Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manchmal wäre es schön, wenn Sie Ihre Reden hal ten könnten, nachdem Sie mir zugehört und Ihre Manuskrip te daraufhin angepasst hätten. Dann könnten Sie vielleicht spezifischer antworten. Denn ich war sehr präzise. Ich will das einfach einmal sagen.
Ich habe jetzt ausnahmsweise einmal keine Gemeinschafts schuldebatte geführt, sondern habe über die Folgen Ihrer Ent scheidungen gesprochen. Herr Minister, wenn Sie jetzt mein ten, dieses Fass noch einmal aufmachen zu müssen: Bitte, das könnten wir. Aber ich nehme Sie jetzt sozusagen beim Wort und beschreibe die Kollateralschäden Ihrer eigenen Politik. Ich erwarte zusammen mit den Lehrerverbänden – die CDUFraktion tut dies insgesamt –, dass Sie die Probleme, die Sie selbst geschaffen haben, allmählich – in Gottes Namen – ein mal lösen sollten. Das kann man jetzt doch wirklich erwarten.
Zur Geschichte mit dem „Sollen“ und Ihrer Aussage, das sei suggestiv: Entschuldigung, wer, bitte, hat denn das Zweisäu lenmodell entwickelt? Neben dem Gymnasium – – Wie es mit dessen langfristiger Existenz aussieht, das sei jetzt noch ein mal dahingestellt.
Ja, ja. Ich kann mich noch erinnern, wie da argumentiert worden ist: Die Abschaffung sei zurzeit nicht durchsetzbar.
Neben dem Gymnasium soll es nur noch eine Schule geben. Wo ist da noch Platz für die Hauptschule, wo für die Real schule, wo für die Werkrealschule, wo für die Förderschule? Entschuldigung, das ist Ihre Politik. Insofern ist es ein „Sol len“.
Ich kann verstehen, Herr Käppeler, wenn Sie sagen, dass die Schulverwaltungen und Direktoren sensibel mit den Aufga ben umgehen. Das ist richtig. Das erwarte ich auch. Es ist in Ordnung, dass die Leute vor Ort versuchen, mit den Proble men irgendwie fertig zu werden. Aber das, was nicht in Ord
nung ist, ist der große Rahmen, sind die Konzepte, ist die Po litik, die Sie jetzt seit geraumer Zeit ankündigen. Jetzt sind Sie seit dreidreiviertel Jahren an der Regierung – ich war ja auch einmal Regierungsmitglied; ich habe mir gesagt: allmäh lich musst du anlässlich der Debatte etwas Butter bei die Fi sche tun und einmal etwas sagen –, doch statt so zu handeln, verschärfen Sie die Probleme und kündigen immer noch an, dass Sie die Folgen Ihres eigenen Handelns irgendwann noch bewältigen werden. Das ist ein bisschen spät, muss man da schon sagen.
Alles, was Sie heute in der Debatte gesagt haben, sind eigent lich Ablenkungsmanöver. Ich will Sie einmal ganz simpel an Folgendes erinnern: Vor ungefähr einem halben Jahr haben wir hier in diesem Haus einen einstimmigen Beschluss ge fasst, der die Weiterbildungsperspektiven für die Hauptschul lehrer verbessern sollte. Nichts ist seither geschehen. Es gibt nach wie vor nur eine Ankündigung. Das ist das, was wir kri tisieren.
Das Thema heute heißt eigentlich nicht „Gemeinschaftsschu le“, sondern das Thema heißt „Soziale Verantwortung gegen über den Lehrern, der Sie nicht gerecht werden“.
Es handelt sich um einen Berichtsantrag, der mit der Ausspra che für erledigt erklärt werden kann. – Sie stimmen dem zu.
Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Wiederholer zahlen an Realschulen und Gymnasien steigen massiv an! – Drucksache 15/4099 (Geänderte Fassung)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei auch hier ge staffelte Redezeiten gelten.
Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Jahren, am 27. Feb ruar 2013, hat Kultusminister Stoch bereits zu dem Thema „Sitzenbleiben – ja oder nein?“ hier im Plenum geäußert – ich zitiere –:
Dadurch, dass wir stärker auf die Schwächen des einzel nen Schülers eingehen, wollen wir das Sitzenbleiben über flüssig machen.
Meine Damen und Herren, recht hatte er damals gehabt, und das war auch die Linie der früheren Landesregierung, die da
zu geführt hat, dass wir im Jahr 2011 deutschlandweit fast die Spitzenreiterrolle hatten. In Baden-Württemberg gab es näm lich nur 1,2 % Sitzenbleiber in den fünften Klassen. Das war ein absolut vorbildlicher Spitzenwert – nach Schleswig-Hol stein –, der erreicht wurde, weil wir die Bildungspolitik im mer darauf konzentriert haben, die Kinder so zu fördern, dass ein Sitzenbleiben überflüssig wurde.
