Protocol of the Session on July 29, 2010

Auf diesem Orientierungsplan werden zukunftweisende Ent wicklungen aufbauen. Ich erwähne das Konzept „Schulreifes Kind“. Ich erwähne auch die Sprachförderung, über die wir später noch sprechen werden. Vor allem erwähne ich das Bil dungshaus für drei- bis zehnjährige Kinder. Diese zukunftwei senden Entwicklungen werden uns in der frühkindlichen Bil dung in den nächsten Jahren maßgeblich begleiten. Der Ori entierungsplan ist die wichtigste Ausgangslage und das feste Fundament dieser Entwicklung.

Bereits in der Modellphase zur Einführung des Orientierungs plans hatte dieser eine sehr hohe Akzeptanz. Mit der Aus schreibung für die wissenschaftliche Begleitung haben sich bereits damals 1 700 Einrichtungen bereit erklärt, den Orien tierungsplan sofort in einer Modellphase umzusetzen. Heute gehen wir davon aus, dass nahezu alle Kindergärten diesen Orientierungsplan umsetzen.

Im Zuge dieser Modellphase haben wir gemeinsam mit allen relevanten Verbänden die Weiterentwicklung vorangetrieben. Mit Hunderten von Beteiligten unter Einbeziehung von nam haften Wissenschaftlern, Fachpraktikern vor Ort, Eltern, Bil dungsplanexperten und vielen anderen haben wir diesen Ori entierungsplan zunächst einmal in eine endgültige Fassung gegossen. Dabei haben wir wichtige gesellschaftliche Ent wicklungen einbezogen. Denn auch der Kindergarten muss auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren können. Damit ist der Kindergarten so etwas wie ein Spiegel der Gesellschaft.

Deswegen ist die Beziehung zu den Eltern ein wichtiger Be standteil. Das heißt, die Fachkräfte an unseren Kindergärten haben die Aufgabe, verbindliche Elterngespräche zu führen. Die Erstellung von Entwicklungsdokumentationen ist eben falls von besonderer Wichtigkeit. Die Aufnahme von relevan ten Themenfeldern ist wichtig, beispielsweise die Einbezie hung von Kindern unter drei Jahren, die Einbeziehung von Kindern mit Behinderungen oder auch die Erhöhung des Stel lenwerts der musisch-ästhetischen Bildung. Viele andere As pekte ließen sich hier ebenfalls aufführen. Das heißt, wir ha ben in diesen Orientierungsplan auch weitere wichtige The menfelder aufgenommen.

Für die Umsetzung dieses Orientierungsplans sind unsere Fachkräfte bestens qualifiziert. Wir haben neben der Einfüh rung des Orientierungsplans – hierbei handelt es sich nicht um einen isolierten Vorgang – bereits in der Vergangenheit ver schiedene Maßnahmen in die Wege geleitet, die gerade auch für die Qualität dieser Bildungseinrichtungen von besonderer Wichtigkeit waren. Wir haben die Erzieherinnenausbildung weiterentwickelt, erstmals bereits im Jahr 2002, indem wir die Durchlässigkeit dieses Berufsbilds bis hin zum Erwerb der Fachhochschulreife erhöht haben. Mittlerweile bieten wir Stu diengänge im Bereich der frühkindlichen Bildung an. Dabei konnten wir, Herr Kollege Hoffmann, Anrechnungsmodelle etablieren, die vor Ort auch umgesetzt werden. Gerade paral lel zur Einführung der endgültigen Fassung des Orientierungs plans haben wir die Erzieherinnenausbildung wiederum auch den Erfordernissen des Orientierungsplans angepasst.

Dann ging es darum, gemeinsam mit unseren Partnern, den kommunalen Landesverbänden, darüber zu sprechen, wie wir den Orientierungsplan umsetzen und welche Stellschrauben wir betätigen müssen, um auch die Rahmenbedingungen wei terzuentwickeln. Die Partner waren sich darüber einig, dass der Orientierungsplan ein wichtiges Instrument für die früh kindliche Bildung ist.

Wir haben uns auch darauf verständigt, dass in das Kinderta gesbetreuungsgesetz ein Passus aufgenommen wird, in dem der Orientierungsplan im Zusammenhang mit dem Sozialge setzbuch VIII ganz klar als ein wichtiges Instrument beschrie ben wird, um den Förderauftrag nach dem Sozialgesetzbuch VIII zu erfüllen. Damit ist der Orientierungsplan in der Flä che des Landes Baden-Württemberg angekommen.

Wir haben uns auch darauf verständigt, die Regelbezuschus sung für das Kindergartenwesen seitens des Landes in Stufen bis zum Jahr 2012 um 133 Millionen € zu erhöhen. Hinzu kommt noch ein kommunaler Anteil in Höhe von 67 Millio nen €.

Wenn wir die Betriebskostenbezuschussung seitens des Lan des von derzeit 386 Millionen € jährlich berücksichtigen und 200 Millionen € hinzurechnen – zwei Drittel durch das Land, ein Drittel durch die Kommunen –, können wir hier von ei nem maßgeblichen Beitrag sprechen, den das Land erbringt, um den Mindestpersonalschlüssel gerade für diese zukünfti gen wichtigen Aufgaben, die die Fachkräfte wahrzunehmen haben, in Stufen bis zum Jahr 2012 zu erhöhen. Das heißt, den Einrichtungen vor Ort stehen ab 2013 seitens des Landes 529 Millionen € zur Verfügung.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Gleichzeitig leisten wir auch für die Qualifizierung der Fach kräfte einen Beitrag. Bereits in der Modellphase haben wir ge meinsam mit der kommunalen Seite einen Beitrag in Höhe von 20 Millionen € erbracht. Das Land wird jetzt jährlich 10 Millionen € für die Qualifizierung, für die Fortbildung der Fachkräfte einsetzen. Denn der gesellschaftliche Wandel, die Qualitätsentwicklung in unseren Kindergärten wird nicht en den. Vielmehr erfordern die zukünftigen Herausforderungen auch über die Etablierung des Orientierungsplans hinaus eine weitere Qualifizierung.

