Protocol of the Session on November 5, 2014

Sehr geehrter Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass der von Ihnen gerade so herausragend ge lobte Hans Pfeifer ein glühender Befürworter des geplanten Gesetzes ist und dass er schon längst darauf wartet, dass es endlich verabschiedet wird?

Er hat es aber ohne ein sol ches Gesetz geschafft, in der Innenstadt gute Arbeit zu leis ten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Er weiß, dass es in Stuttgart nicht nur die Königstraße gibt! Es gibt z. B. auch Bad Cannstatt!)

Er hat ja auch nicht nur die Königstraße im Blick. Ist das so? Es gibt auch Botnang oder Zuffenhausen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Er kennt sich aus! – Vereinzelt Heiterkeit)

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Frau Abg. Lindlohr.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das im Entwurf vorliegende Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative ist ein Gesetz des Ermöglichens. Es gibt allen, die gute Ideen haben, eine neue Möglichkeit, ihre Stadtteile und ihren Ein

zelhandel attraktiv zu gestalten. Wir von Grün-Rot unterstüt zen sehr gern Bürgerinnen und Bürger mit guten Ideen, und wir unterstützen gern auch Kommunen mit guten Ideen. Da rum unterstützen wir dieses Gesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir haben es vom Staatssekretär gehört: Die Lage im Einzel handel ist nicht einfach. Es gibt die Einkaufszentren auf der grünen Wiese; das ist die „altgediente“ Konkurrenz. Es gibt daneben seit einigen Jahren den wachsenden Onlinehandel. Natürlich ist in einer Marktwirtschaft Konkurrenz erst einmal nichts Schlimmes.

(Lachen des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Aber mit diesem Gesetz wollen wir ermöglichen, dass sich die innerstädtischen Quartiere in dieser Konkurrenzsituation selbst helfen können. Das ist nur fair.

Wir alle messen die Attraktivität einer Stadt oder eines Stadt teils an der Lebendigkeit. Gibt es dort Geschäfte? Gibt es ein Café? Stehen etwa Büros leer? Mit diesem Blick gehen wir durch die Städte und bewerten sie. Wir sagen: „Hier ist alles in Ordnung“ oder aber: „Hier geht es wohl bergab.“ Die Quar tiere, die den Stempel aufgedrückt bekommen, es gehe offen bar bergab, haben es äußerst schwer, wenn es darum geht, at traktiv für das Wohnen zu sein und neue Investitionen anzu ziehen oder Menschen zu finden, die dort Arbeitsplätze schaf fen.

Die Attraktivität ist also ein wichtiger Schlüssel für die Ent wicklung der Stadtteile und der Städte und Gemeinden. Da gibt es schon viele private Initiativen – wir haben es gehört: Cityinitiativen, Gemeinschaften, die sich bilden, um im Be reich des Einzelhandels Maßnahmen einzuleiten, um die At traktivität zu steigern. Die Weihnachtsbeleuchtung in einer durchgehenden Straße ist beispielsweise ein solches Thema, ebenso wie viele andere Ideen, die es im Land schon gibt.

Aber es ist eine Tatsache, dass sich die Struktur gerade im in nerstädtischen Einzelhandel so wandelt, dass es immer selte ner vorkommt, dass der Geschäftsführer eines Ladens gleich zeitig auch der Besitzer und Eigentümer der Immobilie ist. Es gibt immer mehr Erbengemeinschaften. Daher verstärkt sich die Tendenz, dass die einen initiativ werden und bezahlen, während die anderen davon profitieren, aber selbst nicht mit ziehen. Dieses Problem nimmt zu. Wir haben beispielsweise in einer Anhörung, die wir, die Fraktionen, vor längerer Zeit zu der Grundidee „Business Improvement Districts“ durch geführt haben, gehört, dass, wenn Citymanager auf Geschäf te zukommen, vonseiten des Besitzers oder der Verwaltungs gesellschaft gesagt wird: Der eigentliche Besitzer dieses Ge bäudes ist inzwischen ein amerikanischer Fonds, und der darf gar nichts geben. Die Kapitalmarktgesetze wirken da dage gen: Nur wenn es eine Pflicht ist, kann sich die Besitzerin, der Besitzer des Gebäudes an dem Projekt beteiligen.

