung und Statistiken hätte. Deswegen, Herr Minister, regen wir an – vielleicht können Sie uns hierzu einen Satz sagen –, dass Sie prüfen, ob man in anonymisierter Form, sodass keine daten schutzrechtlichen Probleme auftauchen, aufnimmt, welche Behinderungen durch Dienstunfälle und insbesondere durch Gewalt gegen Polizeibeamte ausgelöst wurden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Häffner.

Sehr geehrte Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Inklusion ist mir in den letzten vier Jahren als polizeipolitische Sprecherin wahrlich selten begegnet. Ich bin aber dankbar dafür, dass wir es heute als Thema hier im Landtag haben.

Seit dem Regierungswechsel stellt die grün-rote Landesregie rung die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Erstellung eines Lan desaktionsplans ins Zentrum der Politik für Menschen mit Be hinderungen.

Inklusion ist bei der Polizei ein ernst zu nehmendes Thema. Heute will ich es aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrach ten. Generell müssen wir bei der Polizei die Bereiche Vollzug und Nichtvollzug getrennt betrachten. Denn für beide gelten unterschiedliche Richtlinien.

Im Bereich Nichtvollzug arbeiten bei der Polizei, wie übri gens auch in anderen Landesbehörden, auf vielen unterschied lichen Positionen Schwerbehinderte. In der Verwaltung las sen sich Arbeitsplätze finden bzw. einrichten, die für die je weils betroffenen Menschen eine optimale Voraussetzung für die Ausübung ihres Berufs darstellen. Als Beispiel möchte ich einen Sehbehinderten nennen, der dann mithilfe eines größe ren Bildschirms arbeiten kann, der ihm auch bereitgestellt wird.

In der Arbeitswelt geht es jedoch nicht nur um körperliche Be hinderungen, sondern vermehrt auch um psychische Behin derungen, die es in der Gesellschaft gibt. Auch diese Men schen sollen in die Arbeitswelt integriert werden und ihren Fä higkeiten und Möglichkeiten entsprechend eingesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist es spannend, dass erst vor we nigen Wochen die IBM dadurch auf sich aufmerksam gemacht hat, dass dort Arbeitsplätze speziell für Menschen mit Autis mus eingerichtet wurden. Die IBM erkannte, dass gerade die se Menschen besondere Fähigkeiten haben, die für die Ent wicklung von Computerprogrammen genial sind. Dabei sind

die hohe Intelligenz und die Konzentrationsfähigkeit zu nen nen. Im Gegenzug dazu macht die IBM Folgendes: Sie rich tet die Arbeitszeiten sowie die Arbeitsplätze dementsprechend ein. Damit wird sie gezielt den Bedürfnissen dieser Arbeit nehmerinnen und Arbeitnehmer gerecht.

Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie Menschen mit Handicap in die Arbeitswelt integriert werden.

(Beifall bei den Grünen)

Schauen wir uns den Vollzugsdienst bei der Polizei an. Dazu hat der Kollege Blenke bereits gesagt, dass es bei einer Be werbung für die Anwärterinnen und Anwärter hohe Anforde rungen an die Gesundheit dieser Personen gibt. Dies hat auch berechtigte Gründe.

Die Polizeidienstvorschrift 300 ist vorhin schon genannt wor den. Darin heißt es, dass der Vollzugsbeamte „zu jeder Zeit an jedem Ort einsetzbar sein muss“. Um allen Situationen, die der Polizeidienst unseren Beamtinnen und Beamten abver langt, gerecht zu werden, ist eine gute körperliche und psy chische Fitness von immenser Bedeutung. Das wird übrigens auch von Beschäftigten in anderen Berufen wie Lokomotiv führern, Piloten usw. abverlangt.

Ich möchte dies an einem Beispiel verdeutlichen: Nehmen wir einen Menschen, der an Epilepsie leidet und schon seit Jah ren keinen Anfall mehr hat, weil er gut eingestellt ist. Würde dieser Mensch in einem Schichtdienst arbeiten und hätte dann daraufhin auch Nachtdienst – –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hundeführer!)

Bitte?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hundeführer!)

Der erste Faktor, um einen Anfall auszulösen, ist der Entzug von Schlaf. Der zweite Faktor würde hinzukommen, wenn dann ein Fall zu bearbeiten ist und eben Adrenalin und Stress steigen. Der dritte Reiz, der einen Anfall auslösen könnte, wä re dann wegen der Lichtreize des Blaulichts die Fahrt mit dem Polizeiauto. Was geschehen würde, wenn dieser Mensch wäh rend des Einsatzes einen Anfall bekommen würde, brauche ich hier nicht weiter auszuführen.

Eine wichtige Frage ist aber, was die Polizei mit den Beam tinnen und Beamten, die während ihres Arbeitslebens durch Erkrankung oder Unfall in die Situation der Schwerbehinde rung kommen, macht. Darauf hat die Polizei gute Antworten. Schließlich sind tatsächlich 5 % der Polizeiangehörigen Schwerbehinderte. In diesen Fällen werden dann spezielle Schulungslehrgänge angeboten, um sich dann dementspre chend in Spezialthemen ausbilden zu lassen, um mit dem Restvermögen, was noch vorhanden ist, in weiteren Arbeits feldern eingesetzt werden zu können. Hierbei sind zu nennen: die Kriminaltechnik, die Lehrtätigkeit oder aber auch die Be kämpfung der Wirtschaftskriminalität.

