Protocol of the Session on July 27, 2011

Das haben Sie kurz vor der Wahl noch in das „KlimaschutzPlus“-Programm hineingeschrieben. Sie haben dann zwar nichts mehr unternommen, aber immerhin: Das Ziel gab es schon.

Meine Damen und Herren, wir gehen das an. Wir gehen das an mit einem kräftigen Ausbau der erneuerbaren Energien, den wir jetzt hier möglich machen, gerade im Bereich der Windkraft hier bei uns im Land – die brauchen wir –, und mit einer neuen, schlauen Infrastruktur für vernetzte Mobilität, bei der die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württember ger noch stärker auf den öffentlichen Verkehr umsteigen und zugleich die Vorteile des Individualverkehrs nutzen können.

Das wird nicht zum Schaden unserer Automobilindustrie sein; im Gegenteil: Daimler hat es jetzt geschafft, sein eigenes Car sharing-Konzept „Car2go“ von Ulm an der Donau nach Aus tin, Texas, zu exportieren. Da wollen wir, denke ich, doch wohl nicht hintanstehen.

Lieber Kollege Löffler, das Prinzip „weniger Autos“ funktio niert so: Ich bin heute Morgen mit „weniger Auto“, nämlich mit der S-Bahn, hierher nach Stuttgart gefahren, damit Sie an gesichts unserer begrenzten Infrastruktur – das wird immer der Fall sein – mit Ihrem Auto morgens einfach mehr Platz auf der Straße haben. Das ist doch eine gute Arbeitsteilung.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Herr Grimm, noch zum Thema Stromverbrauch: Die Bundes regierung will bis zum Jahr 2020 die Zahl von einer Million zugelassenen Elektrofahrzeugen erreichen. Das hatte schon Schwarz-Rot beschlossen. Das ist, finde ich, ein weitreichen des Ziel. Das kostet, wenn man die Strecke zugrunde legt, die ein Auto im Schnitt fährt, etwa 1 bis 2 TWh Strom. Wir haben deutschlandweit eine Stromproduktion von etwa 600 TWh. Sie sehen also: Die Dimension, mit der Sie argumentiert haben, stimmt doch nicht so ganz, und auch die Bundesregierung sieht hier kein Problem.

Meine Damen und Herren, wir unterstützen den Verkehrsmi nister dabei, nachhaltige Mobilitätskonzepte für Baden-Würt temberg zu entwickeln, egal, ob für den städtischen Verkehr oder für den ländlichen Raum. Wir unterstützen den Finanz- und Wirtschaftsminister hinsichtlich der Automobilclusterpo litik, die dringend nötig ist. Wir unterstützen die Wissen schaftsministerin in der Forschung im Bereich Mobilität und den Umweltminister bei der Lösung der Energiefragen. Wir unterstützen den Ministerpräsidenten im Dialog mit unseren Unternehmern über Nachhaltigkeit.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Auf Augenhöhe!)

Deshalb kann ich Ihnen versprechen: Wir als grün-rote Koa lition setzen uns heute und in den nächsten fünf Jahren für ei nen ganz hervorragenden, einen starken, einen nachhaltigen Automobilstandort Baden-Württemberg ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

In der weiteren Debatte erteile ich dem Vertreter der SPD-Fraktion, Herrn Kollegen Hofelich, das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Anlass für die heutige Debatte war wohl eine Bemerkung des Herrn Ministerpräsi denten vor einigen Wochen, die eigentlich „durch“ ist.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: „Durch“ ist gar nichts!)

Jetzt gibt es hier eine Debatte zur Zukunft des Automobils ins gesamt. Diese Debatte wollen wir gern führen. Hierfür sollen wir uns, meine ich, bei Gelegenheit auch einmal mehr Zeit nehmen. Wir sind gern dazu bereit, weil es für unsere Frakti on wichtig ist, dass die Zukunft des Automobils in BadenWürttemberg stattfindet.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU – Zuruf: Super!)