Das ist eben ein Wandel, und den greifen wir hier auf. Das In strument kennen sicherlich viele von Ihnen. Wir haben es ge hört: In sieben Bundesländern gibt es solche Gesetze. Ich weiß nicht, was den Kollegen Löffler dazu bewegt, zu sagen, die Business Improvement Districts beispielsweise in den Stadt teilen von Gießen seien nicht in Ordnung.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das habe ich nicht gesagt!)

Das sind durchaus Erfolgsgeschichten. Das haben Sie hier in Abrede gestellt.

Nun gibt es einzelne Kritikpunkte, z. B. die Frage, ob Maß nahmen der kommunalen Daseinsvorsorge ausgelagert wer den. Sie haben gehört: Es gibt das Maßnahmen- und Finan zierungskonzept. Dieses Konzept müssen die Mitglieder des Business Improvement Districts, die Eigentümerinnen und Ei gentümer der betroffenen Immobilien, aufstellen. Ich frage Sie: Welche privaten Eigentümerinnen und Eigentümer wer den hergehen und sagen: „Mit dem Geld, das wir mit einer Umlage einziehen, wollen wir hier einmal neue Wasserrohre verlegen.“? Das würde doch niemand machen. Es ist klar, dass die Kommune sich anschauen muss, was die Privaten, die mit dem Maßnahmen- und Finanzierungskonzept über dieses Geld entscheiden, machen. Aber der Vorschlag kommt von den Pri vaten. Da sie keinerlei Interesse haben, der Kommune Leis tungen abzunehmen, werden sie das auch nicht machen. Des wegen ist dieser Punkt in dem Gesetz völlig in Ordnung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es gibt auch die Frage, wer entscheidet: Die Eigentümer oder gegebenenfalls die Pächter? Die Landesregierung schlägt mit diesem Gesetzentwurf – auch in Absprache mit dem Justiz ministerium – vor, dass es die Eigentümer sind. Wir wollen das beisammen lassen: Wer bezahlt, entscheidet auch. Es wä re sehr heikel, dieses Prinzip aufzugeben. Es macht Sinn, dass diejenigen, die die Umlage mit leisten müssen, auch die sein müssen, die entscheiden.

Was die Frage der Mehrheit betrifft, Kollege Löffler: Ein Drit tel Widerspruchsquorum heißt, dass man dem Mehrheitsprin zip schon weit entgegengekommen ist. Es beinhaltet, dass es eine zu große Härte wäre, wenn eine absolute Mehrheit von 50 % plus einer Stimme bereits darüber entscheiden könnte. Bei dem vorgesehenen Quorum müssen zwei Drittel einver standen sein, sodass umgekehrt ein Drittel das Widerspruchs quorum ist.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das ist völlig un logisch!)

Also ist Ihr Vergleich hier fehl am Platz. Wir haben hier eine hohe Hürde, um das auf den Weg zu bringen. Das ist aber auch angemessen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir greifen veränderte Strukturen auf, die gerade durch die Besitzverhältnisse ent stehen. Wir geben eine Möglichkeit, wie durch private Initia tive und schlaue Kommunen zusammen der Einzelhandel ge stärkt werden kann und die Stadtteile und die Städte, die Ein zelhändlerinnen und Einzelhändler, die Besitzer von Immo bilien in unserem Land in diesen Stadtteilen zusammen für die Attraktivität ihres Stadtteils eintreten können. Dieses Ge setz des Ermöglichens sollten wir sehr positiv beraten.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Maier.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere den Textileinzelhändler Ralf Gerber aus Kirchheim un ter Teck. Er hat eine Vision für mittelgroße Städte. Diese Vi sion lautet: Hauseigentümer und örtliche Einzelhändler zie hen an einem Strang und entwickeln die Innenstadt wie ein modernes Einkaufserlebniszentrum.

(Zurufe von der CDU)

Eine tolle Vision. Ich sehe überall Zuspruch. Aber dieser Tex tileinzelhändler und andere Einzelhändler, die eine solche Vi sion haben, brauchen ein Werkzeug, um die Vision umzuset zen. Dieses Werkzeug liefern wir ihnen mit dem neuen Ge setz, das heute eingebracht wurde, mit dem Gesetz zur Stär kung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Dieses Gesetz hat zwei ganz wichtige Merkmale, die immer gern verwechselt und durcheinandergebracht werden. Erstens: Es ist eine freiwillige Sache, kein Zwang. Niemand wird ge zwungen, von diesem Gesetz Gebrauch zu machen, und es wird auch niemand durch dieses Gesetz gezwungen, seine Stadt zu entwickeln. Das ist das eine.

