Protocol of the Session on February 5, 2015

und das zu Hause erzählt, dann sagt der Salafist zu ihr: Dann bleibst du eben im Keller und gehst gar nicht mehr raus.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Ja, klar!)

So einfach lassen sich Probleme eben nicht lösen. Trotzdem waren die Reaktionen auf die Sendung enorm, und zwar nach

beiden Seiten. Das zeigt: Es gibt Ängste in der Gesellschaft. Man muss diese Ängste aufnehmen und differenziert darüber diskutieren. Deshalb helfen einfache Weisheiten, einfache Sät ze nicht weiter.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Sie können der CDU nicht einfach ein Stöckchen hinhalten und sagen: „Der Islam gehört zu Baden-Württemberg, spring oder spring nicht.“ Politisch kann ich das verstehen, meine Damen und Herren, aber es hilft in der Debatte nicht weiter.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es ist doch völlig klar, dass wir Toleranz und Akzeptanz ge genüber jedem in Baden-Württemberg üben. Ich bin protes tantischer Christ, der Ministerpräsident Katholik, Frau Aras Muslima. Das ist für mich in jeder Hinsicht gleichwertig. Das ist doch völlig klar, da gibt es gar keine Differenzierung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ein bisschen, hat sie gesagt!)

Deshalb: volle Solidarität gegenüber den gut 500 000 musli mischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Baden-Württem berg.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, das Bekenntnis ist für niemanden in diesem Par lament ein Problem.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ja, das finden wir auch!)

Aber der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ lädt eben zu Missverständnissen ein. Deshalb kann man ihn in dieser Absolutheit nicht sagen. Es gibt eben Erscheinungsformen, die Menschen Angst machen und die auch in unserer Gesell schaft nichts verloren haben. Der Islamische Staat beispiels weise gehört nicht zu Deutschland. Hassprediger gehören nicht zu Deutschland,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das wurde auch nicht gesagt!)

und die Scharia gehört auch nicht zu Deutschland. Das muss man auch in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Deshalb können Sie gern das Bekenntnis zum Islam, zu un seren islamischen Mitbürgern abgeben, aber Sie müssen noch etwas dazu sagen. Sie müssen, wenn Sie eine solche Debatte führen, auch akzeptieren, dass man sie nicht nur auf einen Satz reduzieren kann, sondern dass wir etwas differenzierter argu mentieren müssen, weil die Bevölkerung es sonst nicht ver steht und weil Sie sonst unter Umständen solchen Erschei nungsformen wie „Pegida“ Vorschub leisten. Wenn die Leu te nämlich den Eindruck haben, dass man im Parlament ein fach sagt: „Der Islam gehört zu Deutschland, basta, und da mit sind alle Probleme gelöst“, werden Sie der Stimmungsla ge in der Bevölkerung nicht gerecht.

Deutschland ist ein Zuwanderungsland.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Menschen, die aus islamischen Ländern zu uns gekommen sind, sind eine Bereicherung. Sie tragen zu unserem Wohl stand bei. Wir wollen auch weitere Zuwanderung haben, ganz klar. Ich bin froh, dass wir jetzt die Debatte darüber führen, wie ein modernes Zuwanderungsrecht aussehen sollte. Ich bin froh, dass in verschiedenen Parteien jetzt darüber diskutiert wird, dass wir in Deutschland ein modernes Zuwanderungs recht beispielsweise nach australischem oder kanadischem Vorbild etablieren könnten, ein Punktesystem beispielsweise. Das wäre genau das Richtige.

Wenn wir im Landtag von Baden-Württemberg etwas für In tegration, für Toleranz tun wollen, dann sollten wir uns nicht gegenseitig Stöckchen hinhalten und sagen: „Spring mal da rüber“, sondern dann sollten wir ein Zeichen der Einheitlich keit setzen und sagen: Wir setzen uns für ein vernünftiges, modernes Zuwanderungsrecht ein. Wenn Sie das täten, wür den Sie viel mehr erreichen als mit einer solch plakativen De batte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Ministerpräsident Kretschmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich finde es sachlich völlig absurd, wenn Politiker darüber dis kutieren, ob der Islam zu Sachsen, Baden-Württemberg oder Deutschland gehört. In Deutschland leben vier Millionen und in Baden-Württemberg 600 000 Muslime. 10 % der Bevölke rung in Stuttgart sind muslimischen Glaubens. All diese Mus lime gehören selbstverständlich zu uns,

