Protocol of the Session on April 16, 2015

Wir fordern Sie auch auf, die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konsequent durchzusetzen, wo nach schon die Mitgliedschaft in bestimmten Rockergruppen ausreicht, um Waffenerlaubnisse zu versagen. Das bedeutet, man kann auf der Basis der aktuellen Rechtsprechung Anträ ge auf Waffenerlaubnisse konsequent ablehnen und bestehen de Erlaubnisse, sollte es sie geben, konsequent widerrufen. Tun Sie das bitte. Die bloße Mitgliedschaft in bestimmten Ro ckergruppen reicht dazu aus.

Im Land wurden bereits, auch von Ihnen, Verbote von Rocker gruppierungen ausgesprochen. Das begrüßen wir. Wir müs sen den Rockern aber auch ihre Symbole nehmen, liebe Kol leginnen und Kollegen. Das Zeigen von Rockersymbolen, Ro ckerkutten, Rockerkennzeichen muss unterbunden werden; denn damit identifizieren sich diese Leute. Wenn die martia lischen Symbole der Einschüchterung aus der Öffentlichkeit verbannt sind, dann sind die Rocker an einer ganz empfindli chen Stelle getroffen. Auch das würde helfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Innenminister Gall, die CDU unterstützt Sie im Kampf gegen die Rocker kriminalität. Aber lassen Sie bitte Ihren Worten auch konkre te Taten folgen, Kollege Sakellariou.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort dem Kollegen Sckerl.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kolle gen! Wir haben eine gemeinsame Lageeinschätzung: Die Ro ckerkriminalität ist eine Herausforderung.

Herr Kollege Blenke, ich finde, es lohnt sich, das Thema ein mal zu betrachten, zu analysieren, sich die polizeilichen Hand lungskonzepte anzusehen und nicht eine missglückte Debat te über die Innenpolitik von Baden-Württemberg insgesamt anzuzetteln. Das wird dem Thema nicht gerecht.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das ist keine missglückte Debatte, das ist eine missglückte Innen politik! – Abg. Thomas Blenke CDU: Wir haben es nicht beantragt!)

Die Rockerkriminalität ist keine Petitesse, vor allem nicht im mittleren Neckarraum. Reden Sie einmal mit Bürgerinnen und Bürgern. Sie sind einerseits irritiert über Aufmärsche, ande rerseits froh und dankbar, dass die Polizei entschlossen han delt. Das ist die wichtige Botschaft dieser Debatte: Sowohl die Stuttgarter Polizei als auch die Landespolizei sind sehr wohl in der Lage, adäquat, angemessen, wirksam und erfolg reich mit der Rockerkriminalität umzugehen. Das hat man in den letzten Wochen gesehen, und das wird auch in den nächs ten Wochen so sein. Unsere Botschaft ist: keine rechtsfreien Räume für Rockerbanden in Stuttgart und anderswo in Ba den-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie fallen natürlich auf, und es hat auch eine neue Qualität. Das macht diese Debatte sinnvoll. Früher gab es bei Bürge rinnen und Bürgern oft den Reflex: „Das sind junge Halbstar ke, die sich irgendwie abschleifen müssen; sollen sie sich doch den Schädel einschlagen, das renkt sich schon ein.“ Das war einmal. Es gibt – da hat der Kollege Sakellariou völlig recht – keinen Hauch von Romantik mehr. „Born to be wild“ ist Vergangenheit.

(Zurufe von der CDU)

Das spielt im Alltag keine Rolle mehr. Wir befinden uns im Bereich der organisierten Kriminalität. Das müssen wir schlicht und ergreifend zur Kenntnis nehmen. Wir sind in Stuttgart und im mittleren Neckarraum, wenn die Polizei nicht energisch handelt, bei der Vorstufe zum offenen Bandenkrieg in unseren Straßen. Das wäre möglich. Die Polizei schreitet dagegen ein. Sie muss derzeit mit großem Aufgebot aufmar schieren, um zum Teil bewaffnete Auseinandersetzungen zwi schen rivalisierenden Rockerbanden zu verhindern. Das war die Situation in den letzten Wochen. Das ist eine Herausfor derung, der wir uns stellen müssen.

