Protocol of the Session on June 26, 2014

jedenfalls habe ich es nicht gehört – bestritten.

Deshalb, Herr Kollege Schebesta, ist es völlig daneben, in die sem Zusammenhang von einem Damoklesschwert zu reden. Nicht einmal im Ansatz ist zu befürchten, dass bestritten wür de, dass es eine sowohl in der Bundesverfassung – im Grund gesetz – als auch in der Landesverfassung verankerte Aufga be des Verfassungsschutzes ist, Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erkennen, sie abzuwehren

oder entsprechende Hinweise an die anderen Sicherheitsbe hörden zu geben, um genau dieses Ziel zu erreichen.

Vor drei Wochen haben wir – das Innenministerium, meine Person und die Präsidentin des Landesamts für Verfassungs schutz – den Verfassungsschutzbericht 2013 vorgestellt. Ich denke – so habe ich es gerade auch vernommen –, daran ist deutlich geworden, dass wir die aktuellen Problemfelder wirk lich im Blick haben. Die aktuellen Problemfelder weisen in der Tat eine nicht geringe Bandbreite auf, was die Arbeit der Sicherheitsbehörden, auch des Verfassungsschutzes, nicht ge rade erleichtert. Stichworte sind der Salafismus, die Proble matik, dass Personen zur aktiven Mitwirkung in Kriegsgebie te – insbesondere nach Syrien, aber auch in andere Gebiete – ausreisen bzw. von dort zurückkehren, Ausländerextremis mus, Rechts- und Linksextremismus bis hin zur Spionageab wehr, die bereits angesprochen worden ist.

Aber, meine Damen und Herren, „im Blick zu haben“ bedeu tet im Klartext nicht – das sollten wir uns gelegentlich auch in Erinnerung rufen, wenn Kritik geäußert wird –, alles zu wis sen oder alles zu können, und vor allem bedeutet es nicht, dass man unfehlbar ist.

Weil dies so ist, ist es immer wieder richtig und angebracht, sowohl die Aufgabenschwerpunktsetzung als auch die Struk tur, den Organisationsaufbau sowie den Mittel- und Perso naleinsatz ständig einer Überprüfung zu unterziehen, das heißt, eine ständige Aufgabenkritik durchzuführen. Daran ist überhaupt nichts verwerflich. Denn wenn der Verfassungs schutz diesen Aufgaben gerecht werden soll, ist es unsere Pflicht als Regierungsverantwortliche, aber auch die Pflicht des Parlaments, diese Strukturen tatsächlich ständig zu hin terfragen, neu zu bewerten, um dann möglichst breit – auch im Parlament – zu der Auffassung zu kommen, dass man ent weder richtig gut aufgestellt ist oder tatsächlich Veränderungs notwendigkeit oder -bedarf besteht.

Dass Veränderungsbedarf gegeben war, steht doch, glaube ich, außer Zweifel. Die Vorkommnisse um den NSU haben deut lich gemacht, dass es auf der Bundesebene und in den einzel nen Bundesländern im Bereich der Verfassungsschutzbehör den, aber auch anderer Sicherheitsbehörden, durchaus Ver säumnisse und Verbesserungsbedarf gab.

Deshalb sind solche Diskussionen vom Grundsatz her nicht etwa schädlich. Vielmehr hat unsere Gesellschaft das Recht, dass wir ständig transparent darüber diskutieren, ob die Si cherheitsbehörden im Land richtig aufgestellt sind, gerade dann, wenn es Kritik gegeben hat. Das war nicht nur im Ein zelfall gegeben. Vielmehr gab es eine breite Kritik im Zusam menhang mit dem NSU, was die Arbeit der Sicherheitsbehör den anlangt.

Deshalb, meine Damen und Herren, haben wir reagiert. Da le ge ich großen Wert auf die folgende Feststellung, gerade weil – ich habe es gesagt – von der einen oder anderen interessier ten Seite immer wieder unterstellt wird, wir würden da eigent lich nichts machen, wir würden da relativ blauäugig weiter machen wie bisher. Das haben wir beileibe nicht gemacht. Wir haben es allerdings anders gemacht als andere Bundesländer, wo gelegentlich mit großem Bohei verkündet wurde, dass dort der Verfassungsschutz neu positioniert, neu aufgestellt, mei netwegen auch auf den Kopf gestellt wurde.

