Protocol of the Session on April 15, 2015

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion der SPD erteile ich das Wort der Kollegin Rolland.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits vor 150 Jahren hat ein amerikanischer Journalist Lärm als „Gestank im Ohr“ und „Hauptergebnis“ der Zivilisation definiert. Heute wissen wir – wissenschaftlich belegt –: Lärm macht krank. Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um Lärm, der von Kindern ausgeht – in Kin dergärten, auf Spielplätzen oder auch auf Bolzplätzen –, son dern es geht um den Lärm, den es in den Innenstädten in den frühen Morgenstunden durch Partys gibt; es geht um Baulärm – den wir derzeit selbst im Abgeordnetenhaus „genießen“ kön nen –, und insbesondere geht es um den Verkehrslärm, der von der Straße und von der Schiene ausgeht.

Schlimm ist, dass viele Menschen, die genau an diesen Stre cken wohnen, oft sagen: Das höre ich schon lange nicht mehr. Daran habe ich mich gewöhnt. Das macht mir doch gar nichts mehr aus.

Zugegeben: Mir geht es ähnlich. Wenn ich im Urlaub bin und keinem Stadtlärm ausgesetzt bin, brauche ich eine Nacht, um mich zu akklimatisieren. Offensichtlich ist es so, dass man Stille nicht mehr gewohnt ist.

Überall dort, wo Menschen durch ihr Verhalten nicht direkt Einfluss nehmen können, muss der Staat handeln. Das gilt vor allem für den Lärm. Wir sind dafür verantwortlich und dazu aufgerufen, das zu tun, was nötig ist, um das Wohlbefinden sicherzustellen und um Gesundheitsvorsorge zu betreiben. Das ist beim Lärm besonders wichtig.

Hierzu möchte ich ein paar Beispiele nennen: Die SPD – egal, ob auf kommunaler, regionaler oder auf Landesebene – war immer der Auffassung, dass der Schienenbonus abgeschafft werden muss. Dies ist nun gelungen. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Lärmschutz. Ferner ist es endlich gelun gen, den Einsatz von Waggons mit Flüsterbremsen durchzu setzen. In manchen Ländern ist das schon lange Standard. Au ßerdem ist es hier im Land in mehreren Projekten gelungen, beim Straßenbau dauerhaft Flüsterasphalt einzusetzen.

Bitte gestatten Sie mir im Zusammenhang mit der Schiene und dem Schienenbonus auch einen Blick auf die Rheintal bahn. Die betroffenen Menschen entlang der Strecke haben es nicht nur geschafft, durchzusetzen, dass der Schienenbonus fällt, sondern auch, dass wir hier im Haus deutlich machen, wie wichtig uns der Lärmschutz ist. Wir haben uns entschie den, die Hälfte der Kosten für die zusätzlichen Lärmschutz maßnahmen – die andere Hälfte übernimmt der Bauträger, die Deutsche Bahn – mitzufinanzieren. Dies ist hervorragend in die Gesundheitsvorsorge investiertes Geld.

Herr Schreiner, wir haben nicht einfach nur einen Staatsver trag unterschrieben, wie es die frühere Landesregierung fast schon getan hätte, sondern wir haben deutlich Nein gesagt und entschieden, gemeinsam auf die Reise zu gehen und im Bund dafür Sorge zu tragen, dass darüber nachgedacht wird, wie ein Staatsvertrag zum Schutz vor Fluglärm zwischen der Schweiz und Deutschland ausgestaltet werde könnte. Pate dafür könn te der Lärmaktionsplan für den Flughafen Stuttgart sein.

Die Drucksache, über die wir heute diskutieren, ist ein Drei vierteljahr alt. Deshalb richte ich an die Lärmschutzbeauftrag te, die sicher nachher noch sprechen wird, die Frage, was in den vergangenen neun Monaten zu diesem Thema passiert ist.

Herr Schreiner, beim Thema „Geschwindigkeitsbegrenzung in Ortsdurchfahrten“ wollen Sie bedauerlicherweise nicht wei ter gehen. Die SPD ist jedoch schon lange der Auffassung, dass Tempo 30 nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Leichtigkeit des Verkehrsflusses geboten ist, sondern auch aus Gründen der Rücksichtnahme auf das Wohnen, die Aufenthaltsqualität und das Wohlbefinden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Eine integrierte Stadtentwicklung, eine integrierte Verkehrsent wicklung, kurze Wege und die Stärkung der ÖPNV-Anbin dung von Stadtteilen an das Zentrum, all das sind doch vitale Interessen auch der Städte und Gemeinden.

Das heute vorgelegte Lärmkonzept ist die richtige Antwort und weist in die richtige Richtung. Die SPD-Fraktion unter stützt dieses Konzept.

