Protocol of the Session on July 24, 2014

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort Frau Abg. Heberer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal die gute Nach richt: Sowohl die schweizerischen als auch die deutschen Hochschulen wollen die Auswirkungen des Ergebnisses die ser leidigen Volksabstimmung auf dem gemeinsamen Gebiet der Forschung und Lehre so gering wie möglich halten. Sie wollen also weiter kooperieren, und das natürlich aus gutem Grund. Denn es ist kein Geheimnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sowohl Baden-Württemberg als auch die Schweiz im Bereich von Forschung und Bildung innerhalb Europas Spitzenplätze einnehmen. Beide tragen nämlich maß geblich zur Positionierung der gesamten europäischen For schung bei, und es wäre kontraproduktiv, die Zusammenar beit mit der Schweiz in diesem Bereich einzuschränken. Im Gegenteil, es ist beiderseitig von größtem Interesse, die Ko operation fortzusetzen, zu vertiefen und auszuweiten.

(Unruhe)

Es ist schon vieles zu dem Thema gesagt. Ganz aktuell schei nen sich inzwischen neue Lösungsmöglichkeiten durch Un terstützungsmaßnahmen für Forschende in der Schweiz auf zutun. Am 25. Juni 2014 hat nämlich der Schweizerische Bun desrat aufgrund der ungeklärten Situation hinsichtlich der Schweizer Assoziierung am EU-Rahmenprogramm für For schung und Innovation „Horizon 2020“ Übergangsmaßnah men beschlossen. Diese sehen vor – man umgeht da jetzt ein bisschen die aktuelle Situation –, Forschende in der Schweiz zu unterstützen – und zwar direkt von der Schweiz –, die an Projekten und mitfinanzierten Programmen von Horizon 2020 beteiligt sind und aus Brüssel derzeit keine Mittel mehr erhal ten, sodass die Forschungsarbeit weiter fortgesetzt werden kann.

Ziel der Regierung in Bern bleibt dabei eine rasche und mög lichst vollständige Assoziierung der Schweiz an Horizon 2020 möglichst noch im laufenden Jahr. Mit welchen Mitteln ihr das gelingen wird – vielleicht durch eine Korrektur der Ergeb nisse dieser Volksabstimmung –, müssen wir abwarten.

Für das Programm Erasmus+ wurde im Rahmen der EU ent schieden, dass die Schweiz im Studienjahr 2014/2015 nicht als gleichberechtigtes Programmland teilnehmen kann. Aber als Überbrückungslösung zur weiteren Förderung der Mobi lität von Studierenden ist eine indirekte Teilnahme der Schweiz an Erasmus+ denkbar, wie sie entsprechend bereits zwischen 1997 und 2011 erfolgte. Damals hatte nämlich die Schweiz ebenfalls infolge eines negativen Volksentscheids über den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum den Sta tus verloren, als gleichberechtigtes Land an den EU-Bildungs programmen teilnehmen zu können.

Aufgrund der Bedeutung von grenzüberschreitenden For schungskooperationen sowie Bildungs- und Austauschpro grammen setzen sich sowohl unser baden-württembergisches Wissenschaftsministerium als auch unser Minister Friedrich als auch das Schweizer Sekretariat für Forschung, Bildung und Innovation gemeinsam für die Wiederaufnahme der Ver handlungen ein, die der Schweiz eine gleichberechtigte Teil nahme an Erasmus+ ermöglichen.

Es wurde erwähnt: Der Besuch der schweizerischen General konsulin im Europaausschuss machte vor Kurzem sehr leb haft deutlich, dass die bilateralen Hochschulkooperationen mit Baden-Württemberg auf einem festen Fundament stehen. Auch von unserer Seite wird angestrebt – dafür danke ich ebenso, wie das mein Vorredner getan hat –, in der Zukunft die guten Verbindungen mit der Schweiz in den Bereichen Forschung und Lehre zu erhalten und weiterzuentwickeln. Denn, meine Damen und Herren, es muss unser Ziel sein, mit bewährten Partnern auch in Zukunft europäische Spitzenpo sitionen in Forschung und Lehre einzunehmen und dafür We ge und Möglichkeiten zu finden, um auch negative Volksent scheide sozusagen nicht weiter zu respektieren.

Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Bullinger.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab, Herr Minis ter Friedrich, besten Dank für die klare Aussage, was die Frei zügigkeit der Wissenschaft und die Zusammenarbeit angeht. Das ist, glaube ich, das, was sich alle von uns wünschen.