Wir haben relativ unaufgeregt und frühzeitig entsprechend re agiert, und zwar sowohl auf die Forderungen und Ergebnisse des Bundestagsuntersuchungsausschusses zu diesem Thema als auch auf das, was die Innenminister der Länder gemein sam mit dem Bund für veränderungswürdig gehalten haben, als auch auf das, was uns die Bund-Länder-Kommission als Aufgaben ins Stammbuch geschrieben hat.

Das geschah, meine Damen und Herren, nicht erst jetzt, nicht erst vor wenigen Monaten, sondern bereits vor zwei Jahren. Im Frühjahr 2012 haben wir in Baden-Württemberg ange sichts einer Schwachstelle, die in anderen Bundesländern of fensichtlich gewesen ist, Vorsorge getroffen, damit dies bei uns nicht passieren kann. Jedenfalls haben wir unsere Mög lichkeiten, mit denen wir dazu beitragen können, genutzt, bei spielsweise durch die Schaffung der Gemeinsamen Informa tions- und Analysestelle, die wir ursprünglich nur für den Rechtsbereich installiert hatten, aber zwischenzeitlich auf al le anderen Bereiche ausgeweitet haben. Das führt zu einem engen Informationsaustausch zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und den anderen Sicherheitsbehörden, in diesem Fall der Polizei des Landes Baden-Württemberg.

Der Bund und die Länder haben vor beinahe zwei Jahren, nämlich im November 2012, das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum in Meckenheim installiert. Nicht nur der Bund hat das gemacht, sondern gerade BadenWürttemberg war eines der Bundesländer, die sich aktiv in diesen Prozess eingebracht haben. Wir haben dort – das ha ben nicht alle Bundesländer; das will ich ausdrücklich sagen – auch entsprechende Verbindungsbeamte, damit der Infor mationsaustausch zwischen Bund und Ländern so gut funkti oniert, wie wir es erwarten.

Meine Damen und Herren, wir haben auf meine Initiative hin eine Arbeitsgruppe zur Zusammenarbeit zwischen Staatsan waltschaft, Polizei und Verfassungsschutz installiert. Denn auch bei der Zusammenarbeit zwischen diesen drei Organisa tionseinheiten bzw. Institutionen bestand in anderen Bundes ländern ein Mangel. Wir haben dafür Sorge getragen, dass in Baden-Württemberg der Informationsaustausch beispielswei se zwischen der ermittelnden Staatsanwaltschaft und dem Landesamt für Verfassungsschutz verbessert wird.

Wir haben außerdem in den zurückliegenden zwei Jahren, al so in den Jahren 2012 und 2013, die Personalausstattung im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus sukzessive deutlich gestärkt.

Über andere Maßnahmen habe ich schon im Februar berich tet. Ich will dies heute an dieser Stelle nicht vollumfänglich wiederholen. Ich denke, uns allen ist dies bekannt.

Aber, meine Damen und Herren, natürlich hat – ich habe es gesagt – gesellschaftspolitischer Wandel auch Auswirkungen auf die Sicherheitsarchitektur in einem Land. Wir diskutieren darüber, wie die Sicherheitsarchitektur auszugestalten ist und was dafür erforderlich ist, wie viel Personal, wie viele Mittel, wie viele Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, heute an ders als vor zehn, vor 20 oder vor 30 Jahren. Wir haben uns immer entsprechend angepasst, nach entsprechender Diskus sion beispielsweise beim Thema „Freiheitsrechte und Bürger rechte“ und bei den Möglichkeiten, die wir schaffen müssen,

um die Sicherheit im Land zu gewährleisten. All das haben wir immer neu abgewogen und neu bewertet und es dann auf den Weg gebracht. Nichts anderes machen wir auch in diesem Bereich.

