Protocol of the Session on February 4, 2015

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ja, „regionale Schul schließung“ war das!)

Das haben Sie nie gemacht; dieser Frage haben Sie sich nie gestellt.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: „Regionale Schul schließung“!)

Das war Ihnen eigentlich schlichtweg egal – trotz der Reden, die Sie immer wieder zur Hauptschule gehalten haben.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Rosa Grünstein SPD)

Wir stehen im gesamten Bildungsbereich, was die Lehrkräf te angeht, vor einer großen Herausforderung, weil ein großer Teil der Lehrkräfte in diesem Bereich über 55 Jahre alt sind. Da ist es natürlich bei den Reformen, die hier angesichts der größeren Heterogenität in allen Schulen anstehen, eine große Herausforderung, dass wir auch für die Lehrkräfte, die im Schulsystem sind, in den nächsten Jahren sehr viel für Quali fizierung und Bildung aufbringen müssen. Das ist ganz klar. Da brauchen wir entsprechende Anpassungen, damit die Leh rer diese Arbeit auch gut machen können. Deswegen werden wir auch ein breit gefächertes Fortbildungsangebot für die Lehrer aufsetzen, das den Lehrern nicht bloß die zusätzlichen Qualifikationen ermöglicht, sondern auch Aufstiegschancen eröffnet, auch im Rahmen eines einheitlichen Besoldungssys tems, das wir in der zweiten Säule natürlich durchgängig brau chen. Das werden wir in den nächsten Jahren zügig umsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das Wort für die SPDFraktion erteile ich Herrn Abg. Käppeler.

(Abg. Walter Heiler SPD: Jetzt kommt Klasse in die Debatte!)

Herr Präsident, meine sehr ge ehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Tagen, am 2. Fe bruar dieses Jahres, hat der baden-württembergische Kultus minister Andreas Stoch die vierte Tranche der Gemeinschafts schulen im Land bekannt gegeben.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ich habe gedacht, das war am Freitag vorher schon geklärt!)

Den bisherigen 209 Gemeinschaftsschulen im Land folgen zum Schuljahr 2015/2016 weitere 62, darunter nicht nur Haupt- und Werkrealschulen,

(Abg. Georg Wacker CDU: 90 %!)

sondern auch Realschulen.

Der Erfolg dieser von uns eingeführten Schulart, liebe Kolle ginnen und Kollegen von der CDU, lässt sich auch an diesen Zahlen bemessen und auch von Ihnen nicht mehr bestreiten. Abermals sind wieder viele Gemeinden mit CDU-Bürgermeis tern darunter.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Ja warum denn? – Abg. Georg Wacker CDU: Der rettende Anker!)

Es scheint ein wenig so, dass Sie mit Ihrem Antrag einmal mehr und zunehmend hilflos versuchen, diese Schulart schlecht zureden. Diesmal kommen Sie durch die Hintertür und unter stellen uns zweierlei: Wir würden die Haupt- und die Werkre alschulen schließen – diese Behauptung ist nicht neu –, und wir ließen die Lehrerinnen und Lehrer anschließend im Re gen stehen. Ganz schön mutig angesichts der Tatsache, dass Sie während Ihrer Regierungszeit jahrelang die demografische Entwicklung missachtet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Hätten Sie den Mumm besessen, sich schon vor Jahren an die regionale Schulentwicklung zu wagen, hätten auch die von Ihnen nun entdeckten Hauptschullehrerinnen und -lehrer et was davon gehabt.

(Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Sie wissen ebenso gut wie wir, dass es nicht Parteiprogram me sind, die Schulen auslaufen lassen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Och!)

Es ist die Demografie, die den Haupt- und den Werkrealschu len die Schülerinnen und Schüler nimmt, ebenso wie ein ver ändertes Schulwahlverhalten. Dies geschieht schon seit vie len Jahren, verstärkt in ländlichen Gebieten. Beispiele in mei nem Wahlkreis sind Orte wie – Herr Glück kennt sie – Mehr stetten, Münsingen, Auingen, Hayingen, und auch in der Hei matgemeinde von Herrn Röhm – er ist gerade nicht da –, Go madingen, gibt es keine Hauptschule mehr.

Die Abnahme der Schülerzahlen an diesen Standorten begann schon lange vor unserer Regierungsübernahme im Jahr 2011. Inzwischen sind diese Schulen geschlossen. Die Lehrerinnen und Lehrer kamen an benachbarten Grundschulen und Haupt schulen unter. Eine Lehrerin aus Hayingen kam an einer Re alschule in Ehingen unter.

Auch meine eigene Schule ist von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen. Jedes Jahr verliere ich eine Kollegin an die Grundschule, an die Hauptschule oder auch an die Gemein schaftsschule. Sie sehen also, diese Lehrerinnen und Lehrer werden nicht heimatlos, wie Sie es behaupten, sondern sie werden gebraucht.

Gleichwohl wissen wir, dass wir den Lehrerinnen und Leh rern verlässliche Perspektiven aufzeigen müssen. Dies tun wir auch. Erst kürzlich habe ich zu dieser Thematik einen Aufsatz in der Zeitschrift der GEW verfasst. Haupt- und Werkreal schullehrer haben bereits heute die Möglichkeit, an eine Re alschule oder eine Gemeinschaftsschule zu wechseln. Gerade die Realschulen – die künftig auch den Hauptschulabschluss anbieten dürfen – werden von der Erfahrung dieser Lehrerin nen und Lehrer profitieren. Aber auch die Gemeinschaftsschu len, die durch eine heterogene Schülerschaft geprägt sind, bie ten sich gerade hierdurch für einen Wechsel an.

