Protocol of the Session on July 27, 2011

Es liegen jetzt keine weiteren Wort meldungen vor, sodass ich Punkt 2 der Tagesordnung schlie ße.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, weise ich darauf hin, dass der Ausschuss für Verkehr und Infrastruk tur 15 Minuten nach dem Ende der Plenarsitzung im EugenBolz-Saal tagen wird. Alle, die diesem Ausschuss angehören, sollten sich dafür bereithalten.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

a) Zweite und Dritte Beratung des Gesetzentwurfs der

Landesregierung – Gesetz über die Feststellung eines Vierten Nachtrags zum Staatshaushaltsplan von BadenWürttemberg für das Haushaltsjahr 2011 – Drucksa che 15/300

b) Mitteilung der Landesregierung vom 28. Juni 2011 –

Bericht der Landesregierung zum Kassensturz – Druck sache 15/155

Beschlussempfehlungen und Berichte des Ausschusses für Finanzen und Wirtschaft – Drucksachen 15/340, 15/341

Berichterstatter: Abg. Klaus Maier

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Rede zeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffel te Redezeiten zur Anwendung kommen.

Das Wort erteile ich in der Reihenfolge der Fraktionsstärke zunächst dem Vertreter der CDU-Fraktion, Herrn Abg. Herr mann. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kassensturz der Landesregierung hat die Er wartung geweckt, dass sich die Landesregierung bei der Haus haltsplanung Seriosität auferlegt und eine nachhaltige Finanz politik betreiben wird. Der Kassensturz selbst war nicht nur inhaltlich eine herbe Enttäuschung; denn es handelt sich nur um eine Zusammenstellung von Auszügen aus Denkschrift beiträgen des Rechnungshofs und aus der mittelfristigen Fi nanzplanung. Der Kassensturz war auch anderweitig eine Ent täuschung, weil die Landesregierung daraus keinerlei eigene Erkenntnisse gewonnen hat.

Nach der mittelfristigen Finanzplanung gibt es im nächsten Haushaltsjahr eine – schon bekannte – Deckungslücke von 2 Milliarden €. Wir haben Schritte eingeleitet, um diese De ckungslücke zu schließen, beispielsweise durch den Einstieg in ein Lebensarbeitszeitkonto.

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

Das hätte bereits in diesem Jahr 20 Millionen € weniger Aus gaben bedeutet. Im nächsten Jahr hätte sich diese Zahl min destens verdoppelt, wenn nicht gar verdreifacht. Bis zum Jahr 2018 wäre die strukturelle Einsparung auf jährlich 160 Milli onen € angestiegen. Sie streichen diese strukturelle Entlastung des Haushalts. Sie kündigen weitere Mehrausgaben an – ins besondere im nächsten Jahr mehr Geld für fragwürdige Ex perimente im Bildungsbereich, mehr Geld für Film und Me dien, wie Herr Staatssekretär Walter angekündigt hat –, und Sie erzielen weniger Einnahmen durch den Wegfall der Stu diengebühren. Herr Fraktionsvorsitzender Schmiedel hat ja gesagt: „Jetzt wird erst einmal Geld ausgegeben, gespart wird später.“

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört!)

Und was machen Sie heute? Sie legen einen Nachtragshaus halt vor, der gegen geltendes Recht verstößt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Unter der noch von CDU und FDP/DVP geführten Regierung haben wir mit dem Dritten Nachtrag die Nettokreditaufnah me im Jahr 2011 auf 810 Millionen € reduziert. Mithilfe der nach der Mai-Steuerschätzung unerwartet hohen Steuermehr einnahmen von über 1 Milliarde € könnte der Landtag heute beschließen, im Jahr 2011 ohne neue Kredite auszukommen. So wäre eine unionsgeführte Regierung verfahren. Was ma chen Sie? Sie nehmen 560 Millionen € an neuen Schulden auf. Das ist keine seriöse Haushaltspolitik.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Warum verstößt dieser Nachtragshaushalt nun gegen gelten des Recht? Nach der vom Landtag beschlossenen Regelung in § 18 Abs. 3 der Landeshaushaltsordnung dürfen ab dem Jahr 2008 grundsätzlich keine neuen Schulden mehr gemacht werden. Wir haben mit dieser Regelung genau das verhindern wollen, was die neue Landesregierung jetzt beabsichtigt, näm lich in konjunkturell guten Zeiten neue Schulden zu machen.

