Der zweite Punkt: Für die Motivation sind die berufliche Si tuation, die Besoldungssituation, eine gute Bezahlung und gu te berufliche Perspektiven von zentraler Bedeutung.
Die frühere Landesregierung hat im Jahr 2008 mit einem Ein stellungskorridor dafür gesorgt, dass wir in ausreichender Zahl junge Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte einstellen. Der zeit sind über 2 000 Nachwuchskräfte in Ausbildung. Das sind so viele wie seit Langem nicht: über 2 000 Nachwuchskräfte. Sie wollen draufsatteln? Okay. Persönlich habe ich nichts da gegen. Wir müssen einmal sehen, wie Sie das machen.
Das Zweite ist die Besoldungsstruktur. Bei uns sind 55 % al ler Polizeibeamten im gehobenen Dienst, fast 90 % sind mitt lerweile mindestens in Besoldungsgruppe A 9.
Sie wollen jetzt die zweigeteilte Laufbahn einführen. Das ist ein alter Wunsch Ihrer befreundeten Gewerkschaft. In Ord nung. Aber dann legen Sie uns bitte ein Konzept vor. Sagen Sie uns bitte, ob diese zweigeteilte Laufbahn auch bei Ihnen eine Mogelpackung ist, wie sie es in anderen Ländern ist, ei ne Mogelpackung, bei der, wie in anderen Ländern, der geho bene Dienst einfach bei Besoldungsgruppe A 8 anfängt, beim Obermeister,
ob es eine Mogelpackung ist, bei der Sie nicht durchschlüs seln, bei der Sie deswegen den Frust nur etwas verlagern und den Beamten keine Beförderungsperspektiven bieten. Das müssen Sie uns sagen. Wir wollen das wissen, wenn Sie Ihre Konzeption vorlegen.
Dann müssen Sie auch sagen, wie Sie die Ausbildung bewäl tigen wollen. Wir wollen keine reine Akademikerpolizei mit einer zweigeteilten Laufbahn. Wir wollen eine Praktikerpoli zei, bei der auch Hauptschüler mit einer Handwerksausbil dung und Realschüler eine Chance haben, den Polizeiberuf zu ergreifen, eine Polizei, bei der ein praktisch orientierter Mensch, der sich bei einer Lkw-Kontrolle unter einen Anhän ger legt, auch den Unterschied zwischen einem Reserverad und einer Anhängerkupplung kennt, meine Damen und Her ren.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)
Aber das Allerwichtigste bei der Motivation ist, dass die Be amtinnen und Beamten spüren, dass ihr Dienstherr, die Lan desregierung, und zwar die ganze Landesregierung, vorbehalt los hinter ihnen steht. Da, sage ich Ihnen, haben wir mittler weile begründete Zweifel, was Ihren Koalitionspartner, die Grünen – nicht Sie von der SPD –, angeht.
Ich möchte zunächst dem Herrn Innenminister danken – Herr Justizminister, bitte richten Sie ihm von uns Genesungswün sche aus – und ausdrücklich anerkennen, dass er sich neulich in diesem Hohen Haus bei einer Debatte über die Krawalle bei einer S-21-Demonstration vorbehaltlos und klar hinter die Polizei gestellt hat. Ich will eindeutig sagen: Das erkennen wir an. Solch klare Worte hätten wir uns von Ihnen allerdings – von Herrn Gall, damals als Oppositionspolitiker, von ande ren SPD-Politikern; Herr Justizminister, Sie waren damals auch dabei – schon im Untersuchungsausschuss „Polizeiein satz Schlossgarten“ gewünscht.
Sie hielten den Untersuchungsausschuss zunächst für unnö tig und haben ihn hinterher für Wahlkampfzwecke miss braucht.
Meine Damen und Herren, der Herr Innenminister hat, als er diese Rede gehalten hat, zu uns geschaut. Das ist ein verständ liches Verhaltensmuster. Von uns konnte er in diesem Teil der Rede Applaus erwarten. Adressat dieser Rede waren Sie, die Grünen. Das muss klar sein.
Ein Weiteres: In Berlin – das bezieht sich jetzt einmal nicht auf Baden-Württemberg – soll die Polizei künftig mit Na mensschildern zu Großeinsätzen gehen. Ich finde, das ist ein Unding.
Wie soll ein Polizist motiviert sein, der im Einsatz bei einer Demonstration, im Einsatz gegen eine gewalttätige Masse mit einem Namensschild herumrennen und dann Angst haben muss,
(Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Was hat das jetzt mit uns zu tun? – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Überlassen Sie das den Berlinern!)
Ich höre, in Stuttgart gibt es Fälle, bei denen die Familien von Polizeibeamten, deren Identität, deren Privatsphäre, deren per sönliche Daten im Internet herumgehen, drangsaliert werden. Da möchte ich einfach sagen, Herr Justizminister: Bitte sor gen Sie dafür, dass in Berlin unsere Bereitschaftspolizei kei ne Einsätze leisten muss, bei denen sie Namensschilder tra gen muss. Unsere Bereitschaftspolizei muss ja manchmal auch in Berlin aushelfen.
