Protocol of the Session on June 4, 2014

Oder wird nun mit der Aufweichung des § 102 der Gemein deordnung stattdessen noch eins draufgesetzt?

Zu guter Letzt erlaube ich mir noch, auf einen Widerspruch hinzuweisen. Explizit ist von den Befürwortern einer Auswei tung kommunaler Wirtschaftstätigkeit zu hören, man wolle Energieberatung als mit dem Hauptzweck von Stadtwerken verbundene Dienstleistung ermöglichen. In den entsprechen den Förderrichtlinien für das Handwerk wird dort aber gera de zwischen Beratung und Hauptleistung getrennt. Sie wol len also eine Aufgabenverquickung ermöglichen, die bei pri vaten Unternehmen gerade nicht gewünscht ist. Da zeigt sich doch der wahre Geist dieser Landesregierung: Sie haben ein tief verwurzeltes Problem mit dem selbstständigen Unterneh mertum.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD: Das ist doch lächerlich! – Das ist doch Unsinn!)

Sie misstrauen der mittelständischen Wirtschaft, die das Rück grat unseres Wohlstands ist.

Meine Damen und Herren, Kommunen und Mittelstand sind Partner. Die einen schaffen die notwendige Infrastruktur und vergeben Aufträge, die anderen bieten ihre Dienstleistungen an und geben der Gesellschaft dafür viel zurück. Diese Part nerschaft darf nicht zerstört werden. Erkennen Sie bitte einen wichtigen Unterschied an: Kommunale Unternehmen sind Ga ranten der Daseinsvorsorge, sie sind keine normalen Markt teilnehmer. Deshalb fordern wir Sie mit Nachdruck auf, es bei der bestehenden Gemeindeordnung zu belassen und damit die Belange der privaten Handwerksunternehmen und deren Kun den zu wahren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr gut!)

Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Karl Klein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Mittelstand und das Handwerk sind seit Jahr zehnten das Rückgrat der Wirtschaft in Baden-Württemberg. Mittelstand und Handwerk stellen 80 % der Ausbildungsplät ze, beschäftigen ca. 70 % aller Arbeitnehmerinnen und Ar beitnehmer und erwirtschaften ca. 50 % der Wertschöpfung in Baden-Württemberg. Noch zu keiner Zeit waren so viele Betriebe bei den Kammern gemeldet und so viele Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmer sowie Auszubildende bei Mittel stand und Handwerk beschäftigt, und zu keiner Zeit zahlten Mittelstand und Handwerksbetriebe so viele Steuern an den Bund, das Land und die Kommunen,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

sodass heute das Land Baden-Württemberg über satte Haus haltsüberschüsse verfügt und wir beim nächsten Tagesord nungspunkt darüber diskutieren, die Nullneuverschuldung im Landeshaushalt früher zu erreichen als erst im Wahljahr 2016.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Überfällig!)

Außerdem, meine sehr geehrten Damen und Herren, waren der Mittelstand und das Handwerk auch das stabile Funda ment in der Finanz- und Wirtschaftskrise. Viele Länder in Eu ropa beneiden uns um den Mittelstand und das Handwerk. Da für möchte ich heute an dieser Stelle nochmals dem Hand werk und dem Mittelstand ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf von der SPD: Das ist richtig!)

Anstatt nun den Fokus darauf zu richten, dass sich die Rah menbedingungen für Mittelstand und Handwerk in BadenWürttemberg weiter verbessern und z. B. die Infrastruktur bei Straßen, Schienen, Wasserwegen sowie der Breitbandversor gung sehr zügig ausgebaut und verbessert wird, dass die be rufliche Bildung und die Weiterqualifizierung gestärkt werden und wir für den Zuwachs an Fachkräften gute Rahmenbedin gungen haben, anstatt mehr Energieeffizienz auf diesem Sek tor zu fördern und vor allem Versorgungssicherheit auch für den Mittelstand und die Handwerksbetriebe in unserem Land herzustellen, wirft die grün-rote Landesregierung dem Mittel stand und dem Handwerk immer mehr Steine in den Weg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Wider spruch bei der SPD)

Zu nennen sind z. B. die Erhöhung der Grunderwerbsteuer zu Beginn Ihrer Regierungszeit, die Bürokratie um das Tarif treuegesetz sowie die Bürokratie um die Flächenbedarfsnach weise und das geplante Bildungsfreistellungsgesetz. All das geht auf Kosten der Betriebe.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Hinzu kommt ein weiteres Schwergewicht, meine sehr geehr ten Damen und Herren: die geplante Änderung des Kommu nalverfassungsrechts, der Gemeindeordnung. Mit Ihrem ge planten Gesetzentwurf wollen Sie die wirtschaftliche Betäti

gung der Kommunen im Bereich der Privatwirtschaft in ei nem Maß erweitern, das weit über den Bereich der Daseins vorsorge für die Kommunen und vor allem auch weit über das Örtlichkeitsprinzip für kommunale Tätigkeiten, das bisher be friedigend war, hinausgeht.