§ 18 Abs. 3 der Landeshaushaltsordnung schreibt vor, dass über den am 31. Dezember 2007 bestehenden Schuldenstand

von 41,7 Milliarden € hinaus eine Kreditaufnahme nur zuläs sig ist, wenn die Steuereinnahmen des Landes um mindestens 1 % gegenüber dem Vorjahr zurückgehen oder eine Naturka tastrophe bzw. eine vergleichbar schwerwiegende Situation eintritt. Wir haben in den Jahren 2008 und 2009 keine neuen Schulden gemacht. Die Steuereinnahmen im Jahr 2010 lagen um 5,2 % unter den Steuereinnahmen im Jahr 2009. Daher war eine Schuldenaufnahme im Jahr 2010 zulässig.

In diesem Jahr liegen die Steuereinnahmen nun nach Abzug dessen, was in den Länderfinanzausgleich geht, mit 24,1 Mil liarden € um 1 Milliarde € über den Steuereinnahmen im letz ten Jahr. Das heißt, sie haben um 4,2 % zugenommen. Eine Neuverschuldung ist damit nicht zulässig.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Die Landesregierung begründet die Neuverschuldung damit, dass die Steuereinnahmen in diesem Jahr um 700 Millionen € unter den Einnahmen im Jahr 2008 lägen und im Landeshaus halt die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise nach wie vor spürbar seien. Herr Minister, Sie haben das im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft am Montag noch einmal ausdrück lich bestätigt. Dieses Argument widerspricht eindeutig dem klaren Wortlaut von § 18 Abs. 3 der Landeshaushaltsordnung, der auf das Vorjahr – also auf die Höhe der Steuereinnahmen im Jahr 2010 – abstellt. Das hat uns auch der Rechnungshof im Ausschuss eindeutig bestätigt.

Schlimmer noch: Herr Finanzminister, Sie haben im Aus schuss erklärt, dass § 18 der Landeshaushaltsordnung nicht der Regelungslogik des Grundgesetzes entspreche, und haben angekündigt, dass Sie deshalb eine mögliche Änderung prü fen. Herr Minister, wir haben die strenge Regelung des Schul dendeckels nicht in die Verfassung eingefügt, sondern in ein Gesetz, weil wir der Meinung sind, die Regierung und die Landtagsmehrheit halten sich an Recht und Gesetz. Wenn Sie § 18 ändern und aufweichen wollen, wäre das der finanzpoli tische Offenbarungseid dieser Regierung.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Win fried Mack CDU: So ist es!)

Ein weiterer Punkt: Die Regierung ist verpflichtet, dem Land tag einen Haushalt vorzulegen, der den Grundsätzen der Wirt schaftlichkeit und der Sparsamkeit entspricht. Sie haben nun in dem Nachtragshaushalt eine kreditfinanzierte Rücklage von – jetzt reduziert – 408 Millionen € vorgesehen. Eine Investi tionsrücklage ist ja finanzpolitisch im Grunde zu begrüßen, zumal in der Vergangenheit – auch das haben wir immer ge sagt – die Investitionshöhe teilweise unter den Abschreibungs werten lag, also ein Vermögensverzehr stattfand. Das ist beim Kassensturz noch einmal deutlich geworden.

Aber eine Investitionsrücklage verstößt dann gegen die Grund sätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit, wenn sie kreditfinanziert ist. Die Kreditkosten dürften bereits jetzt ei ne mögliche Anlagenrendite übersteigen. Sie haben nicht dar gelegt, dass hier irgendein Sonderfall vorliegt, der eine ande re Beurteilungsgrundlage nahelegt.

Sie verstoßen in einem weiteren Punkt gegen die Landeshaus haltsordnung. Sie haben für die Rücklagenbildung keine Wirt schaftlichkeitsuntersuchung vorgelegt. Es müsste dargelegt

werden, dass die Bildung einer Rücklage wirtschaftlicher ist als die Vermeidung einer Neuverschuldung. Der Rechnungs hof hat dies im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft eben falls deutlich kritisiert.

Sie beginnen also mit einem gesetzwidrigen Haushalt. Sie ge ben das Planungsziel der Vorgängerregierung auf, mit einem Haushalt ohne neue Schulden auszukommen. Sie planen auch in den nächsten Jahren neue Schulden.

Meine Damen und Herren, wir haben mitten im Landtags wahlkampf – im Februar – die Steuermehreinnahmen nicht nur vollständig für den Abbau neuer Schulden verwandt, son dern wir haben darüber hinaus ein Sparprogramm mit einen Volumen von 500 Millionen € vorgelegt, das Sie jetzt – Stich wort Lebensarbeitszeitkonto – teilweise wieder zurückneh men.