Abschließend möchte ich zwei Fragen an die Staatssekretärin und Lärmschutzbeauftragte Frau Dr. Splett richten. Erstens: Was passiert eigentlich mit den vielen Berichten, die wir er arbeiten und an die EU-Kommission schicken? Zweitens: Nehmen wir eigentlich alle Möglichkeiten wahr, um die Men schen über die bestehenden Lärmschutzmaßnahmen zu infor mieren und über die schädigenden Auswirkungen des Lärms aufzuklären?

Ich schließe mit einem Zitat von Kurt Tucholsky:

Es gibt vielerlei Lärm. Aber es gibt nur eine Stille.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich dem Kollegen Haußmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lärm wirkt auf Körper und Geist und kos tet Geld. Meine Vorrednerin und meine Vorredner sind bereits auf die Gesundheitsbeeinträchtigungen, die vom Lärm ausge hen, eingegangen. Insoweit kann ich mir das zumindest zum Teil sparen.

Wir sind uns sicherlich auch darin einig, dass der Lärmschutz seit vielen Jahren ein herausragendes politisches Thema dar stellt. Lärmschutz wird im Land aber nicht erst seit Grün-Rot als politisches Thema wahrgenommen. Kollege Schreiner hat das auch dargestellt. Ich will darauf noch einmal eingehen, weil sich die FDP im Bund vehement und letztendlich auch erfolgreich für die Abschaffung des Schienenbonus eingesetzt hat.

An dieser Stelle will ich kurz erläutern: Man mag meinen, 5 dB(A) mehr oder weniger machten nicht viel aus. Wenn man aber nachts statt 50 dB(A) 55 dB(A) ertragen muss, ist das Ri siko doppelt so hoch, an Bluthochdruck zu erkranken. Das zeigt, dass eine Reduzierung um 5 dB(A) einen ganz wichti gen Schritt darstellt, um den Schienenverkehr für die betrof fenen Menschen erträglicher zu machen.

Die FDP hat sich für den Einstieg in ein System lärmabhän giger Trassenpreise eingesetzt. Das ist mittlerweile gang und gäbe.

Ich darf hinzufügen: Wir kümmern uns nicht nur um den hör baren Schall. Insofern wünschen wir uns, dass sich die Lan desregierung wesentlich intensiver mit dem Infraschall bei Windkraftanlagen beschäftigt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Bei der Rheintalbahn ziehen alle vier Fraktionen an einem Strang. Das war nicht immer so. Ich darf daran erinnern, dass der damalige Wirtschaftsminister Ernst Pfister im Jahr 2004 heftig für seinen Vorschlag kritisiert worden ist, dass sich das Land hälftig an den Mehrkosten beteiligt, die über das gesetz lich Gebotene hinausgehen. Wir wissen, dass es eigentlich Aufgabe des Bundes ist, Lärmschutzmaßnahmen zu finanzie ren.

Letztlich ist jedoch Einvernehmen über diesen Pfister-Vor schlag erzielt worden und hat das Land den Fuß in die Tür be kommen, sodass Beschlüsse des Projektbeirats umgesetzt wurden und damit die entsprechenden Voraussetzungen an der Rheintalbahn geschaffen werden konnten, um die Mehrkos ten zu finanzieren.

Beim Antrag geht es im Wesentlichen um die Broschüre zum Lärmschutz in Baden-Württemberg vom April vergangenen Jahres. Darin werden zweifelsohne viele wichtige Themen an gesprochen. Interessant ist aber das, was nicht darin steht: Es gibt keine Aussage dazu, was die neu eingerichtete Geschäfts stelle der Lärmschutzbeauftragten bewirkt hat, die seit diesem Doppelhaushalt vom Steuerzahler finanziert wird. Nirgendwo wird das erwähnt. Kollege Marwein hat die 23 Millionen € angesprochen. Nirgendwo steht, wie die Umsetzung der zwei ten Stufe des Lärmsanierungsprogramms finanziert werden soll.

Der Bund weist hierfür gesonderte Mittel aus. Wir haben es gehört. In unserem Staatshaushaltsplan herrscht hierzu aber Fehlanzeige. Daher können wir nur feststellen: Es werden vie le gefällige Dinge in die Auslage gelegt; finanzieren und be zahlen sollen das aber offenbar andere.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Die Stellungnahme zu diesem Antrag ist ein Universum des Unverbindlichen. Liebe Frau Staatssekretärin Splett, sagen Sie doch ganz konkret, was in Euro und Cent für die Förde rung zur Verfügung steht. Klarheit und Transparenz sind an dieser Stelle angebracht. Vielleicht können Sie es dann auch noch priorisieren und sagen, wie lange das alles dauern soll.

Lärmschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird natürlich auch mit Ortsumfahrungen erreicht. Die Maßnahmenliste im Generalverkehrsplan wurde von über 700 auf 123 Maßnah men zusammengestrichen. Aber jede Ortsumgehung, die in Baden-Württemberg realisiert wird, ist auch eine Unterstüt zung für den Lärmschutz für die Menschen in den betroffe nen Städten und Gemeinden.

Noch schlimmer wird es, wenn man einen Lärmaktionsplan für eine Ortsdurchfahrt verlangt, statt eine bereits hoch prio risierte Ortsumgehung zu forcieren. Mit einer realisierten Ortsumgehung könnte man sich nämlich viele Lärmschutz

maßnahmen sparen. Aber da kommt ein Stück weit auch die Einstellung des Verkehrsministers zum Tragen, die er – wir haben es gestern im Pressespiegel gelesen – im „Reutlinger General-Anzeiger“ geäußert hat. Der Verkehrsminister hat, als er auf das autonome Fahren angesprochen wurde, gesagt, ra tional denkende Menschen kauften sich in Zukunft kein Au to mehr. Dazu muss ich sagen: Lieber Herr Verkehrsminister, Sie sägen wieder einmal an dem Ast, auf dem Baden-Würt temberg sitzt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie Lärmschutz auf diesem Weg erreichen wollen, ist das, denke ich, der falsche Weg. So sorgen Sie dafür, dass Ba den-Württemberg wirtschaftlich in die falsche Richtung läuft.

Lärm wirkt auf Körper und Geist und kostet Geld.

Das ist ein Zitat des BUND aus dem Jahr 2004.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Staatssekretärin Dr. Splett.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu nächst einmal für diesen Antrag und für die Platzierung im Vormittagsprogramm des Landtags bedanken. Das ist, finde ich, ein guter Ansatz, um die Bedeutung des Lärmschutzes hier in Baden-Württemberg nochmals zu unterstreichen.

Das Thema, über das wir hier reden, ist für viele Menschen in Baden-Württemberg von sehr großer Bedeutung. Wir wissen aus der Lärmkartierung des Jahres 2012, dass über 280 000 Bürgerinnen und Bürger einem nächtlichen Lärmpegel von über 55 dB(A) an Hauptverkehrsstraßen ausgesetzt sind. Seit Ende letzten Jahres wissen wir, dass noch einmal etwa die gleiche Zahl von Lärmbetroffenen an Haupteisenbahnstrecken hinzukommt.

55 dB(A) in der Nacht ist ein Wert, der unter dem Gesichts punkt potenzieller Gesundheitsgefährdungen unterschritten werden sollte. Deswegen ist es richtig, dass die Landesregie rung einen Schwerpunkt auf das Thema Lärmschutz gesetzt hat. Uns ist der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor ge sundheitsschädlichem Lärm ein ganz wichtiges Anliegen. Das ist einer der Schwerpunkte dieser grün-roten Regierung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Gleich am Anfang wurde das auch dadurch deutlich gemacht, dass die Funktion einer Lärmschutzbeauftragten geschaffen wurde und diese Funktion auch an der richtigen Stelle, näm lich im Verkehrsministerium, angesiedelt wurde, weil Ver kehrslärm ein ganz wichtiges Problem ist. Die Geschäftsstel le gibt es seit dem vergangenen Jahr – das wurde schon ange sprochen –; sie ist schlank aufgestellt und besteht aus drei Mit arbeitern, von denen einer schon vorher am Thema Lärm ge arbeitet hat. Die Geschäftsstelle hat die Aufgabe, alle entspre chenden Aktivitäten zu koordinieren.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wer hat denn den Brief geschrieben?)

Zu diesen Aktivitäten möchte ich jetzt noch einiges sagen:

Unser Ziel ist es, die vorhandenen Lärmschwerpunkte zu iden tifizieren, zu entschärfen und, wo möglich, auch zu beseitigen und gleichzeitig die Entstehung neuer Lärmschwerpunkte im Land zu verhindern. Es geht auch darum, ruhige Gebiete zu schützen. Es wurde mehrfach angesprochen: Ruhe ist kostbar. Es geht also nicht nur um die hohen Lärmwerte, sondern auch darum, die Stille, die Ruhe zu schützen.

Um das zu erreichen, haben wir mehrere Ansatzpunkte. Wich tig ist aus unserer Sicht, dass wir den bestehenden Rechtsrah men im Sinne des Lärmschutzes der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nutzen; ferner wollen wir den Rechtsrahmen, insbesondere den bundesrechtlichen Rahmen, aber auch än dern, und zwar ebenfalls im Sinne eines verbesserten Lärm schutzes.