Protocol of the Session on July 23, 2014

Herr Minister, nachdem Sie die Grünen jetzt zu den größten Befürwortern der Bundeswehr erklärt haben, frage ich Sie, wie Sie sich erklären, dass aus den Reihen der Grünen immer wieder die Forderung erhoben wird, Jugendoffiziere aus den Schulen in Baden-Württemberg zu verbannen,

(Zuruf von den Grünen: Das stimmt doch gar nicht! – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

und warum nun die Landesregierung angekündigt hat, dass Bundeswehrvertreter nur gleichberechtigt mit Friedensorga nisationen – wer auch immer das sein mag – an die Schulen kommen dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Erneut Doppelmoral!)

Auch da gilt: Das ist eine For derung, über die bei den Grünen diskutiert wird. Wir haben dazu eine Entscheidung getroffen, die Sie auch kennen. Des wegen gibt es auch hier keine Doppelmoral. Es ist vielmehr nach wie vor so, dass die Bundeswehr als Parlamentsarmee in der demokratischen Verantwortung weiterhin auch in den Schulen informieren darf. Ich sehe hier überhaupt keinen Wi derspruch.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Allein schon die Gleichsetzung!)

Das Sponsoring – auch das der Firma Diehl – widerspricht weder den Wertmaßstäben noch unserem Ziel, Rüstungsex porte zu verringern. Denn die Firma Diehl hat sich genau auf diesen Weg gemacht. Sie hat ihren zivilen Bereich und den Bereich der Spitzentechnik ausgebaut und den militärischen Anteil weiter reduziert.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist jetzt gut, oder wie?)

Ich finde, das muss man schon zur Kenntnis nehmen. Deshalb sollte man keinen Widerspruch da konstruieren, wo er nicht hingehört.

Ich halte diese Debatte, wie sie jetzt insgesamt geführt wur de, für unangemessen und schädlich. Ich finde sie unangemes sen, weil es keinen Skandal gibt. Es gibt auch keine Doppel moral, auch wenn Sie das behaupten mögen. Ich halte sie aber auch deswegen für schädlich, weil Sie mit der Instrumentali sierung dieses Vorgangs auch Schaden für den Wirtschafts standort Baden-Württemberg in Kauf nehmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Sie sind so wild entschlossen, mit allem Möglichen und Un möglichen diese Landesregierung zu diskreditieren, dass Sie wichtige Unternehmen und Technologieträger im Land dabei fahrlässig vor den Kopf stoßen. Wenn Sie hier moralische An sprüche definieren, dass diese Landesregierung und Vertreter, egal, aus welchen Parteien sie kommen, überhaupt nichts mehr mit Unternehmen zu tun haben dürften, die „legale“ Militär güter produzieren oder zuliefern, dann würde keiner von uns – auch Sie nicht, Herr Hauk – überhaupt noch zur Stallwäch terparty kommen. Sie dürften in kein Flugzeug steigen, Sie dürften in kein Auto steigen und dürften noch nicht einmal mit dem Zug nach Berlin fahren. Wenn Sie Pech haben, müss

ten Sie sogar barfuß hinlaufen, weil der Schuster Ihres Ver trauens vielleicht auch Sohlen für Bundeswehrstiefel herstellt.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und Abgeordne ten der Grünen – Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sie sehen die Probleme nicht!)

Deswegen: Wenn Sie diese Debatte weiter führen und instru mentalisieren, dann wenden Sie sich gegen Unternehmen, die das Land in Berlin mit repräsentiert haben, repräsentieren und die Landesregierung dabei unterstützen, Unternehmen aus den Bereichen Fahrzeugbau, Mobilität, Maschinenbau, Energie versorgung, Informations- und Kommunikationstechnologie. Alle diese Unternehmen haben uns unterstützt. Deswegen ge hen aus meiner Sicht die Vorwürfe einer Doppelmoral abso lut fehl.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das sagen Sie der Grünen Jugend! Das ist richtig!)

Ich weiß nicht genau, wohin Ihr groß verkündeter Wertekom pass inzwischen geraten ist. Doch an einen Satz erinnere ich mich, der wahrscheinlich auch für Sie gilt:

Du sollst kein falsches Zeugnis reden wider deinen Nächs ten.

Insofern: Berücksichtigen Sie das in Zukunft auch bei der De batte.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hauk das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Ich glaube, mit den Aussagen der Re gierungskoalition, aber auch mit denen von Ihnen, Herr Mi nister Friedrich, haben Sie sich ein Stück weit selbst entlarvt. Wir kritisieren nicht das Verhalten der Landesregierung.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was denn dann?)

Ich habe vorhin ausdrücklich gesagt: Das entspricht den Richt linien, die sich die alte Landesregierung gegeben hat. Ich fin de es höchst ehrenwert, dass Sie sich darauf berufen und dass Sie sich auf dem Boden befinden, den sie sich selbst gegeben hat. Wir kritisieren jedoch die eigenen Ansprüche, die Sie für sich formuliert haben, in diesem Fall vor allem seitens der Grünen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo ist denn Ihr Prob lem?)

