Nicht weniger, sondern mehr Freiheit! Nicht Ausgren zung, sondern gerade jetzt Gleichheit! Und vor allem: Nicht Feindschaft, sondern Brüderlichkeit!
Meine Damen und Herren, wir alle haben in der Schule Les sings „Nathan der Weise“ gelesen, und wir sollten ihn im Lichte dieser Tage wieder einmal lesen
und vielleicht auch neu interpretieren. Vergessen wir nicht: Dieses Drama hat der Aufklärer Lessing in der Auseinander setzung mit einem intoleranten christlichen Kirchenmann ge schrieben. Die Ringparabel des Dramas hat über viele Gene rationen hinweg unsere Vorstellung von religiöser Toleranz geprägt. Diese Vorstellung wirkt noch heute. Judentum, Chris tentum und Islam haben alle letztlich ihren Ursprung in Gott. Welches die wahre Religion ist – und ob es überhaupt die ein zig wahre Religion gibt –, kann von außen nicht entschieden werden. Es bleibt offen und wird sich zeigen. Mir scheint, dass Lessing immer noch die beste Antwort auf die Frage gegeben hat, ob der Islam zu Deutschland gehört.
Herr Präsident, meine lieben Kolle ginnen und Kollegen! Als ich die Überschrift dieser Aktuel len Debatte gelesen habe, hatte ich die Hoffnung – und ich ge be sie nicht auf –, dass wir dieses Thema nicht ohne Not nut zen, um eine große Übereinstimmung, die es in diesem Haus über alle Fraktionsgrenzen hinweg im Umgang mit muslimi schen Mitbürgerinnen und Mitbürgern gibt, infrage zu stellen.
Es wäre mein großer Wunsch, dass das am Ende dieser De batte auch die wirkliche und ehrliche Botschaft bleibt.
Das mag Sie nun überraschen oder nicht. Vieles von dem, was Herr Ministerpräsident Kretschmann gesagt hat, findet mei ne, findet unsere ungeteilte Zustimmung.
Muslime gehören zu uns, und der Islam gehört zu den Musli men. Der Herr Ministerpräsident hat gesagt, Verrenkungen, die nicht der Orientierung dienen, sondern verwirren, würden sich aus allem ableiten, was sich darüber hinaus an differen zierter Diskussion ergibt. Das mag der Unterschied sein, Herr Ministerpräsident, Kollegin Aras, Kollege Schmiedel, zwi schen unserer Position und der Ihrigen.
Kollege Schmiedel, ich finde, es hat schon einen Anflug von Überheblichkeit, wenn Sie hier sagen: „Der Islam gehört zu uns, und vor dem Islam hat sich niemand zu fürchten.“ Es hat nur noch „basta“ gefehlt. Ich glaube, das wird der Stimmungs lage in der Bevölkerung und der Notwendigkeit eines diffe renzierten Umgangs nicht gerecht.
Ich finde, wenn wir erreichen wollen – was ich Ihnen unter stelle, lieber Kollege Schmiedel, was ich Ihnen unterstelle, liebe Kollegin Aras –, dass wir genau den Boden dafür berei ten, dass friedliches Miteinander gelingt, dass Integration ge lingt, dann sollten wir jeden Anflug von Überheblichkeit un terlassen. Das wäre die notwendige Basis für einen guten Di alog.
Ich habe gestern in einer baden-württembergischen Tageszei tung, die sich sehr differenziert mit dieser Thematik ausein andergesetzt hat, mit Blick auf einen Professor für islamische Theologie an der Uni Münster, der selbst Muslim ist, folgen des Zitat entdeckt, das ich, Herr Präsident, bitte, vortragen zu dürfen:
„Die 1400-jährige Ideengeschichte des Islams weist eine Bandbreite an Positionen auf, die von menschenfreund lich bis hin zu menschenfeindlich reichen“, sagt Mouha nad Khorchide, Professor für Islamische Theologie an der Universität Münster, und selbst Muslim.... „Daher kann man nicht pauschalieren und sagen, der Islam sei gewalt tätig oder friedlich.“
Er sagt weiter, es komme immer darauf an, für welche Posi tionen sich einzelne Muslime starkmachten.
Es ist unser Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellen, dass wir Muslime in ihrer Überzeugung in den Mittelpunkt stellen, dass wir nicht unterstellen, dass Muslime in diesem Land freiheit lich-demokratischen Rechten widersprechen. Wir stellen die Menschen in den Mittelpunkt, wir stellen die Muslime in den Mittelpunkt.
Ich glaube, es wäre für die Menschen im Land wichtiger, zu spüren, dass es uns in diesem Hohen Haus wichtig ist, dafür einzutreten, dass Religionsfreiheit zu Baden-Württemberg ge hört,
dass wir darüber diskutieren, dass es natürlich zum Prinzip unseres Staates gehört, dass Menschen ihre Religion frei aus üben können.
Es wäre mir wichtig, dass wir in diesem Hohen Haus darüber diskutieren, dass Baden-Württemberg das Land einer gelun genen Integration ist. Ich habe die Sorge, dass die Debatte, so, wie wir sie hier führen,
geeignet ist, im Land draußen den Eindruck zu erwecken, dass wir genau diese gelingende Integration infrage stellen. Das wäre das falsche Signal, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zurufe der Abg. Manfred Kern, Alexander Sa lomon und Muhterem Aras GRÜNE)
Viel wichtiger wäre es, dass wir uns gemeinsam über alle Par teigrenzen hinweg Gedanken darüber machten: Was sind ge lungene Formen von Integration? Wie können wir diesen Geist des weltoffenen Miteinanders auch wirklich im Land verbrei ten?
Ich bezweifle, dass Diskussionen, dass Debatten dieser Art, wie wir sie heute hier führen, tatsächlich dafür geeignet sind. Ich erinnere an gelungene Formen dieser Integration. Herr Mi nisterpräsident, um es noch einmal zu sagen: Ich will über haupt nicht in Zweifel stellen, dass es sich verbietet, dieses Thema parteipolitisch auszuschlachten.
Das bringt nur jene in die Parlamente, die wir am allerwenigs ten in unseren Parlamenten wiederfinden wollen.
Herr Ministerpräsident, ich möchte Ihnen anbieten und möch te unsere Bereitschaft dazu zu erkennen geben, dass wir ge meinsam Formen überlegen, wie wir dieses Fundament, die se Basis einer gelebten Integration auch befördern können.