Protocol of the Session on May 7, 2015

Meine Damen und Herren, auch das findet bei der Oppositi on offensichtlich nicht die Beachtung, die es verdienen wür de, Stichwort Polizeireform. Auch deshalb haben wir u. a. den Themenbereich Prävention innerhalb der Polizei in der neu en Struktur jetzt gebündelt, und zwar an höchster Stelle, und dies auch im Organisationsplan verortet. Was das Stichwort Kriminal- und Verkehrsprävention anbelangt, sind wir jetzt in der Lage, flächendeckend im Land dieselben Angebote der Kriminal- und der Verkehrsprävention für unsere Schulen zu machen. Das heißt, jede weiterführende Schule ist zwischen zeitlich über dieses Themenpaket informiert und weiß, wer die Ansprechpartner sind und wie die Umsetzung in den Schu len entsprechend stattfinden kann.

Ein Erfolgsmodell Baden-Württembergs, von Ihnen auf den Weg gebracht und weiter ausgebaut, will ich hier nicht uner wähnt lassen, weil auch dies ein Beispiel für ressortübergrei fende sinnvolle Zusammenarbeit mit sehr guten Ergebnissen ist. Das ist das Haus des Jugendrechts; zwischenzeitlich kann man sogar von den Häusern des Jugendrechts sprechen. Denn neben dem Haus des Jugendrechts in Stuttgart gibt es zwi schenzeitlich auch Häuser des Jugendrechts in Pforzheim und in Mannheim. In Ulm schaffen wir gerade das Fundament für die Einrichtung eines solchen Hauses. Weitere Städte haben ein entsprechendes Interesse angemeldet.

Meine Damen und Herren, Kern des Antrags der Grünen ist im Prinzip die Frage: Braucht Baden-Württemberg einen Lan despräventionsrat? Mit diesem Thema haben wir uns tatsäch lich beschäftigt. Herr Throm, da möchte ich wirklich darum bitten, dass man solche Ideen nicht gleich als „Debattierklub“ abtut. Denn in anderen Ländern gibt es einen Landespräven tionsrat. Wir haben uns genau angeschaut, wie diese Einrich tungen dort organisiert sind und welche Aufgaben sie dort ha ben. Wir haben gemerkt, auch aus den Gesprächen mit den dortigen Experten, dass es eher nicht sinnvoll wäre, dies nach zuahmen und jetzt aus dem Stand heraus auch einen Landes präventionsrat einzurichten, weil sich diese Landespräventi onsräte in den anderen Ländern anders entwickelt haben und die Bandbreite, die Vielseitigkeit von Präventionsangeboten dort nicht so umfangreich ist wie bei uns in Baden-Württem berg. Uns wurde davon abgeraten, quasi durch Beschluss jetzt einen Landespräventionsrat in Baden-Württemberg einzurich ten und all diese Maßnahmen auf Anhieb dort zu bündeln. Das könnte aus organisatorischer Sicht, aber auch hinsichtlich der Zielrichtung einer guten Qualität und einer Vereinheitlichung im Land nicht erfolgversprechend sein.

Ich sage aber ausdrücklich dazu: Wir probieren gerade die Einrichtung, die wir im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus auf den Weg gebracht haben, modellhaft aus. Da bei handelt es sich um ein Kompetenzzentrum im Innenmi nisterium, welches die Maßnahmen, die gegen islamistischen Terrorismus auf den Weg gebracht werden sollen, koordiniert. Hierbei geht es überwiegend um Maßnahmen im präventiven Bereich. Das Thema „Religiöse Entwicklungen bzw. Fehlent wicklungen“ – man kann es nennen, wie man möchte – haben Sie, Herr Haußmann, angesprochen.

In diesem Bereich gibt es durchaus verschiedene Angebote. Es gibt Maßnahmen auf der Bundesebene, etwa vom BAMF, eigene Maßnahmen des Landes bis hin zu Aussteigerprogram men. Es geht darum, diese Maßnahmen dort gezielt zu bün deln und organisatorisch zusammenzuführen. Die Beratung sollte – das war Ihr Stichwort – aufgrund der durchaus vor handenen Distanz nicht von der Polizei wahrgenommen wer den, sondern im Prinzip durch externe Anbieter. Aber auch dies muss organisiert, gezielt gesteuert und vor allem fachlich fundiert gemacht werden.

Dieses Kompetenzzentrum betrachte ich als eine Keimzelle, an der jetzt einmal entwickelt wird, wie so etwas wirken kann. Wenn dies erfolgreich sein wird – davon gehe ich aus –, kann man tatsächlich darüber nachdenken, andere Bereiche Schritt für Schritt beispielsweise in dieses Kompetenzzentrum zu überführen. Dort passen nicht alle Bereiche hinein; denn da sind wir wirklich zu vielschichtig unterwegs. Aber jedenfalls gibt es Bereiche, die man noch dorthin überführen könnte.

Am Ende eines solchen Prozesses kann bei einer stabilen La ge – wenn etwas funktioniert, wenn man von der Sinnhaftig keit überzeugt ist, wenn man dies Schritt für Schritt erweitern kann – auch die Einrichtung eines solchen Landespräventi onsrats stehen. Das heißt, ich schiebe das nicht auf die Seite, sondern ich bin dafür, dass wir uns Schritt für Schritt einem solchen Modell nähern.

