Die Welt verändert sich, unsere Gesellschaft verändert sich, unsere Schulen verändern sich. Selbst die politischen Debat ten verändern sich – auch bei der CDU und der FDP. Ich er innere z. B. an die Baumert-Studie. Sie wurde im letzten Jahr auf den Weg gebracht und am Ende der letzten Legislaturpe riode noch von der vorherigen Kultusministerin Schick vor gestellt.
Die Studie trug den Titel „Herkunft und Bildungserfolg“ und enthielt weitreichende Empfehlungen dazu, was sich verän dern muss.
Die CDU auf Bundesebene versucht, eine Trendwende zu er reichen und die Ausrichtung ihrer Bildungspolitik neu zu for mulieren.
Wohin man auch schaut: Alle haben die Zeichen der Zeit er kannt. Wenn wir gute Schulen haben wollen, wenn wir alle Potenziale heben wollen, wenn wir alle Schülerinnen und Schüler optimal fördern wollen, müssen wir auch den schwie rigen, harten und eminent wichtigen Beruf der Lehrerin und des Lehrers aufwerten und weiterentwickeln.
Daran gibt es nichts zu deuteln. Aber hier im Haus wird dar über diskutiert, dass wir die Qualität der Lehrerbildung nicht antasten dürfen.
Ich bitte Sie, noch einmal darüber nachzudenken. Vielleicht nimmt das auch ein bisschen die Emotion aus der Debatte. Es geht, glaube ich, um nichts anderes, als im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen alles dafür zu tun, dass diese in un seren Schulen – egal, in welchen sie sich befinden – beste Bil dung, beste Ausbildung, beste Vorbereitung auf das Leben er fahren und dass sie in ihrer Unterschiedlichkeit, mit ihren un terschiedlichen Voraussetzungen, Schwerpunkten und Fähig keiten abgeholt und optimal gefördert werden.
Keine andere Frage stellt sich. Ich bin mir sicher: Unsere Leh rerinnen und Lehrer haben einen harten Job,
leisten eine schwierige Arbeit. Sie haben eine große Verant wortung für unsere Gesellschaft, weil es prägende Erfahrun gen für das Leben sind, die Kinder in dieser Zeit machen. Wir legen größten Wert darauf, dass unsere Schulen mit dem bes ten Personal ausgestattet sind, damit dort gute Bildung von stattengeht.
Vor diesem Hintergrund ist angesagt, hinsichtlich der gesam ten Lehrerbildung über alle Schularten hinweg und über alle Bildungseinrichtungen und Bildungsträger hinweg zu fragen,
was wir weiter tun können. Nichts anderes habe ich gemacht, als ich in der Öffentlichkeit angekündigt habe, dass wir die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Hochschular ten verstärken, Kooperationen ausweiten wollen, weil wir die Stärken der verschiedenen Hochschulen – der Universitäten, der Pädagogischen Hochschulen und im Übrigen auch der Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die bei der Leh rerbildung zum Teil auch eine Rolle spielen – nutzen, zusam menführen und die Kooperationen auf eine breitere Basis stel len wollen.
Die alte Landesregierung hat gern darüber geredet, aber es ist ganz wenig passiert. Die Kooperationsmodelle waren punk tuell, fragil: hier mal ein Projektchen, da mal eine Maßnah me; manches ist auch wieder eingeschlafen. Am Ende der letz ten Legislaturperiode hat die damalige Landesregierung einen Wettbewerb ausgeschrieben und in der Übergangsphase zwi schen der alten und der neuen Legislaturperiode diesen Wett bewerb auch noch zu Ende gebracht. Das ist doch ein Zeichen dafür, dass auch Sie schon eingesehen haben, dass im Bereich der Kooperationen über Hochschulen hinweg noch vieles im Argen liegt und dass viel mehr getan werden muss.
Sie können heute doch nicht so tun, als würde die Welt zu sammenbrechen, wenn wir genau diesen Gedanken aufgrei fen und sagen: Wir wollen mehr daraus machen, weil wir er kennen, dass wir in allen Schularten, in allen Schulen das nö tige Rüstzeug sowohl fachlicher als auch didaktischer und pä dagogischer Art brauchen, um mit der Vielfalt der Schülerin nen und Schüler, mit ihrer Unterschiedlichkeit gut umgehen zu können.
Unterschiedlichkeit – lassen Sie mich das nur kurz anreißen – ist nicht nur ein Problem für die Lehrerinnen und Lehrer in den Klassenzimmern. Unterschiedlichkeit ist, wenn man da mit umgehen und wenn man sie ins Unterrichtskonzept ein bauen kann, ein Potenzial, eine Ressource, die man nutzen kann. Das ist die neue Denkweise, die unsere Schulen brau chen, egal, ob es eine Hauptschule, eine Werkrealschule, ei ne Realschule oder ein Gymnasium ist.
Das nächste Stichwort: Inklusion, die Fähigkeit, in der Schu le damit umzugehen, dass Kinder mit und ohne Behinderun gen zusammen lernen können. Das sind die Fähigkeiten, die unsere Lehrerinnen und Lehrer brauchen. Das müssen wir grundlegend in alle Ausbildungs- und Bildungspläne einar beiten. Das ist der Gedanke, der hinter meinem Interview stand, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Vor wenigen Wochen waren wir bei der Gründung eines brei ten Bündnisses mit Kräften aus der Wirtschaft und der Ge werkschaften. Auch verschiedene Ministerien waren vertre ten. Es ging darum, ein Bündnis zu schmieden, um mehr Frau en zu motivieren, einen MINT-Beruf zu ergreifen. Viele Un terschriften wurden geleistet, das Medieninteresse war groß. Der Tenor von der IHK, über die Gewerkschaften, über die Ministerien bis zu den Bildungseinrichtungen war: Die Prä ferenzen, einen technisch orientierten Beruf zu ergreifen oder ein Studium für einen solchen Beruf aufzunehmen, entstehen
sehr früh. Im Prinzip ist die Präferenzbildung mit der Puber tät abgeschlossen. Wenn wir also mehr Mädchen ermutigen wollen, diesen Weg zu gehen, der in Baden-Württemberg noch nicht von so vielen Mädchen beschritten wird, wie wir es brauchen würden, dann müssen unsere Lehrerinnen und Leh rer genau darauf vorbereitet werden.