Jetzt haben wir das Jahr 2015. Die grün-rote Landesregierung kam 2011 ans Ruder, die verbindliche Grundschulempfehlung wurde überhastet abgeschafft. Deswegen zeige ich Ihnen die se Folie,
die die niedrige Sitzenbleiberquote sowohl bei den Realschu len als auch bei den Gymnasien bis zum Jahr 2011 sehr deut lich macht. Das ist die vernünftige Erklärung dafür, dass nach dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung – oh ne Vorbereitung für die Schulen – die Sitzenbleiberzahlen so wohl an den Realschulen als auch an den Gymnasien dras tisch angestiegen sind.
Wir hatten bei den Realschulen im Schuljahr 2011/2012 in den fünften Klassen eine Sitzenbleiberquote von 0,7 %, im Jahr 2013 waren es 3,1 %, und im Jahr 2014 betrug die Quote 4,4 %. Das heißt, die Sitzenbleiberquote hat sich an den Real schulen versechsfacht, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit. An den Gymnasien haben wir eine ähnliche Ent wicklung.
Zwei Jahre später äußert sich der Kultusminister in einer Stel lungnahme zu einem parlamentarischen Antrag, mit dem wir gefragt haben, wie die Landesregierung das Realschulkonzept umsetzen will, wie folgt – ich zitiere daraus –:
Es ist – abgesehen vom Übergang von Klasse 5 nach Klasse 6 – dabei nicht vorgesehen, die Möglichkeit einer Nichtversetzung von Schülerinnen und Schülern abzu schaffen.
Meine Damen und Herren, jetzt soll offensichtlich in Schrit ten das Sitzenbleiben abgeschafft werden, weil Sie, Herr Kul tusminister, kalte Füße bekommen.
Sie geben den Schulen keine Lösung des Problems an die Hand, sondern auf dem Rücken der Kinder und der Eltern ka schieren Sie ein Problem.
Wenn wir die Zahlen mit denen aus dem Jahr 2011 verglei chen, müssen wir feststellen: Damals gab es einen positiven Spitzenwert im Ländervergleich. Mittlerweile sind Sie auf dem besten Weg, im Ländervergleich für Baden-Württemberg die rote Laterne zu übernehmen.
Die Hauptursache ist klar: Die verbindliche Grundschulemp fehlung haben Sie bzw. hat Ihre Vorgängerin überhastet mit dem Argument abgeschafft, man wolle die Eltern glücklich
machen. Heute haben wir das Ergebnis: Die Eltern sind un glücklich. Sie sind verunsichert und haben Ängste, wenn sie mit Überforderungen ihrer Kinder durch die Schule konfron tiert werden, deren Ausmaß an den Realschulen, an den Gym nasien – ohne die jeweils passende Bildungsempfehlung – deutlich zugenommen hat.
Sie haben nicht dazugelernt, obwohl Sie nach drei Jahren ge nau diese Entwicklung sehen. Sie verschließen die Augen da vor und fällen die falschen Entscheidungen. Dabei ist eigent lich jedem Pädagogen, jedem vernünftigen Pädagogen klar, dass man, wenn ein Kind auf eine weiterführende Schule kommt, zunächst einmal eine vernünftige Eingangsdiagnose vornehmen muss: Was kann der Schüler? Was weiß der Schü ler? Wie hat sich die junge Persönlichkeit entwickelt? Wo gilt es pädagogisch anzuknüpfen? Wo liegen die Stärken und Schwächen eines Schülers?
Aber Sie verhindern durch das Verbot der Informationswei tergabe eine vernünftige Bestandsaufnahme von Anfang an. Dadurch geht den Pädagogen viel Zeit verloren, bis sie im Un terricht da anknüpfen können, wo die Schüler letztlich stehen.
Ein Zweites kommt hinzu: Es fehlt die Unterstützung in den Eingangsklassen. Dazu darf ich aus der „Südwest Presse“ vom 30. Januar 2015 zitieren. Da ging es um die Frage, wie viel Unterrichtsressourcen den Realschulen im Rahmen Ihres neu en Konzepts jetzt zur Verfügung gestellt werden. Sie haben hier im Plenum und auch gegenüber den Realschulen verkün det, dass es 500 Deputate sein sollen. Ich zitiere aus der „Süd west Presse“:
Danach sollen die Realschulen im Doppeletat mit zusätz lich 350 Stellen gestärkt werden; die ersten 241 Deputa te sind für 2015 eingeplant, weitere 109 für 2016.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten – die Landespresse muss ja nicht immer korrekt wiedergeben, was Sie meinen –: Entwe der es handelt sich hier um eine missverständliche Aussage – dann bitten wir Sie, Herr Minister, diese zu korrigieren –, oder es ist so, dass Sie den Realschulen eben keine 500 Deputate zur Verfügung stellen. Aber dann sagen Sie das in aller Offen heit. Denn 500 Deputate sind das Allermindeste, was man den Realschulen zugutetun muss, um der zunehmenden Hetero genität gerecht zu werden.
Außerdem, meine Damen und Herren, setzen Sie diese Depu tate nicht dort ein, wo sie dringend erforderlich sind, um die Sitzenbleiberzahlen nach unten zu korrigieren, nämlich in den Eingangsklassen, in der Jahrgangsstufe 5 und der Jahrgangs stufe 6. Die Realschulen brauchen diese Stellen sofort und nicht quasi häppchenweise verteilt auf die nächsten Jahre.