Protocol of the Session on February 4, 2015

Zweitens: Herr Kollege Professor Dr. Goll, wenn Sie sagen, wir hätten gerade jetzt eine Reform bekommen: Richtig ist, wir hatten früher – Kollege Binder hat das auch ausgeführt – keine geordnete Struktur. Es gab viele Einzelkämpfer, die sich Mühe gegeben haben. Aber es gab keine organisierte Struk tur, kein Controlling, keine Standards, kein Berichtswesen und, und, und. Diese Struktur ist aufgebaut worden,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau so war es!)

aber sie war auch geschuldet. Das Land hat mit NEUSTART einen Vertrag geschlossen, in dem die Bewährungshilfe über nommen und strukturiert werden sollte. Das Land hat dafür gezahlt,

(Abg. Sascha Binder SPD: Genau!)

und es zahlt weiterhin jedes Jahr einen entsprechenden Betrag für die Leistungen, die vertraglich vereinbart wurden.

Der dritte Punkt: Sie haben darauf hingewiesen, dass das mit den Beamten gar kein so großes Problem sei.

(Glocke des Präsidenten)

Entschuldigung, Herr Minister.

Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sehe ich da schon ein Problem. Darauf komme ich aber noch zurück.

Wenn Sie sagen, in anderen Bereichen der Sozialarbeit oder in wirtschaftlichen Bereichen habe es auch schon Beamte ge

geben, die sozusagen übernommen worden seien: Das trifft zu; aber hier haben wir es mit dem Problem zu tun, dass in dem Gesetz, das Sie gemacht haben, ein Weisungsrecht ent halten ist, das die beamtenrechtlichen Entscheidungen zur Dienstgestaltung auf einen privaten Träger überträgt. Das ist im Beamtenwesen eigentlich systemfremd.

Wenn man noch berücksichtigt, dass wir es in der Bewäh rungshilfe mit einer sehr hoheitsnahen Tätigkeit zu tun haben, erkennt man, dass es viel kritischer ist als bei einer Gesell schaft des Landes, die sich wirtschaftlich betätigt.

Die Qualität der Bewährungshilfe ist uns ein ganz wichtiges Anliegen. Wichtig ist, dass wir den Schlüssel bezüglich der Zahl der Probanden einerseits und der Zahl der Bewährungs helferinnen und Bewährungshelfer andererseits erhalten und vielleicht noch verbessern können. Das ist ganz wichtig.

An dieser Stelle gilt mein Dank auch allen Bewährungshelfe rinnen und Bewährungshelfern, allen hauptamtlichen und al len ehrenamtlichen Kräften, die sich in der Bewährungshilfe einsetzen. Sie ist notwendig für unsere Sozialarbeit im An schluss an den Strafvollzug, und idealerweise ersetzt sie den Strafvollzug.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir werden deshalb darauf achten, dass wir – egal, in welcher Betreiberform wir die Bewährungshilfe haben – die Standards, die entwickelt wurden, beibehalten, dass wir die Qualitätskon trolle fortführen, dass wir das Berichtswesen fortführen und dass wir die Struktur, die sich jetzt durchaus angelassen hat, beibehalten. Aber: Diese Struktur ist – das sage ich ausdrück lich – unabhängig von einem Betreiber. Wenn Sie bedenken, dass wir europaweit ausschreiben müssen, können Sie nicht sicher sein, dass NEUSTART automatisch wieder zum Zug kommt. Eine europaweite Ausschreibung ist natürlich jetzt viel interessanter als vor zehn, elf Jahren, da man eine Struk tur hat, in die ein Betreiber dann einsteigen kann. Ich bin si cher, wenn man ausschreiben würde, gäbe es im Rahmen ei ner europaweiten Ausschreibung zahlreiche Mitbewerber.

Zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist jetzt schon ei niges gesagt worden. Das Urteil führt dazu, dass wir natürlich genau prüfen müssen, auf welcher rechtlichen Grundlage wir die Bewährungshilfe fortführen. Das Gesetz, das damals ge macht wurde, liefert diese Grundlage nicht. Es ist nicht geeig net, es ist in sich widersprüchlich. Das Bundesverwaltungs gericht spricht sogar von einem Scheitern des Gesetzes. Ich habe selten ein derart vernichtendes Urteil – auch wenn es da zu bisher nur eine Pressemitteilung gibt – erlebt wie in die sem Fall, in dem von einem Scheitern des Gesetzes die Rede ist.

Das Justizministerium war vonseiten des beklagten Landes natürlich in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsge richt vertreten. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort waren, haben mir geschildert, dass es in einer mündli chen Verhandlung vor einem obersten Gericht selten einen derartigen vernichtenden Verriss wie in diesem Verfahren ge geben hat, in dem das Gesetz über die Übertragung des Wei sungsrechts zur Verhandlung anstand.