Das Zweite: Dieses Gesetz ist höchst demokratisch – da gab es auch eine Schieflage in der Diskussion –, und zwar aus drei Gründen. Erstens: Die Initiative muss jemand aus dem Quar tier ergreifen. Dafür braucht man 15 %. Wer weiß, wie es in Städten beim Einzelhandel, bei den Handels- und Gewerbe vereinen zugeht, der weiß auch, dass man froh ist, wenn bei der Hauptversammlung 15 % der Mitglieder überhaupt da sind und mitmachen, sich aktiv einbringen.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

15 % sind ein relativ großes Quorum, um zu sagen: Wir wol len hier initiativ werden.

Dann kommt die zweite Stufe – ich glaube, das ist auch ganz wichtig und muss in dieser Verbindung gesehen werden; dann sieht man auch die Rechtsausführung von Herrn Löffler wie der relativiert –: Es kommt der Gemeinderat zum Zuge, der die durch die Bevölkerung dieser Stadt gewählte Vertretung ist. Diese gewählte Vertretung hat es in der Hand, aus dieser Initiative eine Satzung zu entwickeln und das Ganze über haupt richtig umzusetzen. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Wir geben etwas nach unten weiter,

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

wir geben etwas an die Kommunen weiter. Wir sollten, glau be ich, auch in den Sachverstand dieser Gemeinderäte vertrau en. Das machen wir in der grün-roten Koalition auf jeden Fall.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Die Umsetzung dieser Satzung im Gemeinderat braucht Mehr heiten. Da haben wir unsere 50 % plus x; die braucht man.

Jetzt kommt sogar noch ein Drittes dazu: Wenn die Betroffe nen in relativ großer Zahl – mindestens ein Drittel – nicht ein

verstanden sind, dann kann man das noch abbremsen. Die Ei gentümer haben also hinterher noch eine Chance, auf die Bremse zu treten. Denn wenn man nicht mindestens zwei Drit tel beisammen hat, dann hat es auch keinen Wert. So kann ein Drittel, wenn sie sich zusammentun, sagen: „Es geht nicht, wir bremsen ab.“

Sie sehen drei Stufen einer großen demokratischen Entwick lung.

Es ist noch wichtig, zu sagen: Es wird nichts durch Private er setzt, was für die Kommunen verpflichtend ist. Was in der Quartiersentwicklung gemacht wird, ist das Sahnehäubchen obendrauf. Es geht um das, was die Kommune nicht machen kann, weil es sonst ungerecht gegenüber dem einen oder dem anderen wäre, um das, was die Einzelhändler zusammen als Gemeinschaft gut machen können. Das wird obendrauf ge setzt, und das macht das Quartier erst richtig interessant und attraktiv.

Es hat auch überhaupt nichts mit Abgaben, Steuern und Sons tigem zu tun. Das ist alles eine ganz andere Seite in der kom munalen Finanzwirtschaft. Hier geht es um das Sahnehäub chen, um das Quartier interessant zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Wir haben eine weitere Bremse drin: Das Ganze ist auf fünf Jahre befristet. Wenn alles, was man in die Hand nimmt, schei tert, ist nach fünf Jahren Schluss. Der Schaden hält sich da mit in Grenzen. Aber wir wissen aus anderen Quartiersent wicklungen, dass in der Regel nach diesen fünf Jahren mit großer Begeisterung weitergemacht wurde. Wir kennen nie manden, der nicht verlängert hat. Es ist immer mit großer Be geisterung weitergemacht worden.

Große Begeisterung war am Anfang bei der Anhörung in man chen Bereichen da. Manche waren skeptischer, z. B. die Hand werkskammer oder der Einzelhandelsverband. Wir haben mit ihnen diskutiert. Die Handwerkskammer steht jetzt voll da hinter, die IHKs stehen dahinter, der Einzelhandelsverband – der hatte noch ein paar Dinge anzumerken –,