Ich sage jedenfalls zu, dass wir mit den beteiligten Ressorts – ich habe sie aufgezählt – alles daransetzen werden, Maßnah men zu bündeln, dort zu koordinieren, wo Koordinierungsbe darf vorhanden ist. Selbstverständlich – das will ich nicht un erwähnt lassen – sollte dies nicht alles auf professioneller Ba sis geschehen, das heißt, durch das Land organisiert und be zahlt werden, sondern unter Einbindung all der Kompetenzen, die es in unserem Land gibt, auch des Ehrenamts.

In diesem Sinn bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich für die lobenden Worte, was die Stellungnahme zu Ihrem An trag anlangt, insbesondere auch für die lobenden Worte für all diejenigen, die sich im präventiven Bereich, ob hauptberuf lich oder im Ehrenamt, engagieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort für die Frakti on GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Frey.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! Lassen Sie mich noch die zwei Faux pas von Herrn Throm richtigstellen.

Nichts ist so gut, als dass man es nicht verbessern könnte, Herr Throm. Wir folgen hier der Devise „Stillstand ist Rückschritt“. Wir sind ganz nah an der Bevölkerung und versuchen, die bes ten Lösungen zu finden, auch in Sachen Prävention. Wenn Sie jetzt den Eindruck erwecken wollen, wir würden hier etwas im Papierkorb oder in der Schublade verschwinden lassen, dann zeigt dies, wie ernst es Ihnen um dieses Thema wirklich ist.

Zum Zweiten weise ich darauf hin, dass ein Bundespräventi onsgesetz auf dem Weg ist. Ich weiß nicht, wie groß Ihr Ver trauen in Ihre Bundestagsfraktion ist. Jedenfalls erwarten wir, dass dieses Bundespräventionsgesetz auf den Weg gebracht wird. Dann werden wir hier unsere Maßnahmen danach aus richten können.

Ich entsinne mich an die großen Vorbehalte zwischen Sozial arbeit und Polizei in den Achtzigerjahren. Die beiden Seiten scheuten einander wie der Teufel das Weihwasser, und es gab hier riesige Gräben. Das hat sich in den letzten etwa 35 Jah ren deutlich verbessert. Heute sieht man: Wenn man mit den verschiedenen Disziplinen zusammenarbeitet, dann kann man auch gute Wirkungen erzielen.

Herr Throm, wir wollen – vielleicht im Gegensatz zu Ihnen – nicht im Jahr 1980 stehen bleiben, sondern wir wollen uns weiterentwickeln und das Beste für unser Land hier suchen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/4980. Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stim men zu.

Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme

des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Lehr befähigung der Lehrerinnen und Lehrer in den natur wissenschaftlichen Fächern und in Mathematik – Drucksache 15/4308 (Geänderte Fassung)

b) Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme

des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – Wah rung der fachlichen und didaktischen Standards im na turwissenschaftlich-technischen Bereich im Rahmen der Bildungsplanreform 2015 – Drucksache 15/4347 (Geänderte Fassung)

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung zu beiden Anträgen ins gesamt fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sechster Einsatz! – Gegenruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sechster Einsatz? – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ungefähr! – Gegenruf der Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Sportler! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Jetzt eröffnet der Kollege den Wahlkampf für die FDP!)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die FDP/DVP ist überzeugt: Nur wenn ein Lehrer für sein Fach brennt, springt auch der Funke auf die Schüler über. Man muss wahrlich kein Chemiker sein, um zu wissen, dass für ein Feuer brennbares Material vorhan den sein muss. Mit anderen Worten: Fachlich fundierte Kennt nisse sind das Fundament für einen Unterricht, aus dem die Schüler etwas für ihr Leben mitnehmen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Da hat er recht!)

Um dieses Fundament macht sich unsere Fraktion Sorgen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Da hat er unrecht!)

Ein besonderes Sorgenkind sind dabei ausgerechnet im Land der Techniker und Tüftler die Naturwissenschaften und die Mathematik. Der IQB-Ländervergleich 2012 hat für BadenWürttemberg hohe Anteile von Lehrerinnen und Lehrern er geben, die unterrichten, ohne für das Fach über eine entspre chende Lehrbefähigung zu verfügen: in Biologie 23,7 %, in Chemie 21,6 %, in Physik 28,6 % sowie in Mathematik 8,9 %.

Leider sagt das noch nichts darüber aus, wie viel Unterricht in diesen Fächern tatsächlich fachfremd erteilt wird. Hierzu

liegen nach Auskunft des Ministeriums keine Daten vor, und sie sollen auch nicht erhoben werden. Das ist bedauerlich, denn die alarmierenden Zahlen aus dem IQB-Bericht würden eine beispielsweise stichprobenartige Erhebung mehr als recht fertigen.

Die fehlenden Zahlen zum fachfremden Unterricht wären auch zu verschmerzen, wenn die Landesregierung aus den Alarm signalen die richtigen Schlüsse ziehen würde. Die Bildungs planreform und die von Grün-Rot angestrengte Neuordnung der Lehramtsstudiengänge könnten dazu Ansatzpunkte bie ten.