Aber ich will Ihnen auch sagen: Zur Wahrheit gehört auch, meine Damen und Herren von der Opposition, dass Sie die jenigen waren, die in den zurückliegenden Monaten, um nicht zu sagen in den letzten drei Jahren die Landesregierung stän dig attackiert haben, z. B. beim Thema Haushaltskonsolidie rung. Ich will ausdrücklich sagen: Wenn wir den Haushalt des Landes Baden-Württemberg so ausrichten, dass wir es tatsäch lich schaffen, ausgeglichene Haushalte auf den Weg zu brin gen, weniger Schulden zu machen und Schuldenabbau zu be treiben, dann gilt dies für die komplette Landesverwaltung Baden-Württemberg einschließlich aller Einrichtungen auch im Bereich der Sicherheit. Die Frage ist, wie wir das machen, ohne dass es nachteilige Auswirkungen auf die entsprechen de Arbeit hat. Ein Beispiel war die Polizeistrukturreform.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ach, das ist Konsolidie rung?)

Wir arbeiten mit dem Personal, das Sie uns hinterlassen ha ben, nämlich mit 1 000 Polizeibeamten weniger, als vorher da gewesen sind, und haben uns darauf eingestellt. Natürlich wird auch der Verfassungsschutz seinen Beitrag zur Haushaltskon solidierung leisten müssen.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist kein Gewin nerthema! Das sollten Sie langsam sehen!)

Das werden wir dann im Rahmen der Haushaltsberatungen entsprechend diskutieren können.

Einen wirklichen Nachholbedarf sehe ich, meine Damen und Herren, beim Thema „Parlamentarische Kontrolle“. Die Frak tionen des Landtags haben darum gebeten, sich in einer Ar beitsgruppe dieses Themas anzunehmen. Dort gibt es Hand lungsbedarf, denn in keinem anderen Bundesland ist die par lamentarische Kontrolle so schwach ausgeprägt wie in BadenWürttemberg. Deshalb bitte ich darum, dass wir da jetzt zü gig vorankommen.

Ich sage ausdrücklich die Unterstützung meines Hauses und jegliche Form der Zuarbeit zu. Wir haben Ihnen die Verglei che der Bundesländer quasi schon anheimgegeben, an denen man sich meines Erachtens entsprechend orientieren kann. Wenn Sie es denn wünschen – das sage ich ausdrücklich –, nehme ich Ihnen gern auch die Erarbeitung eines Gesetzent wurfs zu diesem Thema ab.

In diesem Sinn hoffe ich weiterhin auf eine gemeinsame Zu sammenarbeit zum Wohle der Sicherheit unseres Landes Ba den-Württemberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Schebesta.

(Abg. Walter Heiler SPD: Das Pulver verschossen!)

Herr Minister, Sie haben schon deutliche Sätze gefunden, die als Widerspruch zu den Vor schlägen Ihres Koalitionspartners verstanden werden muss ten.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ja!)

Da waren Sie jetzt ein bisschen schwächer. Ich bitte Sie: Stel len Sie sich im Gegensatz zu Ihrem Koalitionspartner weiter so deutlich, wie Sie es schon getan haben, hinter das Landes amt für Verfassungsschutz und hinter den Verfassungsschutz in unserem Land.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Wenn Sie in diesem Punkt zurückrudern und den Widerspruch so nicht aufrechterhalten, müssen wir schon auch die Sorge haben, dass an der Diskussion mehr dran ist als nur Hirnge spinste der Grünen und durchaus ernsthafte Überlegungen in diese Richtung bestehen. Werfen Sie uns nicht vor, keine Haushaltskonsolidierung zu betreiben, wenn wir Überlegun gen für einen Personalabbau um 30 bis 50 % beim Landesamt für Verfassungsschutz kritisieren. Ein solcher Abbau hat nichts mit Haushaltskonsolidierung zu tun, sondern mit dem Ver such, das Landesamt für Verfassungsschutz in seiner Aufga be erheblich zu schwächen und es seine Aufgaben nicht mehr erfüllen zu lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho mas Blenke CDU: So ist es!)