Wichtig ist es ferner, dass man auch sieht, dass es bei Schwer behinderungen auch Unterschiede gibt. Auch der Kollege Blenke hat ein solches Beispiel genannt. Es gibt einen Beam

ten mit einer Unterschenkelamputation, der wieder die volle körperliche Einsatzfähigkeit erreicht hat. Dies war möglich durch Rehamaßnahmen, durch die enge Anbindung der Poli zeiärzte, die diesen Prozess mitbegleitet haben, und natürlich auch durch den Beamten selbst, der das wollte. Es wurden kei ne Mühen und Kosten gescheut.

Als Physiotherapeutin weiß ich, was diese Menschen geleis tet haben, dass es ein anspruchsvoller Weg ist, der in diesen Fällen beschritten werden muss. Meine Anerkennung und mein Dank gelten diesen Beamten, aber auch den Polizeiprä sidien, die das mit unterstützen, damit diese Menschen wie der individuell eingesetzt werden können.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie des Abg. Claus Paal CDU)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Professor Dr. Goll.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Auch wir von der FDP/DVP-Frakti on finden es natürlich richtig, dass man sich hier im Landtag dieses Themas annimmt, damit auch den Betroffenen signali siert wird, dass wir sie sozusagen auf dem Bildschirm haben, dass wir an sie denken. Wir Liberalen hatten schon immer die se Haltung und sagen, dass Menschen mit Behinderungen als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft ganz einfach dazu gehören. Sie brauchen keine Fürsorge, sondern sie brauchen selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe. Das entspricht unserem Leitbild. Unter dem Schlagwort „barrierefrei statt Hürdenlauf“ ist das auch integraler Bestandteil unserer Bür gerrechtsstrategie. Das brauche ich fast nicht vorweg zu be tonen. Deshalb stützen wir die Zielrichtung dieses Antrags.

Man kann auch durchaus erfreut feststellen, dass, aufs Ganze gesehen, die Zahlen im Polizeibereich gar nicht schlecht sind und die Quote auch angestiegen ist, wie aus der Stellungnah me hervorgeht.

Was man als ein bisschen weniger befriedigend ansehen mag, ist, dass in der Tat eine Aufschlüsselung nach Vollzugsdienst und anderen Bereichen nicht stattfindet, dass keine Erhebung erfolgt, ob die Behinderung vielleicht durch den Dienst be dingt war, dass auch nicht erhoben werden konnte, wie viele Schwerbehinderte eigentlich durch die Reform betroffen sind und umziehen mussten. Denn ich nehme jetzt an, dass natür lich gerade die besondere Stresssituation aufgrund der Reform auch ein Grund für diesen SPD-Antrag war, wobei ich an die ser Stelle den Hinweis nicht auslassen möchte, dass, wenn es nach unseren Vorschlägen gegangen wäre, natürlich nicht so viel umgezogen worden wäre und insofern auch weniger Stress ausgelöst worden wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Das nur mit einem Satz.

Aber ich möchte den Antrag nicht zu einer neuen Auseinan dersetzung über die Polizeireform nutzen.

Man muss klar sagen, dass sich Behinderte mit Sicherheit mehr Gedanken um ihren Arbeitsplatz machen als andere und dass sie schon besonderen Stress empfinden, wenn sich etwas ändert. Umso erfreulicher ist es – das Positive möchte ich ge nauso hervorheben –, dass aus der Stellungnahme zu dem An trag hervorgeht, dass man sich offensichtlich darum geküm mert hat, dass man offensichtlich diesen Umstand mit einbe zogen hat, dass man überhaupt auf gesundheitliche Einschrän kungen eingeht, wenn es um die künftige Verwendung geht. Man hat den Eindruck, dass da schon sorgsam vorgegangen worden ist.

Es ist sicher auch erfreulich, zu hören, dass die Hauptschwer behindertenvertretungen zur Vorbereitung der sozial verträg lichen Umsetzung überall eng einbezogen waren. Es ist beru higend, zu hören, dass die Äußerungen der Schwerbehinder tenvertretungen weitgehend berücksichtigt wurden. Im Übri gen gehe ich auch davon aus, dass wir sicher davon gehört hätten, wenn es in dem einen oder anderen Fall nicht so ge wesen wäre. Aber es ist offensichtlich darauf Rücksicht ge nommen worden.

In diesem Sinn kann man hoffen, dass der Integrationsprozess und der Inklusionsprozess bei der Polizei weitergeht, weiter Fortschritte macht. Die Anregungen stehen im Raum, ob man das noch ein bisschen besser erfassen kann, ob es z. B. tat sächlich einen Polizeivollzugsdienst erreicht, wo es natürlich schwieriger ist – übrigens ähnlich wie auch im Strafvollzug. Aber man hat den Eindruck, dass die Dinge auf einem guten Weg sind, der von uns selbstverständlich weiter unterstützt wird.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Gall.