Am 9. Februar dieses Jahres nahm eine knappe Mehrheit von 50,3 % der Abstimmenden die sogenannte Masseneinwande rungsinitiative an. Ihr Zweck soll eine Begrenzung der Zu wanderung in die Schweiz sein. Außer der Schweizer Volks partei waren alle – ich wiederhole: alle – Schweizer Parteien einschließlich der FDP der Schweiz gegen diese Initiative. Das Ergebnis war knapp. Es wird auch nicht gefragt, wie es zustande kam, sondern es zählt allein das Ergebnis. – Übri gens: Daran sollten sich die ewiggestrigen Montagsdemons tranten einmal orientieren, meine Damen und Herren.

(Abg. Peter Hofelich SPD: Genau!)

Infolge dieser Entscheidung hat die EU die Verhandlungen über die Assoziierung des neuen Forschungsrahmenpro gramms Horizon 2020 vorerst unterbrochen. Nach Einschät zung des Wissenschaftsministeriums ist es trotz fehlender As soziierung Schweizer Wissenschaftlern nicht verwehrt, an Vorhaben von Horizon 2020 teilzunehmen. Allerdings erhiel ten sie in der Regel dafür keine Förderung.

Unterbrochen wurden auch die Verhandlungen über eine Be teiligung der Schweiz am Bildungsprogramm Erasmus+. Der zuständige EU-Kommissar Andor gab bekannt, dass die Schweiz im Studienjahr 2014/2015 nicht als gleichberechtig tes Land – wir haben es schon gehört – am Bildungsprogramm teilnehmen könne. Eine mögliche Überbrückung durch eine indirekte Teilnahme der Schweiz an Erasmus+ sei jedoch laut Wissenschaftsministerium denkbar. Also machen!

Es wurde ja bereits zwischen 1997 und 2011 bei dem negati ven Volksentscheid – wir hatten schon so etwas – hinsichtlich eines Beitritts zum EWR ähnlich verfahren.

In dem am 20. Juli 2014 vom Schweizer Bundesrat vorgeleg ten Umsetzungskonzept sollte bewusst der Spielraum für un bürokratische Lösungen beiderseits – ich betone: beiderseits – genutzt werden, so u. a. das bestehende duale Zulassungs system für die Zulassung von Angehörigen von EU- und EFTA-Staaten gegenüber Drittstaatsangehörigen. Eine solche Erleichterung sollte unbedingt genutzt werden. Zudem soll der Zuzug von EU-Bürgern auch dann möglich sein, wenn diese keine Spezialisten sind.

Die Schweiz ist unser guter Nachbar, und das soll so bleiben. Wir sollten uns durch das Ergebnis der Volksabstimmung die guten Beziehungen, die fruchtbare Zusammenarbeit in Wirt schaft und Forschung, in Nachbarschaft und Kultur nicht ka putt machen lassen, meine Damen und Herren. Wenn man sieht, wie der Wirtschaftsraum z. B. im Dreiländereck Basel, Freiburg, Lörrach, Mulhouse oder am See mit Konstanz und Zürich prosperiert, ist daraus zu folgern, dass es gilt, alles da für zu tun, dies weiterzuentwickeln.

Allerdings will, wie es auch unsere Kollegin Haller-Haid ge tan hat, auch ich mir – das muss unter Freunden möglich sein – ein paar kritische Anmerkungen erlauben.

Kritisch darf man als Nachbar auch hinterfragen, wie lange die Sonderrolle der Schweiz in der Art und Weise bestehen bleiben kann, wie es teilweise praktiziert wird. Man nutzt – ich spreche hier auch als Wirtschaftspolitiker – quasi als 29. EU-Land gern Vorteile, man nimmt Freizügigkeit gern in Anspruch, verhält sich jedoch bei bestimmten anderen Din gen sehr nationalökonomisch und nicht gerade europäisch-so lidarisch, meine Damen und Herren. Ich denke hier an Hand werk, an Dienstleistung. So etwas wünsche ich mir nicht in nerhalb einer guten Nachbarschaft.

Ich habe natürlich Respekt vor der Geschichte und vor allem vor der eidgenössischen Tradition unserer Nachbarn, möchte jedoch darauf hinweisen, dass die Gefahr besteht, dass sich die Schweiz damit langfristig isoliert.

(Beifall der Abg. Dr. Timm Kern und Jochen Hauß mann FDP/DVP)

Das wäre alles andere als zukunftsträchtig für unseren Nach barn Schweiz.

Stellen Sie sich vor, alle deutschen Ärzte, die in Basel das Ge sundheitssystem sicherstellen, würden an der Schweizer Gren ze morgens vor verschlossener Zollschranke stehen. Dann wä re die Schweiz sehr krank.