(Abg. Walter Heiler SPD: Das ist eine Regelung, die ihr beschlossen habt! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist die alte Regelung! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das habt ihr 2005 beschlossen!)

Wenn Sie das so erweitern, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaffen Sie eine Konkurrenzsituation zum regionalen Mit telstand und Handwerk, und Sie untergraben das Fundament vieler Handwerksbetriebe.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben die Regelungen bisher in gutem Konsens mitein ander verändert und in gutem Konsens mit dem Handwerk und dem Mittelstand fortgeführt. Es ist kein Wunder, dass Sie mit Ihrem Entwurf, den Sie in die Anhörung gebracht haben

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Nix Anhörung!)

zumindest haben Sie Eckpunkte in die entsprechenden An hörungen gegeben –, sehr starke Proteste seitens der Hand werker auslösen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wo?)

Anstatt auf der regionalen und der kommunalen Ebene ein Miteinander vor Ort zu sichern, wie es bisher war, schaffen Sie damit ein Gegeneinander und eine Konkurrenzsituation mit ungleichen Voraussetzungen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was? – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Denn man muss ehrlich sagen, dass kommunale Unternehmen doch zahlreiche Vorteile hinsichtlich der Besteuerung der Ka pitalzinsen und der Haftung haben, die private Unternehmen in dieser Art nicht haben.

(Beifall bei der CDU)

Das Irrwitzige ist: Wenn es zutrifft, dass Sie den Kammern und den Handwerksbetrieben die Möglichkeit der Klage ge gen die Subsidiaritätsklausel, die bisher bestand, nehmen wol len, die meiner Ansicht nach erhalten bleiben muss,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Woher wissen Sie denn das alles? Was erzählen Sie denn für Geschichten? – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Lauter Sprüche!)

so steht dies gerade im Gegensatz zu dem, was Sie in ande ren Bereichen, z. B. im Baurecht, im Verkehrsrecht und ins besondere im Tier- und Naturschutzrecht im Wege des Ver bandsklagerechts einführen. Da geht irgendwo etwas nicht zu sammen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin nicht sicher, ob diese Gesetzesänderung mit dieser Er weiterung der richtige Weg ist, die Stadtwerke und die Re kommunalisierung der Energieversorgung zu stärken.

Hier müssen Sie gut überlegen, ob Ihnen und insbesondere den steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürgern in Baden-Württem berg diese Öffnung nicht irgendwann einmal auf die Füße fällt.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, lehnt die CDU-Fraktion eine Ausweitung der privatwirtschaftlichen kommunalen Tätigkeit grundlegend ab. Denn die gesetzlichen Regelungen, die wir bisher haben, sind eigentlich von einem guten Geist, von einem guten Konsens und von einem guten Miteinander getragen. Diesen Weg verlassen Sie mit dem ge planten Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Noch eines, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich anführen: Wenn wir schon über Wochen und Monate zu sammensitzen, über kommunalverfassungsrechtliche Fragen miteinander reden und versuchen, hier einen Konsens zu fin den, hätte ich es begrüßt, wenn zumindest auch die Eckpunk te zu weiteren Änderungen in der Gemeindeordnung, die jetzt bekannt wurden, angesprochen worden wären. Das wäre si cherlich guter politischer Stil gewesen und hätte auch das Ver trauen in eine gute parlamentarische Zusammenarbeit gestärkt.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD Das gab es vorher nie im Landtag, als Sie an der Regierung waren!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, ich möch te im Zuhörerraum den Landesbischof der Evangelischen Lan deskirche Baden, Herrn Professor Dr. Cornelius-Bundschuh, sehr herzlich begrüßen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Landesbischof Dr. Cornelius-Bundschuh wurde, wie Sie wissen, am letzten Sonntag, also am 1. Juni 2014, in sein Amt eingeführt und stattet dem Landtag von Baden-Württemberg heute zu ersten Begegnungen und Gesprächen einen offiziel len Besuch ab.

Ich heiße Sie hier in der Plenarsitzung des Landtags herzlich willkommen und wünsche Ihnen namens aller Kolleginnen und Kollegen eine glückliche Hand und viel Erfolg bei Ihrer neuen Arbeit. Für Ihren heutigen Aufenthalt in Stuttgart und die vielfältigen Gespräche und Begegnungen wünsche ich Ih nen alles Gute. Wir freuen uns, dass Sie so kurz nach Ihrem Amtsantritt dem Landtag von Baden-Württemberg Ihre Auf wartung machen. Herzlich willkommen!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir fahren mit der Aktuellen Debatte fort. Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Kollegin Lindlohr.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin vom Beitrag des Kollegen Karl Klein zum Thema „Handwerk und Gemein deordnung“ etwas verwirrt.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Damit müssen wir le ben! – Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Unruhe)