Protocol of the Session on December 12, 2014

Der zweite Problempunkt lag einfach darin, dass sich die Stu dierenden und die Hochschulleitung an der einen oder ande ren Hochschule nicht einigen konnten, wie die Qualitätssiche rungsmittel ausgegeben werden sollen, sodass wir in diesem Bereich Haushaltsreste von 70 bis 80 Millionen € haben, Haushaltsmittel, die eigentlich dringend an den Hochschulen gebraucht werden, aber in irgendwelchen Rücklagen – bei ei ner Bank oder im Ministerium – herumliegen, was nicht Sinn der Erfindung ist.

Deswegen haben wir uns nach längerer Diskussion dafür ent schieden, einen großen Teil dieser Qualitätssicherungsmittel verlässlich in die Grundfinanzierung der Hochschulen zu über führen und den Studierenden als Ausgleich einen Topf mit 20 Millionen € zu geben. Damit hat er zwar ein geringeres Vo lumen als der, der bisher durch sie mitbestimmt werden konn te, aber dafür können sie allein über die Mittelverwendung entscheiden. Das heißt, die Studierenden in Baden-Württem berg werden zukünftig in einem vorgegebenen gesetzlichen Rahmen allein entscheiden können, wohin diese Mittel gehen. Bisher mussten sie das Einvernehmen mit der Hochschullei tung herstellen. Ich meine, das ist ein guter, ein vernünftiger Kompromiss, um dem Ziel guter Arbeit an den Hochschulen gerecht zu werden und die studentische Mitbestimmung und die studentische Mitentscheidung an den Hochschulen weiter nach vorn zu bringen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Alexander Salo mon GRÜNE)

Meine Damen und Herren, ich sprach davon, dass die Grund finanzierung erhöht wird und Programmmittel, Zweitmittel – QSM – verstetigt, veredelt werden. Dafür erwarten wir dann aber auch eine Gegenleistung der Hochschulen in BadenWürttemberg. Diese Gegenleistung – zum Teil wurde es schon genannt – besteht darin, dass die Anzahl der Studienplätze auf rechterhalten werden muss, aber die große Gegenleistung, die der SPD besonders wichtig ist, ist, dass mit diesen veredelten Mitteln unbefristete Stellen geschaffen werden.

Es kann nicht sein, dass an den Hochschulen von Baden-Würt temberg eine sehr große Anzahl von Stellen sachgrundlos be fristet sind. Das muss sich ändern. Ich nenne Ihnen mal eini ge Zahlen – das sind eigentlich unglaubliche Zahlen –: 43 % des gesamten hauptberuflichen Personals an den Hochschu len in Baden-Württemberg haben befristete Arbeitsverträge.

82 % der wissenschaftlichen Mitarbeiter haben befristete Ar beitsverträge.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist so!)

Das mag zum Teil berechtigt sein, weil es Programmmittel sind, die beispielsweise von der DFG kommen. Aber all die jenigen, die sachgrundlos befristet beschäftigt werden, wol len wir in befristete,

(Abg. Claus Schmiedel SPD und Abg. Alexander Sa lomon GRÜNE: Unbefristet!)

nein, in unbefristete Arbeitsstellen überführen. – Ich bedanke mich; das ist ein Zeichen, dass Sie mir zuhören, lieber Claus Schmiedel.

Um Ihnen vor Augen zu führen, wie drastisch die Situation an unseren Hochschulen eigentlich ist, nenne ich zwei weitere Zahlen: 97 % der unter 30-Jährigen an unseren Hochschulen haben befristete Arbeitsverträge – 97 %, also praktisch alle. Was für eine Perspektive ist das für die junge Generation? 90 % der 30- bis 40-Jährigen – in dieser Phase gründet man gerade eine Familie und will womöglich ein Haus bauen – ha ben befristete Arbeitsverträge. Kann man denn mit einem be fristeten Arbeitsvertrag bei der Bank einen Kredit bekommen, um ein Haus zu bauen? Eher nicht.

Deswegen wollen wir das ändern. Diese Zustände an unseren Hochschulen, meine Damen und Herren von der Opposition, sind eine weitere Erblast, die die Mitarbeiterinnen und Mitar beiter an unseren Hochschulen zu tragen haben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Meine Kollegin Heberer wird gleich noch etwas zum Thema Kultur sagen. Deshalb will ich zum Abschluss noch die Bau- und Sanierungsmittel hervorheben, die wir neu in den Haus halt einstellen werden. Wir werden die Sanierungsmittel und die Baumittel für den Hochschulbereich um jährlich 100 Mil lionen € erhöhen. Es werden also bis zum Jahr 2020 zusätz lich 600 Millionen € in die Hochschulen fließen. Das bedeu tet, dass alle baureifen Projekte in diesem Zeithorizont abge arbeitet werden können und alle Sanierungen erfolgen kön nen. Ich denke, auch dies ist ein sehr gutes Signal an die Hoch schullandschaft in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deswegen ist es richtig: Diese Regierung – Grün-Rot – ist gut für Baden-Württemberg und sehr gut für die Hochschulland schaft in unserem Land.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Bullinger das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich mei nen geschätzten Kollegen, den wissenschaftspolitischen Spre cher Kai Schmidt-Eisenlohr, der sicherlich aus Interesse zu Hause zuschaut, herzlich grüßen.

