Der Mittelstand in Baden-Württemberg ist Weltspitze, haben Sie erklärt, Herr Ministerpräsident. Da haben Sie sicher recht. In diesem Zusammenhang haben Sie aber von 19,5 Milliar den € FuE-Investitionen gesprochen. Nur leider sind diese FuE-Investitionen im Wesentlichen keine Investitionen, die aus dem Mittelstand kommen, sondern es sind zu rund 80 % Investitionen, die aus der Großindustrie kommen. Genau das ist auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung das Prob lem. Die „Wirtschaftswoche“ schrieb am 6. Juni 2014 – ich zitiere –:
Fast zwei Drittel der mittelständischen Fertiger in Deutsch land, Österreich und der Schweiz kennen den Begriff „In dustrie 4.0“ nicht.
Da ist also erst einmal Aufklärung notwendig, auch eine Auf klärung über Risiken und Nebenwirkungen; denn es besteht die Gefahr – gerade im Zusammenhang mit den FuE-Ausga ben wurde das deutlich –, dass wir durch die Digitalisierung und das im Grunde unkritische Begrüßen dieses Prozesses da zu kommen, dass der Wettbewerbsvorteil der Großindustrie gegenüber dem Mittelstand sogar noch gestärkt wird.
Es ist doch notwendig, die Gefahren, die dem Mittelstand in diesem Prozess drohen, nicht einfach auszublenden.
Deshalb habe ich mich schon etwas gewundert, Herr Kollege Schmiedel, mit welch verklärtem Blick Sie hier die Umsatz
Das gilt auch für das Thema Datensicherheit. Wenn man die heutigen Sicherheitsmodelle in unserer Wirtschaft, vor allem in weiten Bereichen des Mittelstands, im Embedded-Bereich auf ein Internet der Dinge übertragen würde – darum geht es ja –, wäre das ein Albtraum. Kein Mittelständler könnte je mals mehr sein Netz in der derzeitigen Situation sichern.
In der vergangenen Woche hat der Sparkassenverband, hat der Kollege Schneider eine Tagung angeboten. Er hat u. a. Herrn Elsberg eingeladen, den Autor des Romans „Blackout“. Der Dialog dort war hochinteressant. Auch dieser Roman ist durchaus zu empfehlen. Herr Ministerpräsident, wenn Sie im Urlaub irgendwann einmal die griechischen Klassiker ausge lesen haben, wäre das durchaus ein Lesetipp. Es ist nicht nur ein Roman, sondern es ist ein Stück Wissenschaft. Manches von dem, was Elsberg schon vor einigen Jahren geschrieben hat, hat sich mittlerweile realisiert. Das ist eine wesentliche Gefahr für unsere Wirtschaft, insbesondere für den Mittel stand. Deshalb muss man diese Gefahren im Auge behalten und, Herr Kollege Schmiedel, kann man nicht nur immer „Highspeed“ sagen.
Es geht um die Rahmenbedingungen, die Ordnungspolitik. Da wäre es doch wünschenswert, wenn beispielsweise auch in der Landesverwaltung Voraussetzungen geschaffen würden. Wo steht denn, Herr Ministerpräsident, Ihre Verwaltung bei 4.0? Sie können zwar – Sie haben das beschrieben – Ihre Pizza vom Sofa aus bestellen, aber können Sie auf diese Wei se auch einen Bauantrag abgeben? Auf diesem Gebiet bekom men Sie bestenfalls ein Dokument im PDF-Format zum Aus drucken. Man kann auf diese Weise kein Auto zulassen und auch kein Gewerbe anmelden.
Darf ich Ihnen einmal die Antwort von service-bw auf eine Anfrage eines jungen Mittelständlers, der sich selbstständig machen wollte, der ein Gewerbe anmelden wollte, als Origi nalzitat vorlesen?
Die Anmeldung Ihres Gewerbes müssen Sie schriftlich bei der zuständigen Stelle vornehmen. Der Antrag kann nur handschriftlich unterschrieben oder mit einer qualifizier ten elektronischen Signatur versehen werden.
Für die Gewerbeanmeldung müssen Sie grundsätzlich das Formular „Gewerbe-Anmeldung (GewA1)“ verwenden.
Ansonsten finden sich in Ihrer Rede altbackene Beispiele wie „Maßanzug als Stangenware“. Herr Ministerpräsident, diese Technologie gibt es schon seit dem Jahr 2002. Sie arbeitet mit Laserscannern und heißt „Cut For You“.
Zudem gab es noch die eine oder andere etwas skurrile Anre gung. Wenn Herr Oettinger nach Ludwigsburg zum Tanzen kommt, soll es mir recht sein. Er ist auch sonst in Baden-Würt temberg immer willkommen. Daher mutet die Einladung et was eigenartig an. Ich darf zitieren:
Deshalb werde ich auf den neuen Digitalkommissar der Europäischen Union, Günther Oettinger, zugehen und ihn in seiner neuen Funktion nach Baden-Württemberg ein laden.
Herzlichen Glückwunsch! Aus unserer Sicht haben Sie realis tische Chancen, dass er eines Tages einmal wieder vorbei kommt.
