Spannend ist, dass die CDU gegen diese weniger frontal ori entierten Arbeitsformen mobil macht. Sie sind sich dabei über haupt nicht dessen bewusst, was der Kollege Lehmann gera de aufzuzeigen versucht hat. Wenn ich in meiner Referendar ausbildung 2001 bis 2003 gemäß Ihrem Antrag verfahren wä re, dann wäre ich glatt durchgefallen. Warum? Weil wir näm lich schon vor mehr als 15 Jahren unter CDU-Kultushoheit etwa in der beruflichen Bildung den Paradigmenwechsel in Richtung Handlungsorientierung durchgeführt haben. Die Grundlage hierfür waren eben empirische Erkenntnisse oder auch die Konstruktivismusdebatte, die auch in der Anfrage ei ne Rolle spielt. Das heißt: weg vom Frontalunterricht, hin zu breiterer Methodik, weniger die Aufnahme als die selbstbe stimmte Anwendung von Wissen, nicht so rückwärtsgewandt wie die CDU heute, weg von einem „Bulimie-Lernen“,
Übrigens hat Hattie auch noch eine andere klare Aussage he rausgearbeitet, die man von Ihnen nie hört, nämlich, dass auch das gegliederte Schulsystem mit homogenen Leistungsgrup pen keinen korrelativ signifikanten Effekt hat. Sprich: Es gibt dort auch in diesem Bereich keine Erfolgsgarantie.
Fazit: „It’s the teacher, stupid!“ Das haben wir erkannt. Das bedeutet überhaupt keinen Widerspruch zur Gemeinschafts schule. Wir haben an anderer Stelle auch mit Blick auf die Re form der Lehrerbildung gehandelt. Das ist im Grunde das Ge neralfazit von heute: Während wir am modernen Lehrerbild weiterarbeiten, sind und bleiben Sie die „Gestern-CDU“.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU meldet sich. – Abg. Karl Zimmermann CDU: Halt, halt!)
Herr Kollege Zimmer mann, wenn die Redezeit abgelaufen ist, kann nach der Ge schäftsordnung kein Abgeordneter mehr eine Zwischenfrage stellen, die beantwortet werden soll.
Sonst könnte ja jeder Abgeordnete seine Redezeit dadurch ver längern. Das steht so in der Geschäftsordnung.
(Abg. Volker Schebesta CDU: Aber Herr Dr. Kern lässt bestimmt noch eine Zwischenfrage zu! – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Herr Zimmermann, Sie können ja den Herrn Kern fragen! – Gegenruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das wäre eine Vor abfrage! – Unruhe)
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich erinnere mich nicht besonders gern an die Arbeitsbelastung während meines Referendariats.
Denn die enormen Anforderungen, die ganz selbstverständ lich an einen Lehrer gestellt werden, sind für Berufsanfänger nur mit sehr großer Anstrengung und Disziplin unter einen Hut zu bringen.
Am Ende eines Referendariats fällt es einem jedoch nicht schwer, die zwei Fragen zu beantworten, um die es in der heu tigen Debatte geht, nämlich erstens, was einen guten Lehrer ausmacht, und zweitens, welche Rahmenbedingungen er braucht, um sehr gute Arbeit vollbringen zu können.
Was macht einen guten Lehrer aus? Ich würde stichwortartig Folgendes nennen wollen: Hilfsbereitschaft, Organisationsta lent, belastbare Nervenstärke, ein gerüttelt Maß an Selbstbe wusstsein, Omnipräsenz während des Unterrichts, Durchset zungsfähigkeit, Glaubwürdigkeit und Begeisterungsfähigkeit für sein Fach, sehr hohe Fachkompetenz, überdurchschnittli che rhetorische Kompetenzen, Einfühlungsvermögen, Kom petenzen in Unterrichts- und Gesprächsführung und bei der Bereitstellung von motivierenden und zielführenden Lernma terialien, umfassende didaktische Kompetenzen, und schließ lich – die wichtigste Eigenschaft – muss die Lehrkraft Kin der, Jugendliche und junge Erwachsene gleichermaßen ernst nehmen, wertschätzen und gern haben.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Bravo! Sehr gut beschrieben! – Abg. Walter Heiler SPD: Sagen Sie das mal aus wendig!)