Wie gesagt, es geht um organisierte Kriminalität. Das kann man im Internet sehen. Sie haben Internetforen. Sie verabre den sich und drohen sich auch im Voraus gegenseitig Gewalt an. Sie kämpfen um Einflusssphären im Bereich der Disko theken, der Türsteher, der Drogenkriminalität, aber auch des Waffenhandels und – das hat der Kollege Sakellariou zu Recht gesagt, weil es besonders verabscheuungswürdig ist – der Zwangsprostitution von jungen Mädchen und Frauen, die in der Regel aus osteuropäischen Ländern kommen. Es geht um Geschäfte, die in hohem Maß illegal und verwerflich sind. Da gegen müssen wir uns aufstellen. Dieses Phänomen ist neu.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Aber wir sollten zwischen den verschiedenen Aufgabenfel dern der Polizei fein unterscheiden, Kollege Blenke.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt verstehe ich Sie! Sie wollen keine V-Leute, Sie finden alles im In ternet und in der Zeitung!)

Wir sollten heute feststellen, dass unsere Polizei im Kampf gegen Rockerkriminalität gut aufgestellt ist, dass die Bürge rinnen und Bürger das sichere Gefühl haben können, dass die Rockerkriminalität nicht zu einer Bedrohung der inneren Si cherheit, ihrer persönlichen Sicherheit wird.

Ich glaube, dass mit der Polizeireform auch im Hinblick auf die bereits angesprochenen Sachbearbeiter das Richtige ge macht worden ist. Es ist ein Netzwerk zur Bekämpfung der Rockerkriminalität in der Fläche des Landes entstanden. Die ses Netzwerk wirkt auch. Es ist eng verknüpft mit den Beob achtungen zum Bereich der organisierten Kriminalität. Denn darum handelt es sich im Kern.

Ich meine, wir können heute guten Gewissens sagen, dass wir uns in dieser wichtigen Auseinandersetzung hinter unsere Po lizei stellen. Das tun wir. Wir sind nicht bereit, rechtsfreie Räume, Einflusssphären für illegale Geschäfte zu tolerieren. Wir meinen, dass die Stuttgarter Polizei und die Landespoli zei das Problem klar identifiziert haben.

Herr Kollege Blenke, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt müs sen wir unseres Erachtens ganz bestimmt nicht über die Ein richtung von Waffenverbotszonen in Stuttgart oder anderswo im mittleren Neckarraum reden. Die Polizeibeamtinnen und -beamten schützen uns und die Bürgerinnen und Bürger im Kampf gegen diese Kriminalität. Für diese schwierige Tätig keit gebührt ihnen heute unser ausdrücklicher Dank und un ser Respekt.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir dürfen nicht zulassen – auch darum geht es –, dass die Polizei in der Auseinandersetzung mit diesen Rockern oder rockerähnlichen Gruppierungen – oder auch in anderen Aus einandersetzungen, beispielsweise mit gewaltbereiten Hooli gans im Fußball – zur Projektionsfläche von Hass wird. Auch deshalb müssen wir uns in dieser Frage hinter die Polizei stel len.

Das staatliche Gewaltmonopol – auch darüber gibt es keinen Dissens in unserer Diskussion – ist eine wichtige demokrati sche Errungenschaft. Es steht uns gut an, diese auch heute ge meinsam zu verteidigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Wenn wir den Titel dieser Debatte so formulieren: „Null Toleranz bei Bandenkriminalität, null To leranz bei gewalttätiger Bandenkriminalität, keine rechtsfrei en Räume“, dann sind wir uns hier tatsächlich alle einig, so dass man schon einmal nach dem Sinn dieser Debatte fragen darf, wie es Herr Kollege Blenke gemacht hat.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Ich würde jedoch den Titel etwas anders fassen. Das haben Sie bereits gehört. Darauf komme ich im zweiten Teil noch zu sprechen. Zunächst möchte ich noch etwas auf die Sinnfor schung eingehen, was man mit einer solchen Debatte erreicht oder nicht erreicht.

Wie Sie wissen, gibt es das Muster, dass man eine vorhande ne Gefahr in den schwärzesten Farben schildert und gleich zeitig schon den Retter im Blick hat, der dann in der Situati on helfen kann. Bei diesem häufig verwendeten Muster ist es ziemlich durchsichtig, dass am Ende meist ein Innenminister der Retter ist. In diesem Fall soll es Herr Gall von der SPD sein.