Kommen wir zu Ihrer Fünfpunktestrategie. Erstens: Sicher heit und Vertrauen. Zu „Sicherheit und Vertrauen“ habe ich schon einiges gesagt. Es geht darum – das schreiben Sie selbst bzw. haben es vorgetragen –, dass Betriebsgeheimnisse gera de auch beim Mittelstand geschützt werden müssen. Gut, aber welchen Sinn macht es bei der Verfolgung dieses Ziels, wenn die Vorsitzende Ihrer Fraktion über den Abbau von Stellen beim Landesamt für Verfassungsschutz schwadroniert? Mei ne Damen und Herren, wir brauchen dieses Landesamt für Verfassungsschutz auch für die Datensicherheit.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
Punkt 2: starke Wirtschaft. Gut, auch das ist eine ordnungs politische Aufgabe. Aber wir stellen fest, dass die Wirtschaft von dieser Landesregierung nicht gestärkt wird, sondern dass Sie ständig nur irgendwelche Pläne wälzen, um der Wirtschaft Knüppel zwischen die Beine zu schmeißen, wie beispielwei se ein Gesetz zum Bildungsurlaub. Lassen Sie ab von solchen Plänen!
In der Großen Koalition in Berlin wird mittlerweile darüber diskutiert, dieses Paket von Grausamkeiten für die Wirtschaft zu entschärfen. Beispielsweise hat Frau Hasselfeldt von der CSU erklärt, das Vorhaben mit der Quote sollte man vielleicht noch einmal überdenken oder verschieben. Es hat ja schon ei ne Reihe solcher Volksbeglückungsmaßnahmen wie die Müt terrente, die Rente mit 63, den Mindestlohn etc. gegeben.
Auch Ihre eigene Partei auf der Bundesebene, Herr Minister präsident, hat zwar jetzt ihre Steuerpläne aus dem Bundes tagswahljahr abgespeckt, aber so, wie ich es verstanden habe, soll immer noch ein bisschen was an Steuererhöhungen ver treten werden.
Zu all dem würden wir die Stimme des Ministerpräsidenten des starken Bundeslands Baden-Württemberg gern hören. Wir würden gern hören, was Sie davon halten, was die Große Ko alition mit der Wirtschaft macht, und wie Sie die neuen Steu erpläne Ihrer Partei auf der Bundesebene bewerten.
Es sollen – davon sprach ich schon – gezielt Unternehmens gründungen auf dem Feld der digitalen Wirtschaft gefördert werden. Ich halte das für ordnungspolitisch höchst problema tisch; ich habe das schon erläutert. Im Übrigen ist mir auch nicht klar, wo dann die Abgrenzung beginnt. Welche Abgren zung haben Sie? Ich glaube nicht – da fällt einem wieder Ihr Unwort „Innovationspeitsche“ ein –, dass es Aufgabe der Lan despolitik ist, der Wirtschaft vorzugeben, in welche Richtung sie geht. Das entscheidet sie schon selbst. Insbesondere die Digitalisierung hat eine solche Kraft, dass die Wirtschaftspo litik dort nicht hinterherzurennen und diese durch Subventio nen anzuschieben braucht. Bleiben Sie bei der Ordnungspo litik! Unterlassen Sie solche Eingriffe in den Wirtschaftskreis lauf!
Ihr Leuchtturmprojekt „Cloud Computing“ ist, glaube ich, kei ne Landesaufgabe, sondern wäre bei den Kammern deutlich besser aufgehoben.
Ihr drittes Stichwort ist „Bildung und Wissenschaft“. Da wa ren wir uns nach meinem Verständnis einig. Wir waren uns, glaube ich, über alle Fraktionen hinweg einig, dass es die Auf gabe der Landespolitik ist, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass junge Menschen an diesem Prozess der digita len Revolution teilnehmen können. Dazu passt aber nicht ge rade gut, Herr Kultusminister Stoch – vielleicht überdenkt er es ja gerade –, dass man den Abiturienten nun den grafikfähi gen Taschenrechner verbietet. Ist das ein Beitrag zur Digita lisierung?
Zum Thema „Medienbildung als Leitperspektive“. Vielleicht hätte man im Land Baden-Württemberg am Anfang besser über diese Leitperspektive als über andere Leitperspektiven diskutiert. Aber wir sind ja schon zufrieden, wenn es auch an dere Leitperspektiven gibt und diese anderen Leitperspekti ven zumindest gleichrangig sind. Denn eine Gleichrangigkeit der Leitperspektive Medienbildung mit dem, was Sie bisher zu diesem Thema zu sagen hatten, ist immerhin schon ein Fortschritt, den wir würdigen.
Im Übrigen sind wir irritiert über die Weigerung des Kultus ministeriums bzw. der Landesregierung, dem Informatikun terricht mehr Gewicht im Bildungsplan zu geben. Das wäre ein positiver Beitrag. Aber wie wir feststellen, ist das Ganze bei Ihnen nur gut für Regierungserklärungen, und wenn man sich dann die Praxis betrachtet, sieht es anders aus.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)
Sie haben im Bildungsbereich auch an anderen Stellen die Zei chen der Zeit nicht erkannt. Weshalb blockieren Sie oder zu mindest die Beamten des Kultusministeriums die Bildungs cloud, eine einheitliche Bildungsplattform, sowie ein Vergü tungssystem für Autoren und Verlage? Eine gemeinsame Bil dungsplattform von Kultusministerium und Unternehmen wurde abgelehnt, Herr Ministerpräsident. Aufgrund dessen werden in diesem Bereich am Ende nur noch die Konzerne übrig bleiben, die der Kollege Schmiedel aufgezählt hat – Amazon usw. –, und die mittelständischen Anbieter bleiben in diesem Bereich auf der Strecke. Das kann keine vernünfti ge Politik für unser Land Baden-Württemberg sein.
Herr Ministerpräsident, wenn das so ist, warum erzählt dann Ihr Wirtschaftsminister von zuwachsenden Tälern?
Bei uns haben 70 % der Haushalte Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsinternet. Damit liegen wir deutlich vor Bayern,...