Protocol of the Session on March 25, 2015

Wir sollten die Fakten noch einmal analysieren. Der größte Teil dieser Differenz von 22 % resultiert daraus, dass sich Frauen und Männer in der Berufsorientierung, der Berufswahl und der Berufstätigkeit völlig unterscheiden.

Ich weiß nicht, wann Sie morgens in Ihr Büro im Haus der Abgeordneten kommen; ich bin oft morgens um halb sieben da.

(Zuruf von den Grünen: Och! – Abg. Walter Heiler SPD: Senile Bettflucht!)

Ich kenne inzwischen zumindest die Reinigungskräfte, die bei uns tätig sind. Das sind überwiegend Frauen. Das passt zu der Statistik: 85 % der Beschäftigten im Reinigungsgewerbe sind Frauen. Im Einzelhandel sind es 75 %.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Was wollen Sie da mit sagen?)

Im Bereich der Informationstechnologie ist es gerade anders herum: Dort sind derzeit 82 % der Beschäftigten Männer. Bei den Industriearbeitsplätzen liegt der Männeranteil bei 75 %.

Nach einer Bereinigung dieser Daten – das finden Sie auch beim Statistischen Bundesamt; auch Ihre Familienministerin hat diese Zahlen – liegt die Differenz noch bei 7 bis 8 %.

(Abg. Anneke Graner SPD: Ist das nicht so schlimm?)

Wenn Sie den nächsten Schritt machen und familienbedingte Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit berücksichtigen, stel len Sie fest, dass Frauen häufiger solche Erwerbsunterbre chungen haben. Wenn Sie das saldieren, kommen Sie noch auf eine Differenz von 2 %.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Zu den folgenden Fragen gibt es keine Untersuchungen – das wäre vielleicht auch interessant –: Wie verhalten sich Män ner, wie verhalten sich Frauen, wenn es darum geht, den Job aus Karrieregründen zu wechseln, ihn schneller zu wechseln? Welche Schwerpunkte werden beim Entgelt und den anderen Rahmenbedingungen gelegt? Das wollen wir hier gar nicht weiter analysieren.

Das, was Sie hier vorbringen – Frau Mielich hat die verschie denen Bereiche angesprochen –, werden Sie mit dem Entgelt gleichheitsgesetz doch nicht ändern. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. So kommen Sie doch bei dem Thema, das wirklich wichtig ist, überhaupt nicht weiter. Mit dem Entgeltgleich heitsgesetz werden Sie das in dieser Form nicht lösen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Sie verlangen von den Unternehmen, verbindliche Regulari en einzuführen, um die Entgelte sauber nachweisen zu kön nen. Wenn Sie heute in die Betriebe gehen, sehen Sie dort die Komplexität, die Individualisierung und die Spezialisierung. Die Personalabteilungen sind mit Sicherheit mit einem erheb lichen Aufwand konfrontiert.

(Zuruf der Abg. Anneke Graner SPD)

Es gibt heute genügend Gesetze, die Lohndiskriminierung ver hindern. Es gibt Artikel 3 des Grundgesetzes. Es gibt seit zehn Jahren das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz; dort ist in § 7 das Benachteiligungsverbot ganz klar aufgeführt. Es gibt Artikel 141 des EG-Vertrags. Es gibt die Tarifverträge. Es gibt also genügend Möglichkeiten. Es braucht kein Entgeltgleich heitsgesetz in Baden-Württemberg und in Deutschland.

(Abg. Anneke Graner SPD: Artikel 3!)

Das würde uns nur wesentlich mehr Bürokratie bringen. Sie gängeln die Wirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. An neke Graner SPD: Was wollen Sie denn machen? – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Was wol len Sie denn anders machen?)

Jetzt komme ich dazu, Frau Kollegin Graner, was man anders machen kann

(Abg. Anneke Graner SPD: Ja! Da bin ich gespannt!)

und welche Aufgaben die Politik hat. Der erste Punkt ist die Frage: Was kann die Politik dafür tun, dass man die Berufsorientierung aufgreift?

