Protocol of the Session on March 4, 2015

Ich denke, dass der Praxistest – – Kollege Paal hat in den Raum gestellt, er kenne die Praxis. Die Praxis ist wesentlich entspannter und entzerrter.

In Ihrer Aufzählung würde ich das Wort „Lieferanten“ wieder streichen, was die Unterschriften angeht. Ich möchte Ihnen außerdem sagen, dass viele der Regelungen, die getroffen worden sind, auch im Mindestlohngesetz des Bundes veran kert sind. Das ist übrigens ein Gesetz, das im Bundestag mit großer Mehrheit beschlossen worden ist.

Wenn man über Bürokratie redet, dann sind auch die Fragen des Vergaberechts – übrigens auch des europäischen Verga berechts, Kollege Löffler – zu diskutieren. Aber auch da lie gen die Verantwortlichkeiten anderswo.

Deswegen noch einmal: Die gesamte Aufzählung, die sich se mantisch auftürmt, was Bürokratie angeht, ist im Kern nicht in Ordnung. Wir haben es genau auf das Gegenteil angelegt. Das erfahren wir auch aus der Praxis.

Heute Morgen hat das auch in der Rede des Kollegen Mack eine Rolle gespielt. Wenn man nicht mehr über die Wirt schaftskraft Baden-Württembergs debattieren kann, dann be ginnt man halt damit, über Bürokratielasten zu reden.

Als Fußballer sage ich zu Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol legen von der CDU und der FDP/DVP: Der Entlastungsan griff, den Sie fahren, ist bereits im eigenen Strafraum stecken geblieben. Damit haben Sie große Lücken in Ihre eigene Ab wehr gerissen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Nun zu dem zweiten Punkt, dem gesetzlichen Mindestlohn. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zwingt nicht zur Abschaffung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes. Beide Regelungen ergänzen sich. Außerdem würde ich sagen: Wir halten damit Dumpinglöhne von Baden-Württemberg fern – zumindest mit dieser klaren Ansage.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

Ich möchte behaupten, dass die landesspezifischen Vergabe regelungen zum Mindestlohn ein erster Schritt zur bundes weiten Einführung des Mindestlohns waren.

Jetzt darf ich als Sozialdemokrat noch einen Satz sagen, mit dem ich vielleicht einige auf der christdemokratischen Seite mitnehmen kann: Unsere Regelungen sind ein Teil einer Psy chologie in Baden-Württemberg, die auf Anstand und Fair ness in der Wirtschaft setzt. Diese Psychologie war nicht im mer im Land vorhanden. Insofern sind wir da jetzt auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das ist außerdem das Gegenteil eines Papiertigers.

Dritter und letzter Punkt: Die Aussage zur EuGH-Rechtspre chung trifft nicht zu. Das Urteil des EuGH hat lediglich Aus wirkungen auf die Auslegung des Tariftreue- und Mindest lohngesetzes. Es muss europarechtskonform ausgelegt wer den. Das tun wir. Es abzuschaffen war und ist jedoch keine Option.

Ich will noch auf die Vergabepraxis eingehen. An dieser Stel le zeigt sich, dass das Tariftreue- und Mindestlohngesetz an gekommen ist. Es wird auch angenommen. Als Mitglied ei nes Gemeinderats habe ich die Erfahrungen nicht gemacht, die Sie angesprochen haben.

Es gibt aber eine grundsätzliche Frage, die man sich als Mit glied eines Gemeinderats stellt, die vorher vielleicht nicht ge stellt worden ist. Diese lautet: Ist man gemäß der gesetzlichen Grundlage unterwegs, wenn der Ortsbaumeister eine Vorlage einbringt? Ich finde es gut, dass Mitglieder in unseren Ge meinderäten derartige Fragen aufwerfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Umsetzung des Gesetzes funktioniert – übrigens im bes ten Sinn des Gesetzes – geräuschlos. Die Resonanz auf die

von der FDP/DVP initiierte Anhörung war auch nicht so, dass sich Massen eingefunden hätten.

Ich will deswegen sagen: Lassen wir die Unternehmen und die Vergabestellen weiter in Ruhe arbeiten. Ich denke, dass die Vergabestellen in der Lage sind, das, was da ist, zu sich ten. Ich nehme nicht an, dass der Hinweis des Kollegen Reith darauf abzielt, dass wir bei den Vergabestellen so viel Perso nal einsetzen müssen, dass eine Vollabdeckung gewährleistet ist. Das war zumindest die Klage, die in seinen Worten mit schwang. Das kann ich mir aber nicht vorstellen.