Deswegen: Wir müssen dieses Urteil genau prüfen, wenn die Entscheidungsgründe vorliegen. Diese waren einmal für En

de Januar, Anfang Februar angekündigt. Ich hoffe, dass sie bald vorgelegt werden. Dann werden wir klare Regelungen schaffen. Ich bin sicher, wir werden Regelungen schaffen, bei denen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Be währungshilfe auch künftig motivieren können und bei denen es uns sicher auch gelingt, die Motivation und den Beitrag der ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu er halten und auszubauen.

Eines muss ich doch sagen: Wir haben nun einmal im Bereich der Bewährungshilfe noch viele Beamtinnen und Beamte. Wir brauchen sie auch künftig. Wir brauchen sicher künftig auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht Beamtinnen und Beamte sind. Aber wir müssen das ordentlich regeln. Da ran arbeiten wir dann, wenn das Urteil vorliegt. In den nächs ten Wochen werden wir dann eine Entscheidung treffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wird in der zweiten Runde von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Herr Abg. Professor Dr. Goll, ganz kurz. Ihre Redezeit ist bereits überschritten.

(Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a. Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Dann nicht! – Zuruf von der SPD: Das geht doch nicht! Das gehört abgepfiffen! – Ge genruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Immer mit der Ruhe! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Herr Präsident!)

Ich beschränke mich auf ganz wenige Hinweise.

(Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Zurufe von den Grünen und der SPD, u. a. Abg. Sandra Bo ser GRÜNE: Entweder Sie haben Redezeit, oder Sie haben keine Redezeit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, geben Sie bitte Herrn Kollegen Dr. Goll noch die Möglichkeit für einen Schlusssatz, und dann ist es gut.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zu rufe von den Grünen und der SPD)

Jetzt läuft die Zeit allerdings auch ab. – Von den verschiedenen Hinweisen, die noch ange bracht wären, will ich nur einen einzigen nennen. Wenn Sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts lesen, fällt gerade durch das Zitat, das wir gehört haben, auf, dass es um eine rein technische Frage geht.

Dieses Gesetz wurde übrigens vom Verwaltungsgericht gebil ligt, in dem sehr gute Juristen sitzen, es wurde vom VGH ge billigt, in dem anscheinend noch bessere Juristen sitzen; und jetzt wird eine Unklarheit entdeckt. Mehr ist das nicht.

Deswegen sage ich: Dieses Urteil kann man sicherlich nicht zum Vorwand für eine politische Entscheidung nehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr verantwortungsvoll damit umgegangen, Herr Professor!)

Vielen Dank. – Herr Kollege Zim mermann von der CDU-Fraktion.

Wer sich die Rede des Kol legen Binder angehört hat und wer sich die Reden des Minis ters und meines Kollegen Filius angehört hat,

(Abg. Sascha Binder SPD: Hervorragend!)

hörte zunächst Lob, Lob für die Bewährungshilfe, wie sie von der Firma NEUSTART organisiert wurde,

(Abg. Sascha Binder SPD: „Firma“! Ich denke, das ist ein freier Träger!)

und sehr viel später kommt dann irgendwann ein Aber. Aber wir wissen immer noch nicht, was der Redner eigentlich kon kret will. Dann fragt der eine: „Wissen Sie, dass Sie dann eu ropaweit ausschreiben müssen?“ und betont dabei: Das ist ei ne wahnsinnige Arbeit.

Ja, liebe Leute, das ist mir klar. Europaweit ausschreiben muss heute schon ein kleiner Bauunternehmer,

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

wenn eine bestimmte Preisgrenze überschritten wird. Und die se 1-Million-€-Grenze haben wir.

Ihre Einsparung, Herr Kollege Binder, von 10 % oder was an visiert wurde

(Abg. Sascha Binder SPD: Das war euer Ziel!)

ja, ja –, die haben wir – ich sage es Ihnen – bei Weitem er reicht, wenn wir alle – –

(Abg. Sascha Binder SPD: Nein! Das sagt doch der Rechnungshof!)

Der Rechnungshof ist doch nicht der große Gott. Ich sage Ihnen, was Sache ist.

(Vereinzelt Beifall – Lebhafte Zurufe von den Grü nen und der SPD )

Wenn Sie bei meiner Rede genau zugehört haben, haben Sie gehört, dass ich gesagt habe: Wir haben seit 2007 – Zufall? – hervorragende Bewährungshilfearbeit und – zufällig? – kon stant eine niedrigere Gefangenenzahl. Die bewegt sich stän dig bei knapp 1 000 Gefangenen weniger.

(Zurufe der Abg. Muhterem Aras GRÜNE und Wolf gang Drexler SPD)

Leute, es geht um den Landeshaushalt. Wisst ihr, was ein Gefangener den Steuerzahler in Baden-Württemberg pro Tag kostet? Das sind weit über 100 € pro Tag und Kopf.