Im Rahmen der Bildungsplanreform hat die Landesregierung neben eher missglückten Versuchen einen Ansatz verfolgt, den wir Freien Demokraten ausdrücklich unterstützen: die Fächer verbünde auf den Prüfstand stellen und, wenn möglich und angebracht, auch auflösen.

(Beifall der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Ein gutes Beispiel hat uns kürzlich hoffnungsfroh gestimmt: die Ankündigung, dass Musik an den Grundschulen aus dem Fächerverbund herausgelöst und wieder eigenständiges Fach wird. Das ist ein echter Schritt zur Stärkung der Fachlichkeit und zur Sicherung der Qualität des Musikunterrichts.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nun könnte man vermuten, dass die Landesregierung bei Ma thematik oder Naturwissenschaften ähnlich verfährt. Aber man reibt sich verwundert die Augen: Im Bereich der Natur wissenschaften löst die Landesregierung nicht nur keinen Fä cherverbund auf, sondern begründet einen neuen: Naturphä nomene und Technik. An den Gymnasien wird das Fach Bio logie in den Klassen 5 und 6 mit dem Fach Naturphänomene zusammengepfercht, in dem propädeutisch auf Chemie und Physik vorbereitet wird.

Zunächst liefen die Biologen Sturm gegen die grün-roten Pla nungen. Die gewichtigen Einwände konnte auch die Maßnah me der Landesregierung nicht entkräften, den Fächerverbund in „Biologie, Naturphänomene und Technik“ umzutaufen. Aber auch die anderen Partner der Zwangsfusion halten den neuen Fächerverbund für brandgefährlich. In einer Stellung nahme schreibt der Deutsche Verein zur Förderung des ma thematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts, Lan desverband Baden-Württemberg – Zitat –:

Aus unserer Sicht eignet sich das Fach Biologie in beson derer Weise als erstes eigenständiges naturwissenschaft liches Fach für die Klassen 5 und 6. Der enge Lebens weltbezug ermöglicht eine altersgemäße Einführung in die speziellen biologischen Arbeitsweisen. In Physik und Chemie ist die Situation aufgrund der kognitiven Entwick lung der Schülerinnen und Schüler eine andere. Für die se beiden Fächer hat sich das Fach Naturphänomene in seiner bisherigen physikalischen und chemischen Aus richtung sehr gut bewährt. Die an den Phänomenen ori entierte propädeutische Vorgehensweise erlaubt eine be hutsame Hinführung an die Denk- und Arbeitsweisen der Fächer Chemie und Physik. Im geplanten Fächerverbund mit der Biologie zusammen ist dies nicht mehr gewähr leistet.

Herr Kultusminister, warum setzen Sie sich über diese ge wichtigen Einwände der Fachleute aller beteiligten Fächer hinweg? Ich freue mich auf Ihre Antwort. Gerade im Zusam menhang mit der Erprobung des Bildungsplans wurden kriti sche Stimmen der Fachleute laut. Was also ist Ihr Motiv bei der Fächerfusion?

Blickt man nochmals auf die Gesamtkonstruktion des zukünf tigen Bildungsplans, so beginnt sich das Rätsel zu lösen. Bis lang hatte jede Schulart ihren eigenen Bildungsplan, sozusa gen ihr eigenes Grundgesetz. Der zukünftige Bildungsplan wird dagegen ein Einheitsbildungsplan sein; ähnliche Fächer verbünde finden sich bereits an Werkreal- und Realschulen und damit auch an der Gemeinschaftsschule.

Der neue Fächerverbund dürfte nichts anderes sein als ein Ausdruck des Vereinheitlichungssogs, der vom Einheitsbil dungsplan ausgeht. Das Argument hört sich ja auch erst ein mal ganz plausibel an: Dann können auch Lehrer mit der ent sprechenden Fächerverbundausbildung über die Schularten hinweg eingesetzt werden. Dabei hatte sich die Landesregie rung doch eigentlich vom Einheitslehrer auf Gymnasialniveau verabschiedet. Soll er nun durch die Hintertür wieder einge führt werden?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Der Preis des Fächerverbunds ist ein Verlust an Fachlichkeit, den die Fraktion der FDP/DVP nicht hinnehmen will. Namens unserer Fraktion fordere ich die Landesregierung nachdrück lich auf, auf die Einführung des Fächerverbunds „Biologie, Naturphänomene und Technik“ zu verzichten und es bei den Fächern Biologie und Naturphänomene zu belassen. Um dem Lehrermangel zu begegnen, sollten lieber mehr Möglichkei ten für Quer- und Direkteinstiege ins Lehramt für Mathema tiker und Naturwissenschaftler eröffnet werden, die keine pä dagogische Vorbildung mitbringen, aber offen für eine pädago gische Nachqualifizierung sind. Zusätzliche Möglichkeiten hierfür könnten sich auch bei der Umstellung der Lehramts studiengänge auf Bachelor und Master auftun, vorausgesetzt, man versteht sie zu nutzen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.