(Beifall des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Ich schätze ihn sehr. Vielleicht hat er seinen Sohnemann im Arm und schaut zu, wie wir uns über Hochschule unterhalten.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Es geht auch ohne ihn!)

So viel vorweg. Der Gruß ist wirklich ehrlich und nicht iro nisch gemeint, damit das klar ist.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Frau Ministerin, der Kritik der Kollegin Kurtz, was die Klar heit, die Wahrheit und die Transparenz dieses Haushalts an geht, stimme ich voll zu. Denn, meine Damen und Herren, kaum ein Haushalt ist so schwammig in den Büchern festge legt – das hört sich alles gut an, ist aber unbestimmt – wie die ser Haushalt. Jeder Gemeinderat lernt in der zweiten Sitzung oder spätestens, wenn er den ersten Haushalt macht, dass man auch einen Gemeindehaushalt ein bisschen konkreter machen müsste, als es bei diesem uns vorgelegten Haushalt der Fall ist.

Meine Damen und Herren, seit knapp zwei Jahren bin ich für meine Fraktion der Sprecher für Wissenschaft und Kunst. Schon davor habe ich mich damit beschäftigt – das möchte ich einfach noch einmal klarstellen –, welch tolles Forscher land, welch tolles Erfinder- und Tüftlerland Baden-Württem berg ist. Als früherer Amtschef des Wirtschaftsministeriums, für den die Institute, die Förderung der Forschung, die Zusam menarbeit mit der Wirtschaft wichtige Themen waren, möch te ich mich nicht nur bei den Hochschullehrern, bei den Mit arbeiterinnen und Mitarbeitern, bei den Studenten bedanken, sondern vor allem auch bei der Wirtschaft, die uns über 80 % aller Forschungsmittel zur Verfügung stellt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das sollte man an dieser Stelle auch erwähnen, wenn man den Landeshaushalt bespricht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr richtig!)

Wir haben hier mit unseren Hochschuleinrichtungen, ob dies die Universitäten, die Hochschulen für angewandte Wissen schaften, die Pädagogischen Hochschulen, die Duale Hoch schule, die Kunsthochschulen oder die Musikhochschulen sind, ein wirkliches Juwel. Den Wohlstand, den Reichtum, die Attraktivität Baden-Württembergs – nicht nur aus dem Aus land, sondern auch innerhalb Deutschlands wollen die Men schen zu uns – haben wir dieser exzellenten Hochschulland schaft und diesen Einrichtungen zu verdanken.

Dass dieses Innovationsland so attraktiv ist, zeigt sich nicht erst seit drei Jahren, sondern das ist ein Verdienst jahrzehnte langer Arbeit und Unterstützung der Vorgängerregierungen. Ich nenne nur zwei Namen: von Trotha und Professor Fran kenberg. Auch das sollte man an dieser Stelle einmal klarstel len.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Eine Forschungslandschaft entsteht nicht in drei, vier Jahren und schon gar nicht durch die Art, wie Sie sie gestalten.

Wie gesagt, wir werden europaweit beneidet, und es gilt, die ses Juwel zu erhalten. Dass wir dort stehen, wo wir stehen, ist nicht erst seit gestern und nicht erst seit vier Jahren der Fall. Auch wenn im Sommer vergangenen Jahres, Frau Ministerin, aufgrund des wirklich verunglückten Vorstoßes bei den Mu sikhochschulen der Eindruck erweckt wurde, es gäbe nichts außer den Musikhochschulen, möchte ich trotzdem sagen: Die Musikhochschulen sind für das Land Baden-Württemberg sehr wichtig, und es ist richtig, alle Standorte zu erhalten und fortzuentwickeln. Über Letzteres müssen wir noch mit dem einen oder anderen reden.

(Beifall der Abg. Dr. Timm Kern und Andreas Glück FDP/DVP)

Nach der Novellierung des Landeshochschulgesetzes wären sicher einige Korrekturen nötig. Aber wir müssen noch ein bisschen abwarten, was sich in der Praxis bewährt oder nicht bewährt. Vor allem müssen wir – das ist heute noch nicht an gesprochen worden – nochmals ins Detail gehen – im kom menden Jahr, glaube ich – und uns über eine stärker praxis orientierte und zukunftsfähige Lehrerausbildung unterhalten. Denn auch dort muss man, glaube ich, das Thema Bachelor/ Master noch etwas hinterfragen, vor allem im Hinblick dar auf, was wir draußen im Schulalltag benötigen.

