Liebe Kolleginnen und Kollegen, die halbe Stunde, die die Regierungsbefragung zu dem ersten Thema dauern darf, ist vorbei. – Vielen Dank, Frau Ministerin.
Es ist üblich, dass man bei der Regierungsbefragung die ein leitenden Fragen vom Rednerpult aus stellt und dann der Mi nister oder die Ministerin zur Beantwortung ans Rednerpult tritt, dort stehen bleibt und anschließend die weiteren Fragen dann von den Saalmikrofonen aus gestellt werden.
Herr Präsident! Aktueller Anlass sind Vorfälle von Gewalt im Zusammenhang mit Fuß ballspielen. Der Innenminister ist ja wie ich bekennender An hänger des VfB Stuttgart.
Beim letzten Fußballspiel VfB gegen Hertha BSC ist es zu Angriffen auf Polizeibeamte, zu schweren Verletzungen und dramatischen Szenen gekommen. Deswegen stellt sich die Frage, ob die Sicherheit in baden-württembergischen Fußball stadien im Bereich des Stadions und davor noch gewährleis tet ist und ob man mit seiner Familie unbedenklich dort hin gehen kann. Was tut die Landesregierung, um die Sicherheit zu optimieren?
Ich darf im Rahmen der Regierungsbefragung Herrn Innenminister Gall zur Beantwor tung nach vorn bitten.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Manchmal ist es so, dass einen die Parteifreunde in die Bredouille bringen.
Die Bemerkung des Kollegen Sakellariou war folgende: Er und ich wären bekennende Fans des VfB Stuttgart.
(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Eine andere ist nicht unbedingt besser! – Abg. Thomas Blenke CDU: Machen Sie es nicht noch schlimmer! – Unruhe)
Das Thema ist ein durchaus ernstes, keine Frage. Ich bin da von überzeugt, die vielen Hunderttausend, um nicht zu sagen Millionen Fußballfans in Baden-Württemberg und noch mehr in Deutschland wollen solche Szenen nicht sehen, wie wir sie am vergangenen Wochenende zur Kenntnis nehmen mussten. Deshalb will ich vorneweg sagen, dass es jetzt gerade für die baden-württembergischen Fußballmannschaften darauf an kommt: Der VfB braucht gegen den Abstieg Punkte und kei ne Gewalt, und der KSC braucht für den Aufstieg auch Punk te und keine Gewalt. Das trifft auch für andere zu.
(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Und Freiburg? – Abg. Martin Rivoir SPD: Und Ulm? – Zuruf des Abg. Willi Stächele CDU)
Ich hoffe nicht, dass ich noch die jeweilige Situation aller zehn baden-württembergischen Vereine, die in den ersten drei Li gen spielen, aufzählen muss. Aber daran, wie viele es sind, wird schon deutlich, dass wir auch Probleme haben. Das heißt im Klartext: Mit zehn Vereinen in den ersten drei Ligen sind wir nach Nordrhein-Westfalen das Fußballland in Deutsch land.
Zehn Mannschaften in den ersten drei Ligen, das bedeutet na türlich auch mehr Spiele. Das heißt, pro Saison haben wir jetzt 84 Spiele in diesen Bereichen, und das erfordert logischerwei se auch jeweils polizeiliche Maßnahmen.
Aber, Herr Sakellariou, meine sehr verehrten Damen und Her ren, ich will trotz der Vorkommnisse am vergangenen Wo chenende einfach einmal versuchen, die Situation im Umfeld und im Zusammenhang mit Fußball objektiv deutlich zu ma chen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in den zurück liegenden Jahren tatsächlich Fortschritte erzielt haben und die vielen Hunderttausend Besucherinnen und Besucher der vie len, vielen Spiele an jedem Wochenende wirklich beruhigt zum Fußball gehen können und ihre Freude und ihren Spaß am Fußball – je nach Tabellenstand mehr oder weniger – ge nießen können.
Ich will die Situation wie folgt beschreiben: Wir haben in den Stadien eine durchaus gute Situation,
die wesentlich befriedeter ist als in vielen anderen Bundeslän dern und in deren Vereinen, weil unser erfolgreiches Konzept,
das wir seit Jahren verfolgen, nämlich intensive Zusammen arbeit mit den Vereinen, auch beinhaltet, die Vereine mit in die Verantwortung zu nehmen.
Sie werden, wenn Sie im Stadion sind oder wenn Sie das Spiel nur am Fernsehschirm beobachten, kaum sehen, dass Polizei beamtinnen und -beamte im Stadion sind. Am vergangenen Wochenende waren beispielsweise 700 Ordner des VfB im Stadion. Das sind die Früchte der Arbeit der zurückliegenden Jahre, in denen wir an die Verantwortlichkeit der Vereine er innert haben. Wie gesagt, Bilder aus anderen Bundesligasta dien sprechen zum Teil eine andere Sprache.
Ich denke, die Einsatzmaßnahmen, die wir mit unseren örtli chen Ausschüssen für Sicherheit und Sport kontinuierlich fort entwickelt haben, also mit all denen, die in Verantwortung ste hen – mit den örtlichen Sicherheitsbehörden, mit den Geneh migungsbehörden, aber auch mit den Vereinen, mit den Be auftragten der Fanclubs –, zeigen durchaus eine befriedende Wirkung. Die Wahrnehmung sollte sein, dass die vielen, vie len Spiele, die stattfinden, in der Regel friedlich verlaufen.