Diese Strategie hat aber auch etwas Gefährliches. Wenn Sie in die verbale Schublade greifen und hier sagen, es lasse sich eine neue Dimension der Gewaltbereitschaft erkennen, dann ist das schlicht und einfach übertrieben. Ich glaube nicht, dass wir uns in einer neuen Dimension der Gewaltbereitschaft be wegen. Wer aber so etwas behauptet, macht den Leuten na türlich auch Angst. Das wundert mich etwas bei der SPD, wo doch die Kriminologen seit Jahren feststellen, dass die Leute meinen, es gäbe immer mehr Delikte. In Wirklichkeit trifft dies aber gar nicht zu. Hier entsteht nun der Eindruck, als wür den Rockerbanden sich bei uns beliebig bewegen und Leute zusammenschlagen.

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Das ist aber nicht so.

Es gibt ein Geschehen, das wir verhindern wollen, Umtriebe, die wir konsequent verhindern wollen. Darin sind wir uns auch völlig einig. Man darf aber trotzdem zur Kenntnis neh men, dass vor Kurzem an einem Sonntag eine Riesenaktion gegen rivalisierende Rockerbanden durchgeführt wurde. In

der Stadt wurde der Verkehr komplett lahmgelegt. Gefunden wurden aber Dinge, die eigentlich eher an ein Jugendzeltla ger erinnern. Wenn Sie durch zwei Stuttgarter Diskotheken ziehen, finden Sie wahrscheinlich mehr als in diesem Fall. Ge funden wurden nämlich zwei Messer, ein Teleskopschlagstock sowie Pyrotechnik. Derjenige mit der Pyrotechnik war viel leicht gerade zum VfB unterwegs und hat nicht gemerkt, dass kein Spiel stattfindet.

(Heiterkeit bei der CDU – Abg. Nikolaos Sakella- riou SPD: Das ist Verharmlosung!)

Ich bin dafür, dies ernst zu nehmen, es aber auch nicht zu hoch zu hängen, wie das aus möglicherweise durchsichtigen Moti ven getan wird.

Nun zum zweiten Teil: Ich habe auch kein besonders gutes Gefühl dabei, diese Debatte verbal so zu fassen, dass immer von Rockerkriminalität gesprochen wird. Herr Sakellariou, Sie haben beispielsweise alle Formen der Bandenkriminalität aufgezählt und alles den Rockern angehängt, übrigens auch Deliktsbereiche, in denen sie nach Expertenwissen eigentlich kaum auftauchen. Man muss auch wissen, dass manche Leu te wahrscheinlich wirklich so naiv sind, zu denken, jeder Mo torradfahrer neige tendenziell zur Gewalt, zumindest aber je der Harley-Fahrer. Das ist alles reichlich oberflächlich.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Auch nicht jeder Kuttenträger ist gefährlich. Da sehe ich manchmal auch eine Parallele zur Tierwelt. Da gibt es auch das Phänomen, dass manche Exemplare, die ganz besonders gefährlich aussehen, es in Wirklichkeit gar nicht sind. Denn es ist ihre Strategie, ganz besonders gefährlich auszusehen, damit sie nicht ganz besonders gefährlich sein müssen.

(Zuruf von der SPD: Mimikry!)

Dieses Phänomen des martialischen Aussehens sofort in die Ecke des kriminellen Milieus zu schieben halte ich im Grun de genommen für einen falschen Ansatz, ebenso wenn dann gleich von Verboten wie einem Kuttenverbot gesprochen wird. Dann muss man wieder definieren, was noch eine Kutte ist und was keine Kutte ist. Man muss immer überlegen, auf wel chen Weg man sich begibt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Dieser Weg kann nur heißen: keine rechtsfreien Räume. Wir sind gegen alle Formen der Gewaltkriminalität von Banden, egal, in welchen Erscheinungsformen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wir wollen im Einzelnen aber auch analysieren, und wir wol len uns nicht zu Fehlschlüssen verleiten lassen.

Wenn Sie übrigens keine Fehlschlüsse ziehen wollen, müssen Sie auch erwähnen, dass bei dem aktuellen Geschehen im Ro ckerbereich, das uns jetzt neuerdings beschäftigt, nahezu durchgängig ein Migrationshintergrund festzustellen ist, säu berlich aufgestellt nach Nationen. Der Vollständigkeit halber muss man das auch erwähnen, um die Phänomene richtig ein zuschätzen.

Man muss daher in der Tat alle Register des Rechts ziehen, die uns zur Verfügung stehen, ob das nun Polizeirecht, Ver einsrecht oder Ausländerrecht ist.

Nur, lieber Herr Sakellariou, was Sie zum Waffenrecht gesagt haben, hat mir z. B. gezeigt, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben, wie heute die Hürden sind, um legal zu einer Waffen besitzkarte zu kommen.