Diejenigen unter den Lehrerinnen und Lehrern, die sich wei terqualifizieren möchten, werden wir in diesem Wunsch un terstützen. Natürlich muss sich dies dann auch in der Besol dung niederschlagen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, von einer Fraktion, die den Namen Gemeinschaftsschule noch immer in Anführungszeichen schreibt, müssen wir uns nichts sagen lassen. Sie leben an der Realität vorbei. Dies haben Sie schon immer getan. Ich erinnere nur an die Ganztagsschule.

Während Sie jegliche gesellschaftliche Weiterentwicklung verschlafen, stellen wir uns unterstützend hinter die tragende Säule unseres Bildungssystems, nämlich die baden-württem bergischen Lehrerinnen und Lehrer.

Noch eine Anmerkung zum Schluss. Herr Müller, wenn Sie von 43 000 Lehrern sprechen und dann auf die Hauptschul lehrer eingehen, dann sollten Sie gerechterweise auch darauf hinweisen, dass ein Großteil dieser Lehrer Grundschullehrer sind. Nur die wenigsten dieser Lehrer sind Hauptschullehrer.

(Abg. Ulrich Müller CDU: Habe ich gesagt!)

Sie haben über miserable Zufriedenheitswerte gesprochen, die die GEW offenbar veröffentlicht hat. Ich lade Sie deshalb ein, meine Schule zu besuchen. Sie dürfen gern mit meinen Kol legen oder auch den Kollegen der Nachbarschule sprechen. Dann werden Sie feststellen, dass es auch sehr viele zufriede ne Lehrer gibt.

Außerdem werfen Sie uns eine mangelnde Sensibilität in die sem Bereich vor. Zumindest mir persönlich dürfen Sie abneh men, dass mir sehr wohl das Wohl meiner Kolleginnen und Kollegen, die die Schule verlassen müssen, am Herzen liegt. Ich denke, das werden auch alle anderen Rektorenkollegen sagen, die in dieser Situation sind. Ich weiß von den Schul ämtern, dass sich diese, wenn es um Bewerbungen und Ver setzungen geht, in erster Linie um diejenigen Kolleginnen und Kollegen kümmern, die eine Hauptschule verlassen müssen, und diesen eine Perspektive aufzeigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! In einem Punkt können wir Freien Demokraten die Grünen und die SPD verstehen. Wenn wir wie Grün-Rot mit unserer Bildungspolitik insgesamt auf das Ende einer Schulart hinarbeiten würden, die über Jahrzehnte hinweg zahllosen jungen Menschen Chancen und Lebensper spektiven eröffnet hat, dann würden wir bei der Beantwortung der mit dem vorliegenden Antrag gestellten Fragen ähnlich herumdrucksen, wie es die Landesregierung hier getan hat.

Ein Beispiel ist die Beantwortung der Frage unter Ziffer 1 des Antrags. Die CDU will u. a. wissen, „wie viele Haupt-/Werk realschulen seit dem Schuljahr 2011/2012 im Land geschlos sen wurden bzw. abgewickelt werden“. Die Antwort lautet:

Eine Statistik zur Zahl der Anträge auf Schulschließung liegt nicht vor.

Dies ist doch entweder eine hilflose Schutzbehauptung, weil Sie auf dem falschen Fuß erwischt wurden, oder eine geziel te Desinformation, weil Sie natürlich ungern eine dicke Zahl dichtgemachter Schulen in der Abschlussbilanz stehen haben wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist nicht nur im Umgang der Regierung mit dem Parlament ein schweres Foul, sondern das ist auch eine lausige Beantwortung und ein schwe rer Schlag ins Gesicht der Betroffenen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf: Seien Sie vorsichtig mit dem Schul frieden!)

Warum aber stürzt die Landesregierung das gesamte Bildungs system um, ohne den von der Schließung ihrer Schule betrof

fenen Lehrkräften Perspektiven für den weiteren Einsatz zu eröffnen? Die Antwort darauf findet sich in der Stellungnah me zur Frage unter Ziffer 9: Von fünf Unterrichtsstunden an der Gemeinschaftsschule werden demnach im Durchschnitt vier von ausgebildeten Grund- und Hauptschullehrern erteilt. Der Landesregierung dürfte es nicht unrecht sein, dass den Lehrkräften an den von Schließung bedrohten Haupt- und Werkrealschulen als weitere Perspektive nur die Tätigkeit an einer Gemeinschaftsschule zu bleiben scheint.

(Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE meldet sich. – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Lehmann?

Herr Kollege Lehmann, in den vergangenen knapp vier Jahren habe ich so ziemlich jede Frage von Ihnen zugelassen. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass diese Zwischenfragen uns im Bildungsbereich auch nur einen einzigen Millimeter vorangebracht haben. Des halb schenken wir uns das.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Davon erhofft sich Grün-Rot vielleicht, auch die skeptischen Lehrerinnen und Lehrer zu einer Gemeinschaftsschulbefür wortung überreden zu können. Überzeugen wird die Regie rung von ihrem Konzept so aber niemanden, im Gegenteil.

Mit seinem sogenannten Realschulweiterentwicklungskon zept gibt der Kultusminister zu erkennen, dass er der Haupt- und Werkrealschule insgesamt keinerlei Zukunftsperspektive mehr gibt. Stattdessen legt er damit neues Dynamit an das ge samte Bildungssystem an.