(Abg. Georg Wacker CDU: Ich möchte gern, dass die Frau Ministerin auf meine Kurzintervention eingeht!)
Also, Frau Ministerin: Wenn Ihr Redebeitrag zu Ende ist, dann erfolgt die Kurzintervention und bei Bedarf noch einmal eine Replik.
Wenn wir bei den MINT-Fächern vorankommen wollen und mehr junge Frauen und mehr Mädchen motivie ren wollen, diesen Weg zu gehen, dann muss unseren Lehre rinnen und Lehrern bei der Ausbildung vermittelt werden, wie diese Motivation im Unterricht erfolgen kann. Das geht eben nicht nur mit Fachlichkeit – auch mit Fachlichkeit –, sondern es geht auch mit moderner Pädagogik und Didaktik. Diese zu verbessern, das ist unser Anliegen. Daran werden wir arbei ten, und in diese Richtung werden wir die nächsten Schritte tun. Ich bin sicher, dass die Universitäten, die Hochschulen für angewandte Wissenschaften und die Pädagogischen Hoch schulen eine große Bereitschaft aufweisen, diese Verschrän kung, die bessere Nutzung all der Stärken, die in unserer Hochschullandschaft vorhanden sind, voranzubringen.
Es gibt an diesem Punkt keine Differenzen zwischen dem Kul tus- und dem Wissenschaftsministerium. Deshalb braucht man sich auch keine Sorgen zu machen. Wir stehen in einem en gen, guten Kontakt, haben ein gemeinsames Anliegen, einen gemeinsamen Gesprächsfaden. Wir richten gerade einen ge meinsamen Gesprächs- und Expertenkreis zu diesem Thema ein.
Wir werden über alle weiteren Schritte in der nötigen Offen heit und nötigen Öffentlichkeit mit den beteiligten Experten vor Ort diskutieren und werden auch Sie rechtzeitig in diese Diskussion einbeziehen und mitarbeiten lassen.
Wir kommen zur Kurzintervention. Dafür stehen drei Minu ten Redezeit zur Verfügung. In der Geschäftsordnung ist vor gesehen, dass der Redner danach in jedem Fall noch replizie ren kann. Das ist also ein Instrument, das sicherlich immer wieder zur Belebung beitragen kann.
Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben uns, der CDU, am Anfang Ihrer Rede unterstellt, wir wären für einen Qualitäts stopp in der Lehrerbildung. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir in den letzten Jahren immer gemeinsam – auch in den Fachausschüssen – an der Qualität der Lehrerbildung gearbei tet haben. Viele Redner haben zu Recht gesagt: Die Schule entwickelt sich weiter; denn die Schule ist der Spiegel der Ge sellschaft. Deswegen kommen neue Herausforderungen auf die Lehrkräfte zu. Deswegen müssen wir die Lehrerbildung auch weiterentwickeln. So weit sind wir uns einig, Frau Mi nisterin. Wir sind auch bereit, diesen Weg konstruktiv zu be gleiten.
Würden Sie mir aber auch zustimmen, dass es im Grunde um die entscheidende Frage geht – das ist offensichtlich der Dis sens, der noch nicht ausgeräumt wurde, weder durch Ihren Beitrag noch durch den Beitrag der Kultusministerin –, dass eine Differenzierung des Unterrichts in jedem Fall notwendig ist? Denn auch jeder Bildungsforscher sagt, dass eine Diffe renzierung im Unterricht intelligent oder auch weniger intel ligent umgesetzt werden kann.
Wenn Sie zusagen, ein Augenmerk auf einen differenzierten Unterricht zu legen – auch in Form von differenzierten Bil dungsgängen –, sagen wir Ihnen zu, Sie auf diesem Weg kon struktiv zu begleiten.
Vielen Dank für Ihre Intervention, Herr Abg. Wacker. Das gibt mir eine gute Gelegenheit, selbst noch ein mal zu differenzieren.
Die Tonalität der heutigen Aktuellen Debatte ist nicht von der CDU eingebracht worden, sondern diese Debatte wurde von der FDP/DVP beantragt. In der Opposition ist man in keiner Koalition; deshalb freue ich mich sehr über die unterschied liche Tonalität der beiden Oppositionsfraktionen in der heuti gen Debatte.
Ich sehe durchaus, dass Sie am Ende der letzten Legislatur periode Schritte in die Wege geleitet haben, die auch aus un serer Sicht Schritte in die richtige Richtung sind. Wir wollen diese weiterentwickeln und werden auch weiter in diese Rich tung gehen. Wir freuen uns, wenn wir zwischen Regierungs lager und Opposition auch Gemeinsamkeiten finden. Ich bin mir sicher, dass es unseren Schulen, unseren Lehrerinnen und Lehrern sowie unseren Kindern guttut, wenn das Thema Bil dungspolitik möglichst im Konsens vorangebracht wird.