Ich möchte einige Bilder an den Anfang meiner Bemerkun gen stellen. Das erste Bild ist einfach die Konjunktursituati on. Die deutsche Fahrzeugindustrie fährt zügig aus der Krise. Darüber gibt es Freude. Baden-Württemberg gibt das Tempo vor. Heute hat Daimler für das zweite Quartal Rekordergeb nisse verkündet. Die Premiumklassen tragen ihren Teil dazu bei, weil sie technologisch aufgeladen sind und weil sie da durch Lokomotiven sind.

Fast eine halbe Million Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze in Baden-Württemberg, einschließlich der Zulieferindustrien, am Auto hängen, schauen nicht mehr – wie vielleicht noch in der Konjunkturkrise – in den Abgrund, sondern wissen: Es gibt heute eine stabile Arbeitsplatzsituation; es gibt eher einen Fachkräftemangel.

Wir sind in einer Situation, in der unser Land das richtige Land für die Fahrzeugindustrie ist. Wir wollen in Deutschland und in Europa die führende Fahrzeugregion sein. Uns geht es heute mit dem, was geschieht, gut. Darüber freuen wir uns. Baden-Württemberg liegt vorn.

Ich will an dieser Stelle aber auch sagen, dass es zwei Bilder gibt, über die wir uns schon Gedanken machen dürfen. Das kann man aus Anlass dieser Debatte jetzt durchaus einmal tun.

Gerade wurde angesprochen, wie man heute Morgen in die Stuttgarter Innenstadt gekommen ist. Wer morgens in einem der Staus in Richtung Stuttgart steht, schaut – meist sitzt man allein in seinem Auto – nach links und rechts und sieht die an deren, die ebenfalls allein in ihrem Auto sitzen, und sagt sich: Wären die Typen mit der S-Bahn gefahren, wäre ich schon im Büro.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und Abgeordne ten der Grünen – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Herr Mack, Achtung! Auch in Aalen gibt es Verkehrspro bleme.

(Heiterkeit)

Da darf man sich doch einmal die Frage stellen, ob ein Land, das auf dem Weg sein will, über das Auto hinaus Hersteller von Mobilität zu werden, Systemhersteller von Mobilität zu werden – das ist eigentlich die baden-württembergische Mis sion –, mit Blick auf die Herstellerseite gut beraten ist, wenn es auf der Anwendungsseite, nämlich bei Systemen der Mo bilität, insbesondere in Ballungsräumen – also auf der Nut zungsseite – so schwach aufgestellt ist, wie Baden-Württem berg es ist, mit viel zu wenig Power in den Verkehrsverbün den und viel zu wenig intermodalem Verkehr. Sie haben uns Probleme aus der Zeit der alten Regierung vor die Haustür ge kippt, die wir mit der neuen Regierung jetzt lösen wollen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Dann stellen Sie einmal Ihre Kon zepte vor!)

Wir werden dann international spitze sein, wenn die Menschen den Eindruck haben, dass wir auch bei uns selbst in BadenWürttemberg die besten Anwender von Mobilität sind. Das ist das beste Verkaufsargument.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dann müs sen wir halt weiterbauen!)

Übrigens, Herr Kollege Bullinger – das ist heute noch nicht angesprochen worden –: Wenn Herr Ramsauer als Bundesmi nister für Verkehr irgendetwas in Richtung „Bogen um Ba den-Württemberg herum machen“ sagt – was völlig aus der Luft gegriffen ist –, so möchte ich das – das sollte eigentlich für uns alle gelten – zurückweisen. Denn das nicht zurückzu weisen wäre in Baden-Württemberg recht unpatriotisch. Was Herr Ramsauer sich geleistet hat, ist nicht das, was ein Minis ter für die gesamte Bundesrepublik eigentlich leisten sollte.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das zweite Bild, das ich – nach dem Bild vom Stau – zeigen will, ist das Bild des Branchenmixes. Die „Wirtschaftswo che“, die ich vor ein paar Wochen aufgeschlagen habe – sie muss nicht jeder lesen –, macht alle paar Jahre ein Länderran king. – Alle schauen mich gerade erwartungsvoll an, weil sie wissen, was drinsteht.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Ja! Wir sind auf dem letzten Platz, seit gestern!)

