Protocol of the Session on July 29, 2010

Auf der Grundlage dieses Gutachtens muss jetzt öffentlich da rüber diskutiert werden, ob die immensen Probleme, die durch das Gutachten angesprochen werden, überhaupt behebbar sind, und wenn sie behebbar sind, unter welchen Bedingun gen.

Drittens: Wie wird der Bund die drastischen Mehrkosten für die Neubaustrecke finanzieren? Die Kostensteigerungen be deuten für die Bahn, auf ihren Anteil bezogen, fast 90 % Mehrkosten. Die Bahn hat ein jährliches Investitionsvolumen von 1,2 Milliarden €. Um nur die Projekte des Vordringlichen Bedarfs zu verwirklichen, bräuchte sie 1,7 Milliarden €. Wir sehen, dass dabei die Gefahr besteht, dass es zu enormen Stre ckungen der Verwirklichung der Planungen kommt. Die Bür gerinnen und Bürger in Stuttgart und im ganzen Land haben unter diesen Bedingungen ein Anrecht auf eine belastbare Auskunft über das Zeitfenster.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ich erinnere daran, dass wir bei ähnlichen Vorhaben, z. B. bei der Rheintalstrecke, schon jetzt ebenfalls eine Streckung vom Jahr 2018 auf das Jahr 2030 haben, weil die erforderlichen Mittel nicht beizubringen sind.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein! Weil es alterna tive Bürgervorschläge gibt!)

Damit muss man auch bei Stuttgart 21 rechnen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist nicht wahr! Das stimmt nicht! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das stimmt nicht! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das hätten Sie gern! – Gegen ruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE)

Schließlich fragt man sich, wie die Neubaustrecke tatsächlich für echte, reale Güterzüge und nicht Güterzugphantome, die gar nicht fahren, genutzt werden kann. Wie muss sie umge plant werden, damit der energetische Vorteil der Bahn auch umgesetzt werden kann?

Ich fordere Sie alle noch einmal auf: Nehmen Sie die Bürge rinnen und Bürger endlich ernst. Treiben Sie die Spaltung in Stadt und Land nicht weiter fort.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Akzeptieren Sie die demokratisch getroffenen Entscheidungen endlich einmal!)

Führen Sie einen echten Dialog. Nennen Sie nicht nur das Werbeblättchen so, sondern führen Sie diesen Dialog. Deswe gen fordern wir ein sofortiges Moratorium. Wir werden dies beantragen.

(Abg. Peter Hauk CDU: So viel zum verlässlichen Zeitplan!)

Der Antrag ist noch nicht eingereicht. Wir laden die sozialde mokratischen Kollegen, die das mit unterschreiben wollen, ganz herzlich ein, die Forderung nach dem Moratorium zu un

terstützen. Denn: Dass Stuttgart 21 nicht umkehrbar ist, ist ein Mythos. Halten Sie bitte ein. Klären wir diese Fragen gemein sam und durchaus streitig.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: 17 Jahre!)

Lassen Sie die Vernunft entscheiden. Lassen Sie das nüchter ne Kosten-Nutzen-Prinzip gelten. Mehr verlangen wir heute nicht, und das ist wahrlich nicht zu viel verlangt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: 17 Jahre!)

Ich erteile Herrn Abg. Scheuermann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Rede von Herrn Kretschmann müssen wir zunächst einmal klären, was Stuttgart 21 ist. Für mich war Stuttgart 21 bis zu Ihrer Rede, Herr Kretschmann, der neue Bahnhof Stuttgart, der neue Bahnhof an der Messe und am Flughafen und der Verbindungstunnel zwischen bei den Projekten.

Sie haben jetzt Stuttgart 21 mit der Neubaustrecke Wendlin gen–Ulm in einen Topf geworfen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Bis heute war ich der Ansicht, in diesem Haus seien alle ein mütig der Meinung, dass die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm notwendig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Ich stelle fest, dass Sie diese einheitliche Meinung mit Ihrer heutigen Rede aufgekündigt haben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber nicht um jeden Preis!)

Seien Sie ganz ruhig. – Schon gestern hat Herr Schlachter angefangen, in dieser Richtung zu reden. Er hat gesagt: „Wenn Bund und Bahn die Neubaustrecke bezahlen und wir von den 950 Millionen € loskommen, dann sind auch die Grünen da für.“ Das sind ganz neue Reden.

Ich stelle fest: Sie verabschieden sich von dem gesamten Pro jekt und verlieren auch das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit,

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

das Sie in dieser Frage bisher noch hatten.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Nun, meine Damen und Herren, zu Stuttgart 21 – so, wie wir Stuttgart 21 bis heute verstanden haben – und Ihrem Begeh ren nach einem Moratorium. Dieses Begehren nach einem Moratorium – jetzt und heute – ist ein untaugliches Mittel zur Unzeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Bra vo! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wann soll es dann kommen? In zwei Jahren?)

Überhaupt nie.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Was heißt „zur Un zeit“?)

Ich sage Ihnen auch, warum dieses Begehren ein untaugliches Mittel zur Unzeit ist: Stuttgart 21 ist unumkehrbar und alter nativlos.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: „Alternativlos“ gibt es gar nicht!)

Meine Damen und Herren, warum ist Stuttgart 21 unumkehr bar?

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: „Alternativlos“ gibt es nie!)

Jeder Einäugige unter den Blinden, der heute den Stuttgarter Bahnhof entweder zum Einfahren oder zum Ausfahren nutzt,

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Die S-Bahn fährt doch gar nicht mehr! Das ist das Problem!)

kann ohne Brille feststellen, dass die Baumaßnahme begon nen hat. Für die ganz Blinden werden wir im nächsten Monat den Nordflügel des Hauptbahnhofs abreißen. Dann haben auch sie kapiert, dass die Baumaßnahme endlich begonnen hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Brigitte Lösch und Jürgen Walter GRÜNE)

Herr Walter, hören Sie mir einmal zu! Vielleicht können Sie noch etwas lernen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Meine Damen und Herren, wir haben uns jahrelang geradezu danach gesehnt, dass es zu der Finanzierungsvereinbarung zwischen Bahn, Bund, Land, Verband Region Stuttgart und der Stadt Stuttgart kommt. Wer jetzt meint, das Land könne mit einem Federstrich

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es!)

aus dieser Vereinbarung aussteigen, lügt die Leute an und streut ihnen Sand in die Augen. Schämen Sie sich!

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Das Tollste, was ich bisher je gehört habe, steht heute in der Zeitung. Ihre Kostgänger sagen,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Zurufe von den Grünen)

die Stadt habe von der Bahn Grundstücke gekauft. Richtig. Der VCD steht Ihnen näher als mir.