Wir sind doch nicht diejenigen, die die Rüstungsindustrie ver dammen und als schlecht diskreditieren. Wir sind doch nicht diejenigen, die Kriegseinsätze, Bundeswehreinsätze diskredi tieren, sondern es sind doch stets und speziell die Grünen, die hinter jede Frage von Heckler & Koch, von Blaser oder von Mauser in Baden-Württemberg immer große Fragezeichen setzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das, was uns be schäftigt, ist, dass Sie Ihre eigenen Ansprüche und die Ansprü che Ihrer eigenen Anhänger nicht befriedigen und darüber hi naus in vielen Fällen – Kollege Rülke hat einiges gesagt; ich

habe einiges ausgeführt – auch die Ansprüche, die die Men schen an Sie stellen, nicht erfüllen. Ich könnte ein paar wei tere Beispiele zum Thema Doppelmoral nennen.

Beim Thema „Innere Sicherheit“ ist diese Landesregierung mit der Aussage angetreten, es werde alles besser;

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja! – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: War auch so!)

die Polizei gehe mehr auf die Straße. Das war der Anspruch. Wahr ist: Den Anspruch haben Sie in der Tat erfüllt. Die Po lizei ist häufiger auf der Straße, aber weniger bei den Men schen. Sie ist zwar häufiger auf der Straße, aber nicht bei der Arbeit. Das ich doch wahr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Anspruch und Wirklichkeit.

(Abg. Sascha Binder SPD: Sie reden am Thema vor bei!)

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Wirklichkeit ist, dass die Zahl der Einbruchdiebstähle in Baden-Württemberg letz tes Jahr um 30 % und bis dato, bis Mitte dieses Jahres, um 20 % zugenommen hat. Ist das die Gewährleistung innerer Si cherheit, ist es das, was Sie im Zusammenhang mit der Poli zeireform versprochen haben, dass nämlich alles besser wer de? Das Gegenteil dessen ist der Fall.

Anspruch und Wirklichkeit im Bereich der Energiewende: Nicht, dass wir für 1 000 Windräder wären. Das war Ihr Pos tulat. Das eigene Postulat haben Sie jedoch bisher noch nicht erfüllt. Nicht einmal 50 Windräder sind in den drei Jahren neu entstanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ist es Gestaltung der Energiewende, sich erstens nur auf den Bau von Produk tionsanlagen und Windrädern zu konzentrieren, zweitens die se Zielsetzung nicht einmal annähernd einzuhalten und drit tens alle anderen Bereiche zu vernachlässigen? Anspruch und Wirklichkeit. Das ist Doppelmoral. Sie gaukeln den Menschen vor, dass die Energiewende bei den Grünen in guter Hand sei,

(Abg. Jörg Fritz GRÜNE: So ist es halt!)

dass Verlässlichkeit der Stromversorgung, Bezahlbarkeit der Preise und Produktion miteinander in Einklang stünden, die Netzspannungen stimmten und dergleichen mehr. Doch Sie kommen dabei nicht zum Ende.

Anspruch und Wirklichkeit in der Frage „Kunst und Kultur“: Im Koalitionsvertrag schreiben Sie von Zukunftspakten. Tat sache ist: Sie gehen wie der Rasenmäher, im Prinzip wie der Berserker vor.

Ein aktuelles Beispiel aus dem letzten Jahr sind die Musik hochschulen. Ohne Vorwarnung, ohne Bürgerdialog, ohne die Menschen zu fragen, gehen Sie raus und machen in Trossin gen und Mannheim einen Kahlschlag

(Zuruf von der SPD: Ha, ha, ha!)

und versuchen jetzt in einem einjährigen Prozess – bislang oh ne Abschluss – wieder die Reparatur.

Herr Kollege Hauk, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ist das Dialog? Anspruch und Wirk lichkeit, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das kommt davon, wenn Gutmenschen regieren, Menschen, die es gut meinen, aber am Ende nur ihre eigene Meinung gelten lassen.

(Abg. Sascha Binder SPD: Er soll mal zum Thema kommen!)

Was Sie betreiben, ist eine Bevormundungspolitik, ist ein Re gieren von oben herab. Ich glaube, diese Debatte dient auch dazu, dies den Menschen in Baden-Württemberg transparent zu machen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Lindlohr das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kol legen! Herr Kollege Hauk, wie Sie von dem Vorgang, dass diese Landesregierung erst die guten rechtlichen Grundlagen für Windkraftanlagen schaffen musste, die Sie zuvor verhin dert haben, und dem normalen Ablauf bei der Erteilung von Baugenehmigungen für Windkraftanlagen, was seine Zeit dau ert, auf Doppelmoral kommen, das bleibt wirklich das Ge heimnis Ihrer nicht vorhandenen Logik.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)