Wir brauchen das Tariftreue- und Mindestlohngesetz des Lan des. Dieses Gesetz schützt unsere heimische Wirtschaft wei terhin vor Billigkonkurrenz und Wettbewerbsverzerrungen. Dieses Gesetz bezieht sich auf die Vergabe öffentlicher Auf träge insgesamt und hat damit auch einen viel weiteren Rah men. Wir brauchen eine verbindliche Regelung der Tariftreue pflicht, vor allem mit Blick auf den Verkehrsbereich.

Dazu gibt es auf Bundesebene keine entsprechende Regelung. Die öffentliche Hand in Baden-Württemberg muss hierbei mit gutem Beispiel vorangehen und damit die Arbeitsplätze im Land erhalten. Wir wollen Qualität statt Preiswettbewerb. „Besser statt billiger“ ist die Devise für Baden-Württemberg.

Außerdem wollen wir einen fairen Wettbewerb. Das habe ich bereits gesagt. Ich denke, dass wir hierbei auf einem guten Weg sind. Ich will noch einmal aufgreifen, was hier angespro chen worden ist. Ich will alle Marktwirtschaftler daran erin nern, wie die Bundesrepublik Deutschland aufgebaut worden ist. Wirtschaftsfreundlich ist, wer in Deutschland und in Ba den-Württemberg eine gute Ordnungspolitik macht. Wir wol len mit dem Gesetz eine gute Ordnungspolitik machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Meine Damen und Her ren, in der Allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 15/6098. Der Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft empfiehlt Ihnen in Zif fer 1 der Beschlussempfehlung Drucksache 15/6543, den Ge setzentwurf abzulehnen. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, dass ich den Gesetzentwurf im Ganzen – er besteht aus zwei Paragrafen – zur Abstimmung stelle. – Es erhebt sich kein Widerspruch.

Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Hand zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf mehrheitlich abgelehnt.

(Unruhe)

Wir haben noch über Ziffer 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen und Wirtschaft, Drucksache 15/6543, abzustimmen, die empfiehlt, den Antrag der Abg. Dr. Rein hard Löffler u. a. CDU, Drucksache 15/5815, für erledigt zu erklären. – Sie stimmen zu.

Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Jugendbildungsgesetzes, des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Baden-Württemberg sowie des Kinderschutzgesetzes Baden-Württemberg – Drucksache 15/6510

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben vereinbart, in der Ersten Beratung keine Aussprache zu führen. Die Lan desregierung verzichtet auf eine mündliche Begründung des Gesetzentwurfs.

Daher schlage ich vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/6510 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Sozi alordnung, Familie, Frauen und Senioren zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist das so beschlossen und Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Kosten der In klusion an Schulen – Drucksache 15/4268 (Geänderte Fas sung)

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Dr. Stolz das Wort.

(Unruhe – Zurufe von der CDU: Pst!)

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die Inklusion an unseren Schulen ist e i n zentraler Baustein für eine Gesellschaft, in der Men schen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zu sammenleben. Die CDU-Fraktion tritt für den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung ein. Der Wegfall der Sonderschulpflicht und die grundsätzliche Mög lichkeit eines zieldifferenten Unterrichts sind richtig. Wir be grüßen daher, dass die Landesregierung nach langen Verzö gerungen

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: „Nach langen Ver zögerungen“!)

endlich einen Gesetzentwurf vorgelegt hat und eine Finanzie rungsvereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden wenigstens in Reichweite ist.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wer im Glashaus sitzt! Das ist echt dreist!)

Wir begrüßen insbesondere, dass die Landesregierung in ei ner Grundsatzfrage lernfähig war und der Meinung der Fach leute und der CDU-Fraktion gefolgt ist, dass wir trotz der In klusion unsere hervorragenden Sonderschulen erhalten müs sen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Viele aus den Reihen der Grünen und der SPD hätten die Son derschulen lieber heute als morgen abgeschafft.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: So ein Quatsch! – Gegenruf von der CDU: Natürlich!)

Ich zitiere. Wir haben hier schon entsprechende Programme der Grünen zitiert. – Aber dieser Irrweg wäre fatal. Die Son derschulen bieten besondere Möglichkeiten der Förderung mit hoher Kompetenz und einen Schutzraum, den Regelschulen niemals werden bieten können. Sehr wichtig ist auch: Diffe renzierung ist nicht gleich Diskriminierung, sondern die An erkennung eines besonderen Förder- und Unterstützungsbe darfs.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wer dagegen nur blind die Inklusionsquote erhöhen will, ver sagt gerade den Schwächsten diese Hilfe.