Ich weiß, der Herr Innenminister hat auch vor, eine – aller dings anonymisierte – Kennzeichnungspflicht einzuführen. Ich sage Ihnen: Seien Sie da bitte vorsichtig! Es muss abso lut gewährleistet sein – der Polizist kann sich im Zweifel selbst schützen –, dass seine Familie geschützt ist, dass man nicht seine Privatadresse herausfinden kann und er nicht drangsaliert wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Thema „Respekt, Wertigkeit, Anerkennung des Polizeiberufs und der Polizei beamten“ in der zweiten Runde noch mehr ausführen.
Verehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste im Landtag von Baden-Württemberg! Sie werden von mir jetzt einiges hören, was Sie schon von meinem Kollegen von der SPD gehört ha
Ich habe mir in den letzten Tagen überlegt, ob ich auf eine Frage, die vielleicht gestellt wird, eingehen soll. Diese Frage wurde hier in der letzten Woche einer Kollegin, die über Bil dung gesprochen hat, gestellt. Die Frage an sie lautete, ob sie Kinder habe und überhaupt in der Lage sei, über Bildung zu reden.
Ich habe hier auf meiner rechten Seite in einem Zwischenruf gerade die Frage gehört, ob ich wohl Ahnung habe, ob ich schon einmal bei der Polizei gewesen sei. Ich kann Ihnen sa gen: Ja, ich habe Ahnung. Ich war bei der Polizei – nicht be ruflich. Aber ich habe viel Kontakt zu Polizisten. Ich war erst heute Morgen bei einer Dienststelle, die Erschreckendes zu schildern hat.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der Grünen und der SPD – Zuruf von der CDU: Bravo! – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)
Jedoch genügt es nicht, diese Leistung zu loben, ohne sie zu fördern. Geradezu kontraproduktiv ist es, die Belastungen für die Polizei weiter zu erhöhen, wie es die vorherige Landesre gierung mit ihren massiven Personaleinsparungen getan hat.
Dazu ein Satz, den ich bei meinem Besuch heute Morgen ge hört habe. Der Leiter der betreffenden Dienststelle sagte, er könne 15 % seiner Stellen nicht besetzen, und zwar nicht des halb, weil er keine Lust dazu hätte, sondern deshalb, weil gar kein Polizeibeamter da sei, der die Stelle übernehmen könne. So sieht es zurzeit aus.
Beim Betreuungsverhältnis pro Einwohner liegt die badenwürttembergische Polizei im Vergleich mit der Polizei in al len anderen Bundesländern inzwischen auf dem letzten Platz. Damit können wir uns nicht rühmen.
Das Arbeitsgebiet der Polizei ist vielschichtig und dadurch spannend. Es reicht vom normalen Streifendienst – dabei, mei ne Damen und Herren, kann man fragen, was ein normaler Streifendienst ist, was heutzutage dazugehört – über die Be kämpfung von Internetkriminalität und von Geldwäsche bis hin zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter. So ist jede Polizistin und jeder Polizist während ihres bzw. sei nes Berufslebens unterschiedlichen Aufgabenfeldern, aber auch Belastungen ausgesetzt.
Im Berufsalltag kommen die Beamten nicht selten an psychi sche und physische Grenzen. Belastende Erlebnisse aus dem Berufsalltag und besonders auch der Wechselschichtdienst können krank machen und greifen zudem massiv in das Pri vatleben und das soziale Umfeld ein.
Als zusätzlicher Stressfaktor kommt noch der Altersaufbau des Polizeikörpers hinzu. Der Altersdurchschnitt liegt inzwi schen bei 44,1 Jahren.
Die Zahl der berufsbedingten Krankheitsbilder und der Um fang der Krankenstände nehmen zu. Der leitende Polizeiarzt, der vor vier Wochen einen Vortrag mit dem provozierenden Titel „Polizeidienst macht krank!?“ gehalten hat, führt hierzu aus, dass sich in den vergangenen 20 Jahren die Zahl der not wendigen Heilkuren für Polizeibeamtinnen und -beamte mehr als verdoppelt hat. Die Heilfürsorgekosten für 25 860 heilfür sorgeberechtigte Personen im Land sind auf über 45 Millio nen € gestiegen. Wer also wie die bisherige Landesregierung gern die Erfolge unserer Polizei darstellt, muss auch die Kehr seite benennen, unter der diese erzielt werden.
Bei 65 % der durchgeführten Heilkuren lag der Grund in psy chischer Erschöpfung der Polizistinnen und Polizisten. Dazu kommen z. B. Magen-Darm-Störungen, Speiseröhrenreizun gen
ein bisschen Medizin muss sein –, Magenschleimhauter krankungen, chronische Diarrhö, Darmerkrankungen, Krebs geschwüre, chronische Schlafstörungen, depressive Erschöp fungssymptome und Depressionen, die bis hin zum Suizid führen können. Ich finde es nicht zum Lachen, dass unsere Beamtinnen und Beamten diese Symptome mit sich tragen und sich mit diesen Krankheitsbildern herumschlagen.