Wenn Sie sich dagegen wehren, haben Sie unsere Unterstüt zung. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sich Ihr Koa litionspartner da nicht durchsetzt.

Es ist ein bisschen ein Pfeifen im Walde, wenn Sie sagen, nie mand stelle den gesetzlichen Auftrag des Landesamts für Ver fassungsschutz infrage. Gesetzlicher Auftrag des Landesamts für Verfassungsschutz ist es, nicht nur den gewaltbereiten Ex tremismus zu überwachen. Der Vorschlag der Fraktionsvor sitzenden der Grünen war jedoch genau eine Konzentration auf den gewaltbereiten Extremismus. Damit wurde durch die Fraktionsvorsitzende, Frau Sitzmann, der gesetzliche Auftrag des Landesamts für Verfassungsschutz infrage gestellt.

Also sagen Sie hier nicht, in der Koalition gäbe es keine Dis kussion über die Aufgabenbeschreibung des Landesamts für Verfassungsschutz. Wir diskutieren das hier, weil wir die der zeitige Aufgabenbeschreibung aufrechterhalten wollen. Es steht zu befürchten, dass diese Debatte nach den Wortmeldun gen von heute Morgen auch in einem Monat, in drei oder vier Monaten aktuell bleibt,

(Beifall bei den Abgeordneten der CDU – Abg. Ale xander Salomon GRÜNE: Nur bei Ihnen!)

weil Sie das Thema nicht abgeräumt haben. Wir können doch nichts dafür, dass die Presse bei der Vorstellung des Verfas sungsschutzberichts 2013 fragt, wie es mit diesen Vorschlä gen aussieht. Wir können doch nichts dafür, dass nach wie vor nicht klar ist, wie die Stellensituation und die Aufgabenbe schreibung in der Koalition verhandelt werden. Wenn Sie nicht wollen, dass dieses Thema weiter politisch aktuell bleibt, dann entscheiden Sie einfach, kommen Sie hier vor und sa

gen namens der Grünen, der Vorschlag, 30 bis 50 % des Per sonals abzubauen und nur noch gewaltbereiten Extremismus zu beobachten, sei vom Tisch. Dann haben wir keinen Grund mehr, eine Aktuelle Debatte zu führen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Aber es gibt diesen Grund, und deshalb diskutieren wir auch darüber.

Es ist keine unaufgeregte Diskussion, und es ist auch nicht so, dass es im Landesamt für Verfassungsschutz bei den Mitar beitern keine Auswirkungen hätte, wenn der Vorschlag, bis zur Hälfte des Personals abzubauen, seit einem Jahr im Raum steht. Da überlegt sich doch jeder im Landesamt für Verfas sungsschutz jeden Tag: Was ist, wenn das morgen entschie den wird? Wen trifft es, den Kollegen neben mir oder mich? Das führt zur Verunsicherung im Amt

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das lähmt die Arbeit! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist unver antwortlich von den Grünen!)

und sorgt dafür, dass die Aufgabe nicht so erfüllt werden kann, wie sie erfüllt werden sollte. Erledigen Sie dieses Thema, in dem Sie die ganzen Vorschläge abräumen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Natürlich haben wir die Sorge, dass es Machtspielchen sind. Denn der Finanzminister hat sich jetzt mit seinem Vorschlag, ab 2016 keine neuen Schulden zu machen, durchgesetzt. Das ist aus unserer Sicht richtig so.

(Beifall der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Aber wir wollen nicht, dass das dann in der Koalition auf dem Tisch liegt und die Kollegin Sitzmann als Ausgleich dafür ih ren Vorschlag zum Personalabbau beim Landesamt für Ver fassungsschutz durchbekommt. Solche Machtspielchen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz wollen wir nicht. Sor gen Sie dafür, dass diese Vorschläge abgeräumt werden. Sor gen Sie dafür, dass das Landesamt seiner Aufgabe gerecht werden kann. Denn da haben Sie noch Nachholbedarf. Räu men Sie das in der zweiten Runde oder wann auch immer ab. Dann ist kein Damoklesschwert mehr über dem Amt.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Jochen Hauß mann und Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)