Protocol of the Session on May 7, 2015

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Stoch.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Erneut – es kann nicht wirklich überraschen, wenn man die Titel der Anträge der Oppositionsfraktionen liest – hat die CDU das Thema Gemeinschaftsschulen und ihr vermeintliches Wohl in den Blick genommen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, der CDU geht es bei dieser vermeintlichen Fürsorge nicht wirklich um die Gemeinschaftsschule

(Abg. Georg Wacker CDU: Es geht um die Kinder!)

und erst recht nicht um die Schülerinnen und Schüler an den Gemeinschaftsschulen.

(Abg. Georg Wacker CDU: Um die Kinder geht es!)

Vielmehr geht es der CDU wie immer nur darum, die Gemein schaftsschule als Projekt dieser Landesregierung in ein schlech tes Licht zu rücken. Letztlich sind Sie ein Teil des Problems, indem Sie nämlich die Gemeinschaftsschulen schlechtreden und damit die Eltern verunsichern, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Gleichzeitig wissen Sie – das ist das Problem an Ihrer Argu mentation –, dass Sie zwar an dem Projekt Gemeinschafts schule – wie an vielen Projekten – Kritik üben, aber kein ei genes Gegenmodell in der Hand haben. Das macht Ihre Kri tik, mit Verlaub, unglaubwürdig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir zum kom menden Schuljahr in Baden-Württemberg 271 Gemeinschafts schulen in Betrieb haben werden, die dann in Klasse 8 die Starterschulen sein werden – die anderen in Klasse 7, Klas

se 6 bzw. Klasse 5 –, haben sich 271 Kommunen – und zwar über alle Parteigrenzen hinweg – dafür entschieden, dieses pä dagogische Projekt, dieses pädagogische Konzept bei sich um zusetzen, weil es erstens eine Antwort auf die Frage ist, wie wir weiterführende Schulstandorte auch in ländlichen Räu men halten können, und zweitens, weil es auf die pädagogi schen Herausforderungen, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten ganz erheblich verändert haben, die richtige Ant wort ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und c, weil Sie keine andere Wahl haben!)

Herr Kollege Röhm, einfach zuhören.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe ja gar kei ne Wahl!)

Natürlich ist es so, dass die Gemeinschaftsschulen als Schul art den Anspruch haben, gymnasiales Niveau anzubieten, und das tun sie auch. Sie werden auch am neuen Bildungsplan ab lesen können, dass die Vermittlung des erweiterten, des E-Ni veaus natürlich auch und gerade Aufgabe der Gemeinschafts schulen ist.

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolle ginnen und Kollegen, die Förderung auf den verschiedenen Niveaustufen des neuen Bildungsplans wird Aufgabe in allen Schularten sein. Oder wollen Sie behaupten, dass wir Schü lerinnen und Schüler, die in einzelnen Fächern erhebliche Po tenziale haben, nur das niedrigere Niveau vermitteln können und wollen, wenn diese Schüler tatsächlich die Möglichkeit haben, das höhere Niveau zu erfüllen? Haben wir nicht alle den pädagogischen Anspruch, die Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wir schon!)

und möglichst an ein höheres Bildungsniveau heranzuführen? Das ist Teil des pädagogischen Konzepts an der Gemein schaftsschule, und ich meine, das ist Teil des pädagogischen Anspruchs aller Schulen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bekommen die Realschulen auch E-Niveau?)

Wenn wir dann darüber sprechen, mit welchen Angeboten wir das schaffen, dann werden die Lehrerinnen und Lehrer an den Gemeinschaftsschulen selbstverständlich den Anspruch ha ben, all ihren Schülerinnen und Schülern passgenaue und auf ihre Begabungen und Fähigkeiten zugeschnittene Lernange bote zu machen. Somit erhalten auch Schülerinnen und Schü ler auf gymnasialem Niveau ein entsprechendes Bildungsan gebot, und zwar unabhängig davon, wie viele Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe noch auf gymnasialem Niveau lernen. Selbst wenn nur eine Schülerin oder ein Schüler in ei ner Lerngruppe auf diesem Niveau unterrichtet werden kann, dann wird er oder sie dieses Angebot bekommen. Es lässt sich doch wohl nicht ernsthaft behaupten, dass das, was irgend wann einmal in der Grundschulempfehlung stand, für den ge samten weiteren Bildungsweg dieses Kindes das Bildungsni veau sein kann, in dem es in den verschiedenen Fächern lernt.