In dem Länderranking gibt es zwei Kategorien: Das eine ist das Niveauranking, das andere ist das Dynamikranking. Im Niveauranking liegt Baden-Württemberg noch auf Platz 2, zwischenzeitlich dicht gefolgt von Hamburg,

(Abg. Winfried Mack CDU: Das ist ein alter Hut!)

im Dynamikranking – dieser Hut wird hier noch einmal auf gesetzt – aber leider auf Platz 16. Deswegen ist die Frage, ob

wir uns nicht endlich einmal aus der Welt der Hochglanzbro schüren der vorherigen Landesregierung verabschieden soll ten und darüber reden sollten, wie der Mix der Volkswirtschaft in Baden-Württemberg künftig aussehen soll. Das ist die ent scheidende Frage in diesem Parlament, und dazu muss Wirt schaftspolitik beitragen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Ich sage nur: Der industrielle Kern Baden-Württembergs wird – das ist unsere Mission, das ist unsere Vorstellung, und das steht so auch klar im Regierungsprogramm –, weiterhin das sein, was uns gegenüber anderen Ländern und Regionen in Europa überdurchschnittlich auszeichnet. Wir wollen eine In dustrieregion sein. Tatsache ist aber auf jeden Fall, dass An stöße, wie wir künftig in diesem Branchenmix nach vorn ge hen und damit dafür sorgen, dass auch die Fahrzeugbranche mit neuen Impulsen zu dieser Dynamik beiträgt, Sache der Politik sind. Das halte ich für richtig, und deswegen lag auch der Ministerpräsident richtig, als er gemeinsam mit anderen seinen Impuls in diese Diskussion gegeben hat.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Im Übrigen möchte ich auf die gespenstischen Züge hinwei sen, die diese Debatten manchmal tragen: Jeden Morgen, wenn wir hier sitzen, geschieht Wirtschaft draußen, ganz oh ne uns.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Gott sei Dank!)

Irgendjemand entwickelt gerade eine Vertikaldrehmaschine, irgendjemand montiert gerade Autos, irgendjemand verkauft gerade eine IT-Lösung an die Banken. Diese Allmachtsfanta sien, was wir alles beeinflussen, die hier manchmal aufschei nen, kommen mir sehr komisch vor. Es passiert einfach, und deshalb wird auch der Automobilmarkt weiterhin einfach „passieren“.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Wenn man ihn lässt!)

Das ist überhaupt keine Frage; daran habe ich keinen Zwei fel. Tatsache ist auf jeden Fall, dass das Land mit seiner Poli tik dazu beitragen wird. Darum geht es.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Richtig! Und jetzt wol len wir den Beitrag einmal hören!)

Die Beiträge sind bereits genannt worden, Herr Kollege Dr. Birk. Ich weiß gar nicht, worauf Sie warten.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Aber noch nicht von Ihnen!)

Doch, auch von mir, und das wissen Sie auch.

Nehmen wir einmal Stellung zu der Frage, wohin es geht. Das Erste ist zunächst einmal die Zukunft des Automobils, zu der wir mit einem Innovationsrat beitragen; das ist beschrieben. Sie ist im Übrigen nicht rot, sie ist nicht schwarz, sie ist nicht grün, und sie ist nicht gelb. Die Zukunft des Automobils ist einfach effizient, attraktiv und am besten auch vernetzt.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ich rate daher dazu, das Auto, das Fahrzeug, aus der Politik herauszuhalten.