Auch in einem anderen Bereich zeigt sich die Maßlosigkeit, die Hemmungslosigkeit und die Orientierungslosigkeit der neuen Landesregierung, nämlich bei den 180 neuen Stellen in den Ministerien. Ein Teil dieser Stellen, die bei einer Regie rungsneubildung anfallen, wird von uns akzeptiert. Wir ak zeptieren diejenigen neuen Stellen, bei denen ein k.w.-Ver merk ausgebracht ist – mit Ausnahme einiger Stellen beim Kultusministerium. Dort lehnen wir sechs der elf neuen Stel len, die mit einem k.w.-Vermerk versehen sind, ab. Aber die anderen 59 neuen Stellen akzeptieren wir, weil dort ein k.w.Vermerk – also „künftig wegfallend“ – ausgebracht ist und weil wir auch akzeptieren, dass bei einer neuen Regierung die Schaffung neuer Stellen anfällt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber was ist mit den anderen Stellen? Herr Minister Hermann bekommt für sein Haus 59 neue Stellen. Dies sind teilweise Stellen für verdiente Verhinderer von Stuttgart 21.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Selbstbedienungsla den!)

Wer gestern Demonstrationen organisiert hat, wer sich bei den Parkschützern engagiert hat, ist heute am Bürgertelefon der Landesregierung Ansprechpartner für Anrufe in Verkehrsfra gen.

(Zuruf des Abg. Guido Wolf CDU)

Damit wird ein aufgeblähter Apparat instrumentalisiert, um ein nach geltendem Recht zustande gekommenes Projekt zu verhindern – mit dem einzigen Ziel, einen Weg zu finden, der es dem Minister erlaubt, bestehende Verträge zu brechen und parlamentarische Beschlüsse zu ignorieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Im Integrationsministerium werden 45 neue Stellen geschaf fen. In Niedersachsen kommt man an entsprechender Stelle bei einem deutlich breiteren Aufgabenspektrum mit der Hälf te der Stellen aus.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Für all das gibt es eigentlich nur eine plausible Erklärung: Die Motivation der Landesregierung hat im Wesentlichen darin gelegen, Vorsorge bezüglich der Regelungen der Schulden bremse, die im Grundgesetz verankert sind, zu treffen. Dies hat sie aber leise und heimlich und nicht etwa durch eine Än derung des Schuldenaufnahmeverbots in der Landeshaushalts ordnung getan.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Die Übergangszeit bis zur strikten Anwendung der entspre chenden Bestimmungen des Grundgesetzes beginnt in diesem Jahr. Der enge Zusammenhang zwischen erhöhter Neuver schuldung und der gleichzeitigen Bildung von kreditfinanzier ten Rücklagen führt zu der Annahme, dass es der neuen Re gierung in Wahrheit darum geht, Rücklagen für kommende Haushaltsjahre zu bilden, in denen der haushaltspolitische Spielraum wegen der bundesstaatlichen Vorwirkungen der Schuldenbremse beschränkt wird.

Ein weiterer Punkt, Herr Dr. Schmid: Sie konnten im Finanz- und Wirtschaftsausschuss nicht plausibel erklären, warum Sie das Schuldenaufnahmeverbot nach der Landeshaushaltsord nung umgangen haben. Sie haben auch versucht, die Wirt schaftlichkeit der Sanierungsrücklage durch die im Staats haushaltsgesetz neu eingeführte Liquiditätssteuerung zu be gründen. In beiden Punkten hat Ihnen der Rechnungshof klar widersprochen.

Wir haben angekündigt, dass wir gründlich prüfen, wie wir uns gegen einen gesetzwidrigen Haushalt wehren können. Der Rechnungshof bestätigt: Wir sind im Recht. Es zeigt sich aber leider auch, dass gegen einen objektiven Verstoß gegen die Landeshaushaltsordnung nicht geklagt werden kann. Sie müs sen mit dem Makel leben: Das erste Gesetz, das Sie in den Landtag einbringen, verstößt gegen geltendes Landesrecht.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich will noch auf zwei Einzelheiten hinweisen, die ebenfalls zeigen, wie die Landesregierung vorgeht. Die Aufwandsent schädigung für die Staatsrätin im Staatsministerium ist im Ver gleich zu der entsprechenden bisherigen Aufwandsentschädi gung um 37 000 € höher. Das sind, umgerechnet auf ein Jahr, etwa 60 000 € mehr, als die bisherige Staatsrätin bekommen hat. Auch sie hatte schon eine Entschädigung erhalten. Das hat mit Ehrenamt, meine Damen und Herren, nichts mehr zu tun.