Angesichts dieser Leistungsanforderungen einerseits und der Bedeutung dieses Berufsstands für die Zukunft unseres Lan des andererseits sollte man meinen, jede Landesregierung würde sich große Mühe geben, um die Rahmenbedingungen für ihre Lehrerschaft bestmöglich zu gestalten. Doch bei Grün-Rot weit gefehlt! Was mussten die Lehrer bei dieser Landesregierung in den vergangenen vier Jahren nicht alles erdulden? Hier wieder nur stichwortartig die schlimmsten Na ckenschläge: Absenkung der Eingangsbesoldung, keine wei
tere Senkung des Klassenteilers, kein Ende der sechswöchi gen Arbeitslosigkeit bei Referendaren. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Frau Boser, nennt die Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung „das Ende des Sortierwahns der Lehrer“.
Kollege Käppeler sagt an meine Adresse hier im Parlament, Gymnasiallehrer würden die Kinder rausprüfen, die sie nicht auf dem Gymnasium haben wollten.
Und wie Kollege Käppeler Pressemitteilungen des Philolo genverbands tituliert, davon schweigen wir lieber.
Die ehemalige Kultusministerin Warminski-Leitheußer woll te am liebsten alle Lehrer zu Lernbegleitern, Lerncoaches und reinen Arbeitsblattdesignern umpolen.
Die aktuelle Wissenschaftsministerin Bauer will der ausdiffe renzierten Lehrerschaft ebenfalls an den Kragen und fordert den Einheitslehrer auf Gymnasialniveau.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit den unseligen Zeiten von Mayer-Vorfelder haben die Lehrerinnen und Lehrer von Baden-Württemberg noch keine Landesregierung erlebt, die ihre Arbeit und ihren Berufsstand so geringschätzt wie diese grün-rote Landesregierung.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Klaus Bur ger, Ulrich Müller und Paul Nemeth CDU – Lachen bei der SPD – Zuruf von der SPD: Die FDP/DVP be schimpft die CDU! – Unruhe)
Wenn wir aber zu Recht hohe Arbeitsqualität von den Lehrern fordern, dann brauchen diese auch die entsprechenden Rah menbedingungen. Wenn Lehrer neben der Vermittlung von Wissen auch Erziehung leisten sollen, brauchen sie kleinere Klassen, mehr Schulpsychologen, Sozialpädagogen und So zialarbeiter. Hätten Lehrkräfte mehr Zeit für Unterrichtsvor- und -nachbereitung, würde die Qualität auch steigen und wür de dem drohenden Burn-out wirkungsvoll entgegengewirkt. Dazu brauchte es aber auch entsprechende Arbeits- und Rück zugsräume in den Schulen.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Erzählen Sie das mal Ihrem Fraktionsvorsitzenden! Polemik und Be leidigung stehen dem Frieden im Weg!)
Denn das ständige Herumreformieren und Umwälzen im Bil dungsbereich machen eine kontinuierliche Arbeit für Lehrer nahezu unmöglich. Auch die grün-roten Angriffe auf die pä dagogische Freiheit der Lehrer würden dadurch wirksam be endet, wie z. B. das Vorschreiben von Unterrichtsmethoden oder die Abschaffung des Sitzenbleibens an Gemeinschafts schulen und jetzt auch zunehmend an den Realschulen.
und bringt die Schüler um engagierte Lehrer, auf die wir aber unverzichtbar angewiesen sind. Würde man sich stattdessen in der Bildungspolitik für wirklich wichtige Reformen mehr Zeit für Planung und Durchführung nehmen, so wären dies die besten Bedingungen für Lehrerinnen und Lehrer. Ein Schulfrieden für unser Land würde Baden-Württemberg nach meiner festen Überzeugung an die Spitze der Bundesländer katapultieren und uns zu einem Trendsetter in der bundesre publikanischen Bildungspolitik machen.
Dann würden sich auch Diskussionen, ob nun ein Lernbeglei ter oder ein Lehrer den besseren Unterricht macht, in Luft auf lösen.