Protocol of the Session on July 29, 2010

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hal ler.

Herr Präsident, meine Da men und Herren! Laut Grünen soll ein Moratorium her. Die Frage ist: Weshalb, und was soll danach kommen? Durch ein Moratorium werden die Kosten um keinen Cent geringer. Die Standpunkte werden sich nicht ändern. Die Frage ist: Was soll danach kommen? Was ist der Sinn eines Moratoriums? Noch einmal Händchen halten, sich noch einmal nett austauschen, und am Ende stehen wir mit genau den gleichen Argumenten da, über die wir mit den Bürgerinnen und Bürgern seit 17 Jah ren diskutieren. Deshalb lehnen wir ein Moratorium ab. Dar auf habe ich vorhin schon hingewiesen.

Dieses Projekt hat wie jedes Großprojekt Chancen und Risi ken. Das ist doch völlig klar. Es hat auch problembehaftete Stellen, gerade bei dem noch nicht planfestgestellten Ab schnitt. Wir sind froh, dass er noch nicht planfestgestellt ist; denn das ermöglicht die Optimierung dieses Abschnitts. Die Frau Ministerin hat zugesagt, sich ernsthaft darum zu bemü hen – sie hat unsere Unterstützung –, die von SMA aufgezeig ten Probleme zu lösen. Das ist doch der Sinn des Gutachtens. Wir können nicht immer dann, wenn ein Problem auftritt, ein Moratorium verkünden und das Gesamtprojekt infrage stel len. Das werden wir nicht mitmachen.

Die Kosten sind gestiegen – das ist unstrittig –, aber nie in den von Ihnen behaupteten Dimensionen, sondern um 40 %.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Es ist ja noch nicht gebaut! Die Kosten steigen schon, bevor gebaut wird! Was wird erst passieren, wenn gebaut wird?)

Es ist doch klar, dass sie steigen. 200 Millionen € akzeptie ren Sie, den anderen Teil nicht. Das werden Sie bei allen Pro jekten haben. Das werden Sie auch bei den von Ihnen befür worteten Projekten haben.

(Zuruf des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Nur ein Hinweis: In Freiburg gibt es auf einer anderen Ebene die Diskussion über einen Tunnel für eine Straße in der Stadt, der ein ganz schlechtes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist. Ich frage Sie: Wer will diesen Tunnel? Die Grünen sind es, die ihn wollen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Hört, hört!)

Ich zitiere den Kollegen Pix: „Vor allem die Verkehrspolitik muss besser werden; der Bau des Stadttunnels in Freiburg muss her“ – ein Tunnel mit dem schlechtesten Kosten-Nut zen-Verhältnis.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Großartig!)

Ihnen geht es doch gar nicht um diesen oder jenen Cent. Wenn ein Vorhaben Ihrer Meinung nach gut ist, spielen die Kosten eine nachrangige Rolle; wenn Sie dagegen sind, werden sie in den Vordergrund geschoben.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Das, was Sie vorbringen, ist relativ.

Klar ist: Wir stehen hinter dem Projekt. Niemand wird be haupten, dass bei den Kosten das Ende der Fahnenstange un abänderlich erreicht sei.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Dann wird es noch teurer! – Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Was? Ja, Sie! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Die Kosten hat niemand hundertprozentig im Griff. Es ist doch völlig klar – das weiß jeder Kommunalpolitiker in Hintertup fingen –, dass sich ein Projekt verteuern kann.

(Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Jürgen Walter: Wer bezahlt?)

Die Zahlen müssen zum jeweiligen Planungsstand nach bes tem Wissen und Gewissen offengelegt werden. Das ist der Knackpunkt. Ich verdeutliche Ihnen einmal die Relation. Wir haben hier ein Projekt für ganz Baden-Württemberg mit Kos ten in Höhe von ca. 7 Milliarden €. Daimler erwartet in die sem Jahr einen Jahresgewinn von 6 Milliarden €. Das ist eine Firma. Wir planen ein Jahrhundertprojekt – eine Firma erwar tet einen Jahresgewinn von 6 Milliarden €. Ich glaube, der volkswirtschaftliche Nutzen für die Infrastruktur und das da mit verbundene, sich über Jahre erstreckende Konjunkturpro gramm für dieses Land sind es wert, dass wir jetzt und heute für dieses Projekt eintreten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie Kollege Scheuermann gesagt hat, ist es vertraglich gesi chert. Das gilt auch für die Finanzierung. Da kann niemand aussteigen. Die gegenteilige Ansicht beruht auf einem Trug schluss. Sie streuen den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen und verunsichern sie. Sie stellen Behauptungen auf, die nicht stimmen. Das Projekt wird kommen.

(Zuruf von den Grünen: Sie gehen!)

Geben Sie sich damit endlich zufrieden. Akzeptieren Sie, dass das Projekt kommt, und arbeiten Sie pragmatisch mit, um noch Verbesserungen zu erreichen. Wir sind offen für Einzel

falllösungen und für Verbesserungen. Dafür werden wir kämp fen. Die SPD steht aber zu diesem Projekt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Bachmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kretschmann, Sie haben ge sagt, ich hätte die Gegner von Stuttgart 21 als Krawallmacher bezeichnet.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ihr Fraktions vorsitzender! – Unruhe)

Das habe ich nicht getan. Ich wäre dankbar, wenn Sie gele gentlich auch zuhören würden.

(Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE: Ich habe ge sagt: Ihr Fraktionsvorsitzender! Sie müssen einmal zuhören! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Sie haben das vorhin so gesagt. Wir werden Ihre Rede ge meinsam nachlesen. Ich kenne viele der Gegner seit Jahren. Das sind anständige, respektable Menschen. Ich respektiere die Meinung, die sie vertreten. Aber wir teilen sie nicht – aus besten Gründen. Das haben wir Ihnen hier hundertmal erklärt. So etwas lassen wir uns nicht vorwerfen.

Sie möchten Legitimität anmahnen. Aber in einer parlamen tarischen Demokratie werden Entscheidungen durch demo kratische Mehrheiten in den Parlamenten legitimiert. Ich emp fehle Ihnen die Lektüre von Staatsrechtslehrbüchern.

Die Verkehrsministerin hat Ihnen ausführlich dargelegt, dass alle relevanten Parlamente – auch der Stuttgarter Gemeinde rat – dieses Projekt mit breiter Mehrheit immer wieder ein wandfrei legitimiert haben.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Das ist ein schweres Wort!)

Es gibt eine Ausnahme:

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: In Ham burg!)

Auch Parlamente können irren. In einem demokratischen Rechtsstaat werden auch einwandfrei getroffene Entscheidun gen durch die Gerichte überprüft. Das ist so; das ist gut so. Wenn ein Parlament – das kann vorkommen – z. B. die Re geln der Verfassung einmal falsch interpretiert hat oder – wie in Hamburg – das Volk eine Entscheidung nicht akzeptiert, dann gibt es andere Mittel: Zum einen gibt es Volksentschei de, zum anderen die Gerichte. Sie überprüfen die Entschei dungen, die demokratisch legitimiert sind. Bei Stuttgart 21 sind unsere Entscheidungen einwandfrei. Die Gerichte haben Ihnen bescheinigt, dass Sie falsch liegen.

Irgendwann könnte man in einem Rechtsstaat die Entschei dungen legitimierter parlamentarischer Gremien und einwand frei arbeitender Gerichte auch einmal akzeptieren, Herr

Kretschmann. Dabei helfen auch nicht die Polemik und die persönlichen Anwürfe, mit denen Sie hier immer agieren.

Uns macht die Auseinandersetzung Spaß. Ich finde sie sport lich; sie belebt das große Theater, das wir hier vorführen. Trotzdem ist ein wenig Ehrlichkeit wichtig. Demokratie wird in Parlamenten gemacht. Das ist legitim. Die dort getroffenen Entscheidungen werden von Gerichten überprüft. Dann ist es irgendwann einmal gut. Deswegen sind die Entscheidungen zu Stuttgart 21 einwandfrei zustande gekommen.

Wahrheit und Klarheit, Herr Kretschmann: Was können Lan desregierung, Bundesregierung und Bahn mehr tun, als nach sorgfältigen Berechnungen, nach Planfeststellungsverfahren dann, wenn man die Einzelheiten kennt und die Bürgerein wände auf ihre Berechtigung geprüft hat, immer ehrlich und klar die wahren Kosten zu nennen?

Zum letzten Punkt, zur Fairness: Wir haben Ihnen gesagt, dass das Geld in Baden-Württemberg verbaut wird. Sie wissen ge nau, wie die Alternative aussieht. Ob Ihr Projekt K 21 je rea lisiert würde, weiß kein Mensch.

Eines ist sicher: Wenn unser Projekt nicht verwirklicht wür de, dann flösse das Geld z. B. in die „Hinterlandseehafentras se“,

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Nach Meck lenburg-Vorpommern!)

in die Y-Trasse von Bremen und Hamburg nach Hannover. Dort oben warten sie darauf. Das sind die Diskussionen im Bund.

Wir sind den Bundestagsabgeordneten – auch dem früheren Verkehrsminister Tiefensee; so viel Ehrlichkeit muss heute einmal sein, dass auch das gesagt wird – und der jetzigen Bun desregierung dankbar, dass sie hier keine anderen Entschei dungen treffen, das Geld nicht aus Baden-Württemberg ab ziehen und damit die einzige Möglichkeit, dieses Land mit ei ner Infrastruktur für die Zukunft zu versehen, fördern – nicht mit einer Autobahn mit zwei Deckeln obendrauf oder einer neuen Startbahn mitten auf den Fildern, wo es keinen Platz mehr gibt und die Menschen vom Lärm geplagt werden. Da bei sind wir uns doch einig. Die einzige Möglichkeit ist der konsequente Ausbau der Bahn, so, wie ihn Herr Kollege Hal ler für alle Strecken hier beschrieben hat.

Wenn Sie Fairness üben wollen, dann seien Sie doch so gut und akzeptieren Sie die legitimierten, demokratischen Ent scheidungen und die Entscheidungen der Gerichte.

Vielen Dank.