Ich glaube, es ist ein Irrglaube, diese Kategorisierung vorzu nehmen, die auch Kollege Schebesta vorhin vorgenommen hat,

(Beifall des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

indem er sagt, nur 9 % könnten gymnasiales Niveau erreichen.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Nein, nein!)

Dies ist falsch, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Röhm?

Ich möchte gern meine Rede weiterführen und werde am Ende auf die Frage von Herrn Kollegen Röhm zurückkommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen dürfen wir, wenn wir auch die Entwicklungsmöglichkeiten der Schü lerinnen und Schüler in den Blick nehmen, doch nicht skla visch daran hängen, wie die Einschätzung am Ende der Klas se 4 ist. Wenn wir einmal ganz ehrlich sind, dann kann es uns bei einem weiterhin bestehenden Angebot von Gymnasien und Realschulen – das wird auch in der Zukunft so sein – nicht wundern, dass Eltern auch diese Angebote für ihre Kinder in Anspruch nehmen. Aber dann stellt sich doch gerade die Fra ge, wie wir den Eltern auch vermitteln, dass ihre Kinder best mögliche Bildungschancen an den verschiedenen Schularten haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Gemeinschafts schule bietet eben auch leistungsstarken Schülerinnen und Schülern einen attraktiven und pädagogisch innovativen Bil dungsgang. Ich glaube, ich habe es heute Morgen auch aus geführt: Auch für die Gymnasien stellt sich doch – schauen Sie sich einmal die wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema an – nicht nur im Bereich der leistungsschwä cheren Schüler in der Lerngruppe am Gymnasium, sondern gerade für die leistungsstärkeren Schüler die Frage, wie wir diesen Schülern mit ihren pädagogischen Bedürfnissen ent sprechend begegnen und wie wir sie entsprechend fördern können.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, fangen Sie doch nicht erneut damit an, der Gemeinschaftsschule im Hinblick auf ihr pädagogisches Konzept die Möglichkeit ab zusprechen, anzubieten, auf den verschiedenen Niveaustufen zu lernen. Natürlich werden mit zunehmender Zahl der Schü lerinnen und Schüler auch mehr Lehrkräfte, und zwar auch mit gymnasialer Lehrbefähigung, an den Gemeinschaftsschu len unterrichten.

Aber die beiden Anträge, die heute Gegenstand sind, stam men aus den Monaten März und April des Jahres 2014. Da gab es Gemeinschaftsschulen – 128 an der Zahl –, die entwe der in den Klassen 5/6 oder nur in Klasse 5 unterwegs waren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Sie dort noch keine gymnasialen Lehrkräfte mit ihrem vollen Deputat ein setzen können, sondern die Lehrkräfte ihren Unterricht sehr oft auch über Abordnungen und Teildeputate machen, und

dass Sie dort auch Realschullehrer haben, die ja sogar an den allgemeinbildenden Gymnasien in Sekundarstufe I ohne for male gymnasiale Lehrbefähigung unterrichten – was völlig zulässig ist und auch während Ihrer Regierungszeit so üblich war –, lässt doch nicht wirklich den Schluss zu, dass an der Gemeinschaftsschule nicht auch das erweiterte Niveau unter richtet werden könnte. Das heißt, Ihre Argumentation geht an dieser Stelle vollkommen ins Leere, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Natürlich leistet die steigende Zahl der Lehrerinnen und Leh rer mit gymnasialer Lehrbefähigung – neben den anderen Leh rerinnen und Lehrern – dort einen wichtigen Beitrag dazu, die se Vielfalt an der Gemeinschaftsschule auch abbilden zu kön nen.