Meine Damen und Herren, ich fordere die Landesregierung auf, auf die Bundesregierung einzuwirken, dass diese in der Europäischen Kommission auf eine zügige Assoziierung der Abkommen mit der Schweiz hinwirkt.

Aufgrund der intensiven universitären Beziehungen zu unse rem Nachbarland Schweiz ist es im Interesse von BadenWürttemberg und der Schweiz – vor allem aber im Interesse von Baden-Württemberg –, dass der wissenschaftliche Aus tausch vorangeht und weiterentwickelt wird.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss: Unser guter Nach bar Schweiz liegt mitten im Herzen Europas. Trotz der Schweizer Tradition: Herzlich willkommen in der EU!

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa und Internationales, Drucksache 15/5473. Der Ausschuss für Europa und Internationales schlägt Ihnen vor, von der Mitteilung der Landesregierung, Drucksache 15/5430, Kenntnis zu nehmen. – Sie stimmen zu. Dann ist es so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur geschäfts ordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 15/4803 (Geänderte Fassung). Der Antrag ist ein reiner Be richtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stim men zu.

Damit ist Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Fi nanzen und Wirtschaft zu der Mitteilung des Rechnungs hofs vom 2. Juni 2014 – Beratende Äußerung „Förderung von großen Infrastrukturvorhaben im öffentlichen Perso nennahverkehr“ – Drucksachen 15/5290, 15/5442

Berichterstatter: Abg. Manfred Hollenbach

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Razavi das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren! Grundsätzlich gilt: Die CDU will den wei teren Ausbau der Infrastruktur und des ÖPNV. Wir alle wol len eine Regelung für das GVFG nach dem Jahr 2019. Das haben wir hier auch so beschlossen. Aber Zahlen lassen sich nicht anschreien,

(Heiterkeit des Abg. Leopold Grimm FDP/DVP)

und Politik beginnt – wie bekannt – mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Diese sieht folgendermaßen aus – wir teilen die Meinung des Rechnungshofs –: Das GVFG-Programm ist völ lig überzeichnet. Allein die Projekte der Kategorie A – also endgültig ins GVFG aufgenommene Projekte mit Bewilli gungsbescheid des MVI – umfassen ein Volumen von 1 Mil liarde €. Wenn noch drei weitere Projekte hinzukommen, wie vom Herrn Minister geplant, sind wir bei einem Volumen von 1,33 Milliarden € und einem Fördersatz von jeweils 60 %.

Den alten Bundesländern stehen aber bis 2019 insgesamt nur 1,7 Milliarden € zur Verfügung. Es ist also pure Illusion und völlig unrealistisch, zu erwarten, dass Baden-Württemberg so viel Geld bekommt.

Die Realisierung der aufgenommenen Maßnahmen ist also bei Weitem nicht gesichert. Auch da stimmen wir dem Rech nungshof zu. Deshalb brauchen wir eine Nachfolgeregelung.

Es stellt sich somit die grundsätzliche Frage: Darf man neue Projekte anmelden? Ja, ganz klar: Man darf, aber diese An meldung darf nicht auf Kosten der Kommunen gehen. Unse re Hauptkritik richtet sich gegen das doppelte Spiel, das die Landesregierung mit den Kommunen betreibt.

Minister Hermann und die Landesregierung versprechen voll mundig weitere neue Vorhaben auf Kosten der Kommunen und setzen sie so wissentlich finanziellen Risiken aus.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Während das Land bei Bahnvorhaben ein Ausfallrisiko für die Bundesfinanzhilfen übernimmt, gibt es so etwas bei kommu nalen Projekten nicht.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das sind doch Anträge der Kommunen!)

Träger neuer Maßnahmen wissen wohl, dass sie weniger als 60 % der Mittel bekommen. Sie wissen aber nicht, wie viel weniger sie erhalten. Der Anteil liegt dann irgendwo zwischen 0 % und 60 %. Hinzu kommt, dass Träger von Maßnahmen, die bereits bewilligt wurden, fest mit einem Anteil von 60 % kalkuliert haben.

Je mehr konkurrierende Vorhaben vom Land aber ins Pro gramm aufgenommen und bewilligt werden, desto geringer wird der Anteil des Bundes an den Mitteln auch für diejeni gen ausfallen, deren Projekte seit Jahren aufgenommen sind. Das heißt: Die Kuchenstücke werden kleiner. Folge: Für die Kommunen ergeben sich immense finanzielle Risiken. Sie können nicht abschätzen, ob und wie viele konkurrierende Maßnahmen noch aufgenommen werden. Das beste Beispiel ist die Stadtbahn in Karlsruhe.