Bemerkenswert an diesem Haushalt ist, dass das momentan Bedeutendste darin eigentlich gar nicht vorkommt: der neue Solidarpakt für die Hochschulen. Aber keine Sorge: Wir, die Fraktion der FDP/DVP, werden Ihre Bemühungen, Frau Mi nisterin, natürlich im Großen und Ganzen anerkennen und un terstützen, die aus unserer Sicht berechtigten Forderungen der Hochschulen auch umzusetzen.

Im Wesentlichen handelt es sich um Folgendes:

Erstens geht es um eine regelmäßige Erhöhung der Grundfi nanzierung der Hochschulen zwecks Kostensteigerungsaus gleichs. Dies ist ein zentrales Anliegen vor allem der Univer sitäten.

Zweitens geht es um eine Verstetigung der bislang nur befris tet gewährten Mittel, insbesondere für den Studienplatzaus bau. Dies ist eine zentrale Forderung vor allem der Hochschu len für angewandte Wissenschaften und der Dualen Hochschu le mit ihren Standorten. Diese Hochschulen dürfen für ihr En gagement beim Studienplatzausbau nicht bestraft werden.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Mittlerweile hat die Landesregierung angekündigt, diese bei den Hauptforderungen, Frau Ministerin, umzusetzen,

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

und hat hierfür auch die Verteilung der Mittel für die Jahre 2015 bis 2020 angekündigt.

So erfreulich dies ist, gilt es jedoch auch auf das Kleinge druckte zu achten. Denn die Berechnung der Mittel darf nicht diejenigen Hochschulen bestrafen, die sich am engagiertesten am Hochschulausbau beteiligt haben. In der Regel handelt es sich dabei, wie gesagt, um die Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Standorte der Dualen Hochschule. Die ses Engagement bei der Einrichtung neuer Studienplätze hat

dazu geführt, dass nun teilweise sogar die Hälfte eines Hoch schuletats aus Programmmitteln besteht. Wenn nun diese Pro grammmittel zwar verstetigt, aber nicht dynamisiert werden, dann sind wirklich die Fleißigen die Dummen. Auf meine Nachfrage hierzu hat sich die Ministerin problembewusst ge geben und auch in der Presse Abhilfe angekündigt. Dennoch gilt es darüber zu wachen, dass hier eine für alle Hochschul arten faire Lösung gefunden wird.

Widersetzen werden wir uns darüber hinaus der von der Wis senschaftsministerin angekündigten Beschränkung, Herr Kol lege, der studentischen Mitsprache auf 20 Millionen € – von ursprünglich 170 Millionen €, die als sogenannte Qualitätssi cherungsmittel zur Kompensation für die abgeschafften Stu diengebühren an die Hochschulen ausgeschüttet werden. Die se Beschränkung ist nicht nur ein Wortbruch gegenüber den Studierenden; denn Grün-Rot hat ihnen bei der Abschaffung der Studiengebühren zugesagt, die Qualitätssicherungsmittel würden im Einvernehmen mit den Studierenden verausgabt. Das ist Wortbruch, meine Damen und Herren.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Sie wollen doch die Studiengebühren wieder haben!)

Nein, es untergräbt auch eine gezielte Verausgabung der Mit tel für Zwecke, die dem Studium und den Studierenden un mittelbar nützen.

Die Ministerin gibt an, das sei nötig – gerade eben haben wir es auch wieder gehört –, um Dauerstellen schaffen zu können. Das ist aber keineswegs der Fall. Denn was spräche eigent lich dagegen, Frau Ministerin, Dauerstellen zu schaffen und die Studierendenvertretung einfach zu beteiligen und mitent scheiden zu lassen, wenn z. B. eine Neubesetzung ansteht? Frau Ministerin, ich glaube, Sie haben hier etwas missverstan den: Es geht hier nicht um Spielgeld, damit die Studentenver treter das Gefühl haben oder bekommen, auch etwas vom Ku chen abzubekommen. Für Spielgeld wären 20 Millionen € auch reichlich zu viel. Es geht hier um Angebote, die die Stu dienbedingungen verbessern, nämlich Tutorien und Lehrver anstaltungen zur Prüfungsvorbereitung, längere Öffnungszei ten von Bibliotheken, was für die Studentinnen und Studen ten eben wichtig ist. Darum ging es, und in dieser Hinsicht sollten sie auch mitbestimmen können. Da sollten sie das, was ihnen versprochen wurde, auch bekommen. Dem werden Sie mit dem, was Sie hier vorhaben, nicht gerecht.