Ich darf Ihnen Einsatzzahlen gegenüberstellen, damit sich kein schräges Bild ergibt, wenn wir Situationen wie am vergange nen Wochenende, am Freitag und am Samstag, zur Kenntnis nehmen mussten. Für den kompletten Spielbetrieb am vergan genen Wochenende hatten wir rund 700 bis 750 – genau ha be ich die Zahl nicht im Kopf – Polizeikräfte im Einsatz, bei sieben Spielen in den ersten drei Ligen. Bei der „Pegida“-De monstration in Karlsruhe gestern Abend waren es 750, bei der Rechts-Links-Demonstration am Jahrestag der Bombardie rung von Pforzheim 1 400, bei den Montagsdemos zu Stutt gart 21 um die 200; das sage ich, damit das Bild nicht völlig verrutscht ob dieser Vorkommnisse, die ich selbstverständlich zutiefst verurteile wie auch – davon bin ich überzeugt – alle in diesem Raum und alle Verantwortungsträger.
Ich will aber auch noch einmal ausdrücklich bestätigen: Wir werden natürlich auch handeln und agieren. Das heißt, es sind Ermittlungsverfahren eingeleitet, insbesondere gegen die, die wir als Rädelsführer vermuten, Ermittlungsverfahren bei spielsweise wegen Landfriedensbruchs, wegen Widerstands handlungen, aber auch wegen entsprechender Beleidigungen.
Wir werden – auch das will ich noch einmal deutlich machen – unsere Anstrengungen, die wir auch auf Bundesebene er bringen, beispielsweise durch unsere Mitarbeit im Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit, verstärken. Dort sind wir üb rigens seit Neuestem auf mein Drängen Mitglied geworden. Wir sind also auf Augenhöhe mit denen, die dort Konzepte entwerfen, weil auch wir gute Beispiele einbringen können, mit denen wir deutlich machen können, dass wir Konzepte ha ben, die wirken, die andere gern nachahmen können; keine Frage.
Wir sind in enger Abstimmung mit den Justizkolleginnen und -kollegen, weil natürlich auch das Verfolgen von Straftätern, das Aburteilen von Intensivgewalttätern ein entscheidender Faktor ist, wenn wir in diesem Bereich Fortschritte erzielen wollen.
Die Kernbotschaft lautet: Man kann als Unbescholtener und als jemand, der Spaß und Freude am Fußball hat, diesen auch in Zukunft genießen. Ich sage zu: Wir werden mit den Sicher
heitsbehörden alles unternehmen, um in Zukunft solche Aus wüchse wie am Freitag zu verhindern und, wenn sie dann doch passieren, die Straftäter mit allem Engagement und Einsatz zu verfolgen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)
Danke schön, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Minister, für die klare Ansage, die klare Stellungnahme, die Sie abgegeben haben. Bei diesem Thema gibt es nach meiner Einschätzung sicherlich auch zwischen Innenpolitikern bundesweit eine große Übereinstimmung. Man muss es einfach klar sagen: Das, was an Gewalttaten im Zusammenhang mit Fußball rings um die Stadien passiert, hat mit Fußball oder mit Sport überhaupt nichts, aber auch gar nichts zu tun. Das sind Randale, Gewaltausbrüche, Gewaltex zesse, die man schlicht und einfach verurteilen muss. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie zugesagt haben, das konsequent zu ahnden.
Ich habe mir vorhin ein paar Bilder aus dem Internet herun tergeladen, die zeigen, wie so etwas im Umfeld von Stadien aussieht.
Diese Herrschaften sind alle vermummt im Stadion. Man sieht, wie sie den Polizeikräften gegenüberstehen. Man braucht die Bilder nicht im Einzelnen anzuschauen. Es geht um die Bot schaft, die dahintersteckt.
Das führt mich zu meiner Frage, Herr Minister. Diese Herr schaften zeichnen sich auf diesen Bildern – das zeigt auch die Praxis – allesamt dadurch aus, dass sie mehr oder weniger ver mummt und damit auch nicht identifizierbar bei solchen Ran dalesituationen auftauchen. Vor diesem Hintergrund hätte ich eine konkrete Frage an die Landesregierung und damit an Sie als zuständigen Minister: Hält die Landesregierung an ihrem Vorhaben fest, eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte einzuführen? Das frage ich Sie, weil ich schon gern hören würde, wie Sie persönlich es sehen, dass man of fensichtlich in Kauf nimmt, dass die Randalierer sich ver mummen, sich nicht identifizierbar machen, während man von der Polizei künftig erwartet, dass sie sich individuell kenn zeichnet.
Ich möchte noch ein mal darauf hinweisen: Für die Frage mit vorangestellten Er läuterungen gilt eine Redezeit von drei Minuten; die Regie rung hat für die Beantwortung der Frage fünf Minuten Rede zeit zur Verfügung. Ich sage es nur noch einmal. Dies hat bis lang auch jeder eingehalten.
Kollege Blenke, ich gehe da von aus, dass Ihre Frage nichts mit den konkreten Vorfällen vom Wochenende zu tun hat. Ich denke, das Thema Kenn zeichnungspflicht haben wir wiederholt diskutiert und behan delt. Sie kennen, glaube ich, auch meine persönliche Meinung zu diesem Thema.