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Unterstrichen!)

und der Islam, ihr Glaube, gehört zu ihnen. Das, was sie glau ben, ist ja, solange sie glauben, nichts, was sie einfach able gen können oder sollen. Sie haben das Recht auf ihren Glau ben und die Ausübung ihrer Religion.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Wenn also Muslime Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sind,

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das wird doch gar nicht bestritten!)

gehört der Islam schon logischerweise zu unserem Land.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das hat mit Logik nichts zu tun!)

Alles andere sind Verrenkungen, die nicht der Orientierung dienen, sondern nur Verwirrung stiften.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Günther-Martin Pauli CDU)

Der Islam gehört zu uns, zu einem Land, das seit Jahrhunder ten stark durch das Christentum geprägt ist, und das wird auch so bleiben. Das Christentum ist eine Religion, die einvernehm lich zusammen mit anderen Religionen leben kann. Ausgren zungsversuche, wenn auch nur gedanklicher Art, begünstigen nur Abschottungstendenzen und das Gefühl bei den Betroffe nen, Opfer zu sein. Ausgrenzungen erzeugen Angst und Ag gression. Schon der Versuch ist schädlich.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wer die religiöse Überzeugung von Menschen ausgliedern oder nicht dulden will, der bestärkt nur die Fundamentalisten und Extremisten. Gewalttätige und gewaltbereite Gruppen und Personen, gleich welcher Art, dulden wir nicht; das ist klar. Das haben wir gerade in der vorangegangenen Debatte vor gestellt. Da wird sich die Demokratie als wehrhaft zu erwei sen wissen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der FDP/DVP)

Insofern bin ich dem Altbundespräsidenten Christian Wulff und der Bundeskanzlerin außerordentlich dankbar für ihre deutliche Aussage, dass der Islam zu Deutschland gehört.

Nun, meine Damen und Herren, stellt sich zunächst die Fra ge: Wer ist überhaupt legitimiert, die Unterscheidung zu tref fen, welche Religion, welche Weltanschauung, welche Philo sophie, welche Kultur zu Deutschland passt? Über die kultu rellen Unterschiede zwischen Morgen- und Abendland, was auch immer das im 21. Jahrhundert heißen soll, kann man aus giebig spekulieren. Dabei sollte man schon wissen, dass die islamische Kultur früh sehr hoch entwickelt war und das Abendland vielfach beeindruckt, fasziniert, allerdings auch erschreckt hat. Vonseiten der Regierung haben wir uns aller dings ausschließlich im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Ordnung zu bewegen, die den Grundkonsens von Rechten und den dahinterstehenden Werten vorsieht. Ein Werturteil über Religion steht dem Staat nicht zu.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der FDP/DVP – Abg. Andreas Glück FDP/DVP meldet sich.)

Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persön lichkeit, die Glaubensfreiheit und die ungestörte Religions ausübung; es verbietet die Benachteiligung wegen politischer oder religiöser Anschauungen. Das Bundesverfassungsgericht forderte 2003 vom Staat „eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördern de Haltung“.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Glück?

Herr Ministerpräsident, dan ke, dass Sie die Frage zulassen. – Über das, was Sie jetzt ge sagt haben, findet sich hier im Haus, glaube ich, überhaupt kein Dissens,

(Unruhe bei den Grünen und der SPD)

denn das ist eine der Fragen, über die weitgehend Einigkeit herrscht.

Ihren ersten Satz vorhin fand ich sogar ganz hervorragend. Da sagten Sie: „Es ist absurd, wenn Politiker darüber diskutieren, ob der Islam zu Deutschland, Sachsen oder Baden-Württem berg gehört.“ Jetzt meine Frage: Was halten Sie dann von dem Titel der Aktuellen Debatte, die von Ihrer Fraktion, den Grü nen, beantragt wurde und der da lautet: „Der Islam gehört zu Baden-Württemberg“?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Habe ich Sie richtig verstanden, dass die ganze Diskussion so, wie sie jetzt ausgelöst wurde, die Aktuelle Debatte so, wie sie benannt wurde, auch nicht in Ihrem Interesse ist?