Im Mai 2014 haben noch 106 Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer an den 128 Gemeinschaftsschulen unterrich tet. Inzwischen ist die Zahl auf 237 Lehrerinnen und Lehrer gestiegen, hat sich damit also mehr als verdoppelt. Es wird natürlich in der Zukunft so weitergehen. Denn das gymnasi ale Bildungsangebot ist ein essenzieller Teil des Bildungsan gebots der Gemeinschaftsschulen.

Herr Kollege Schebesta, ich weiß wirklich nicht, warum von Ihnen eine weitere Verschwörungstheorie aufgestellt wurde: Heute Morgen war es das Gymnasium, jetzt wurde von Ihnen behauptet, es sei geplant, die Realschule quasi zu beseitigen, plattzumachen oder wie auch immer.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Ich glaube, Sie sollten einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass auch zukünftig Schülerinnen und Schüler an Realschu len, die genauso wie bisher auf der Ebene des mittleren Bil dungsniveaus lernen und gefördert werden können, sowie auch Schülerinnen und Schüler, die die Gemeinschaftsschule besuchen, die vielleicht auch dort auf mittlerem Bildungsni veau ihre Leistungen bringen und die mittlere Reife dort ab solvieren, den Zugang zu beruflichen Gymnasien haben kön nen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich mir die Zahlen dort anschaue, dann verstehe ich dieses Szenario, das Sie hier gezeichnet haben, schon gar nicht. Am Ende Ihrer Re gierungszeit erhielten an den beruflichen Gymnasien 69,6 % der Bewerber einen der tatsächlich verfügbaren Plätze. Das heißt, von 100 Bewerbern haben dort nur 70 Bewerber einen Platz bekommen, nicht ganz 70. Inzwischen ist dieser Anteil mit den von uns geschaffenen zusätzlichen 150 Eingangsklas sen auf 91,6 % gestiegen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: Wow!)

Das heißt, fast jeder Bewerber bekommt auch einen Platz an den beruflichen Gymnasien, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das heißt: Was soll diese Geschichte, die Sie hier er zählen, dass der Weg über die Realschulen oder Gemein schaftsschulen und die beruflichen Gymnasien zukünftig ver baut wäre?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch dieser Vorwurf, den Sie hier erheben, fällt bei näherer Betrachtung in sich zu

sammen. Deswegen, glaube ich, sollten Sie aufhören, mit die ser Art von Debatten, die nur dazu da sein sollen, eine schu lische Innovation, die in diesem Land von vielen Kolleginnen und Kollegen getragen wird, die von vielen Eltern gewünscht wird, ständig schlechtzureden. Lassen Sie den Kindern in Ba den-Württemberg, lassen Sie den Schülerinnen und Schülern auch an der Gemeinschaftsschule dieses pädagogische Ange bot. Natürlich wird auch diese Schulart den Nachweis zu füh ren haben, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler zu guten Schulabschlüssen führt. Ich kann Ihnen versichern, das wird sie auch tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Abg. Röhm, bitte.

Herr Minister, erstens: Wie sieht es mit der Frage hinsichtlich der 150 Schüler in der Ein gangsklasse von der Gemeinschaftsschule aus, die vorhin ge stellt wurde?

Zweitens: Die Realschüler sorgen für über die Hälfte der er folgreichen Abschlüsse im Abitur. Sie tun das mit einem M-Niveau und darauf aufbauend an einem beruflichen Gym nasium, die Besten auch in einem allgemeinbildenden Gym nasium. Wieso wollen Sie zukünftig den Realschulen ein E-Niveau vorenthalten, und weshalb bedarf es angesichts die ser Tatsache überhaupt eines E-Niveaus an der Gemeinschafts schule?