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das fra gen wir Sie! – Zuruf der Abg. Anneke Graner SPD)

Wenn wir uns anschauen, welche Ausbildungsberufe junge Menschen erlernen, stellen wir fest: In der Statistik für die männlichen Jugendlichen finden sich unter den ersten 15 Be rufen vier Berufe der Metall- und Elektroindustrie. Bei den Frauen findet sich der erste Beruf der Metall- und Elektroin dustrie, nämlich Industriemechanikerin, auf Platz 47.

Wir müssen doch dabei ansetzen, Frauen dafür zu motivieren und zu gewinnen, mehr technische Berufe zu wählen.

(Zurufe von den Grünen und der SPD – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Da gibt es Ansätze.

(Abg. Anneke Graner SPD: Das ist doch nicht die Lö sung!)

Es gibt beispielsweise eine Aktivierung der Kontaktstellen „Frau und Beruf“. Es gibt Projekte im MINT-Bereich. Es gibt zahlreiche Maßnahmen, die aber noch wesentlich stärker in tensiviert werden müssen. Das ist einer der Punkte.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Der zweite Themenbereich – da haben Sie durchaus auch Ak zente gesetzt; Kollegin Mielich hat es angesprochen; sehen wir einmal davon ab, woher man die Finanzierung genommen hat – ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wissen, dass 70 % der erwerbstätigen Frauen bzw. Mütter in Teilzeit arbeiten.

(Glocke des Präsidenten)

Wir müssen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frau en stärken, damit sie wieder mehr von Teilzeit in Vollzeit wechseln können.

(Glocke des Präsidenten)

Bei der Anzeige meiner Redezeit ist vorhin etwas völlig durcheinandergegangen. Deshalb lasse ich die Frage von Herrn Binder nicht zu.

(Abg. Sascha Binder SPD: Das war Frau Graner!)

Ich weiß nicht genau, wie viel Zeit ich noch habe.

Herr Kollege Haußmann, das war die Zeit der Zwischenfrage. Ihre Zeit läuft richtig und korrekt weiter.

Gestatten Sie eine Zwischenfra ge der Kollegin Graner?

Ja, bitte schön.

Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Kollege Haußmann, habe ich Sie richtig verstanden, dass für Sie die Lösung des Prob lems der mangelnden Gleichheit beim Einkommen darin be steht, Frauen anzuhalten, keine sozialen Berufe mehr zu er greifen, sondern in die MINT-Berufe zu gehen?

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden!)

Frau Kollegin Graner, ich habe vorhin erklärt, dass dieser tatsächliche Unterschied, den Sie mit dem Entgeltgleichheitsgesetz angehen wollen, bei 2 % liegt. Das weiß Ihre Familienministerin.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Die 22 %, die Sie immer vorgeben, fallen nicht darunter. Den Ausgleich dieses tatsächlichen Unterschieds von 2 %, den man wirklich angehen muss – das ist gar keine Frage, die Lohndiskriminierung will niemand –, werden Sie aber mit ei nem Entgeltgleichheitsgesetz überhaupt nicht erreichen. Da mit werden Sie dafür sorgen, dass sich die Unternehmen wirk lich überlegen, wie sie damit umgehen.

(Abg. Sascha Binder SPD: Ob sie nicht mehr wach sen?)

Herr Binder, wenn ein Unternehmer 480 Mitarbeiter hat, wird er es sich vielleicht überlegen.

Ich war letzte Woche bei einem familiengeführten mittelstän dischen Unternehmen mit 1 000 Mitarbeitern. Wir haben uns über vieles unterhalten, wir haben auch über das Entgelt gleichheitsgesetz gesprochen. Ich lade Sie ein, mich einmal zu begleiten. Nutzen Sie doch die Gelegenheit, wenn Sie sonst keine Unternehmer kennen.

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Ste fan Fulst-Blei SPD: Die Tränen kommen mir! – Abg. Helen Heberer SPD: Mehr an Arroganz geht nicht! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Das ist wirklich das Allerletzte! – Zurufe der Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE und Rita Haller-Haid SPD)