Das Kindertagesbetreuungsgesetz regelt also die Vorausset zungen, die wir erfüllen müssen, um diese Schritte in die We ge zu leiten. Zunächst einmal wird die verpflichtende Festle gung eines Mindestpersonalschlüssels definiert. Um dieses Ziel zu erreichen, wird es eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung geben. Diese Rechtsverord nung wird die Details der Umsetzung des neuen Mindestper sonalschlüssels regeln. Gleichzeitig sind die Kommunen ver pflichtet, auch die freien Träger vor Ort daran zu beteiligen – so, wie sie auch bei der Betriebskostenbezuschussung bereits einen Anteil erhalten.

Nicht nur die freien Träger sind Bestandteil des Bedarfsplans vor Ort. Vielmehr können auch Einrichtungen, die bisher nicht in den Bedarfsplan aufgenommen wurden, unterstützt wer den. Die Kommunen, die bereits heute eine Personalausstat tung nachweisen können, die über den Mindestpersonalschlüs sel hinausgeht, können ihren Beitrag darauf anrechnen lassen.

Damit haben wir den Bildungseinrichtungen vor Ort – ein Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung; er nimmt hoch qualifiziert einen Bildungsauftrag wahr – auch das materielle Rüstzeug dafür gegeben, die Zielsetzung des Orientierungs plans umsetzen zu können.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Unsere Bildungsein richtungen befinden sich seit Jahren genau auf dem Weg, den hochwertigen Orientierungsplan umzusetzen. Damit vollen den wir ein Werk, das letztlich auch den besonders hohen Stel lenwert der frühkindlichen Bildung vor Ort unterstreicht.

Deshalb bitten wir Sie, dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung nach erfolgtem Abschluss der Beratungen zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das werden wir gern tun!)

Vielen Dank. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hoffmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich meine, im Ziel können sich alle Fraktionen einig sein. Im Wesentlichen geht es darum, die Umsetzung des Orientierungsplans mit einer angemessenen Personalausstattung in den Kindergärten des Landes zu er möglichen.

Der Herr Staatssekretär hat es erwähnt: Der Orientierungsplan ist ein sehr breit angenommenes Instrument der frühkindli chen Bildung, hat sich sehr bewährt und wird auch von den

Erzieherinnen sehr geschätzt. Wir haben jetzt die Aufgabe, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dies umzusetzen. Denn die personellen Voraussetzungen, die in den Einrichtungen ge schaffen werden müssen, um den Bildungsplan sachgerecht und vollständig umzusetzen, sind natürlich nicht zum Nullta rif zu haben.

Das Land finanziert nun beginnend mit dem 1. September ei ne Personalschlüsselerhöhung in drei Stufen um 0,3 Personal stellen. Im Endausbau bedeutet dies, dass das Land rund zwei Drittel der Mehrkosten übernimmt – im Endausbau sind dies dauerhaft jährlich 133 Millionen €. Hinzu kommen 10 Milli onen € für Qualifizierungsmaßnahmen der Erzieherinnen. Ich gehe davon aus, dass wir uns bis hierhin einig sind.

Ich will jetzt einige Punkte ansprechen, die im Vorfeld – auch in unterschiedlichen Diskussionen – eine Rolle gespielt ha ben. Zum einen geht es darum: Müssen wir in Baden-Würt temberg den Orientierungsplan für verbindlich erklären?

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Ja, müssen wir!)

Wir halten das namens der CDU-Fraktion bis auf Weiteres für entbehrlich; denn die überwiegende Zahl der Einrichtungen arbeiten bereits heute mit dem Orientierungsplan. Die Erzie herinnen haben uns gezeigt, dass sie den Orientierungsplan mit Sachkenntnis und Verantwortungsgefühl freiwillig anwen den. Er hat ganz schnell Furore gemacht. Ich erinnere an die Einführung des Orientierungsplans, als wir Modellstandorte kreiert haben. Hunderte von weiteren Kindergärten, die nicht im Modellverfahren waren, haben sich beworben. In einer zweiten Stufe hat man diesen Kindergärten dann gesagt: Sie können ihn auch anwenden; wir haben keinerlei Probleme da mit. So ist es dann auch geschehen. Ich persönlich glaube, dass wir heute nur noch sehr wenige Einrichtungen haben, die nicht mindestens Teile des Orientierungsplans einsetzen. Des wegen halten wir es für entbehrlich, eine gesetzliche Rege lung hinsichtlich einer Verpflichtung zu schaffen.

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich die Einrichtun gen vor Ort, die sich bisher zurückgehalten haben, weiterhin zurückhalten, wenn wir jetzt durch zusätzliche finanzielle Res sourcen die Möglichkeit der personellen Aufstockung geben. Die finanziellen Voraussetzungen sind geschaffen. Die Ein richtungen warten auf das Personal und führen bereits Ein stellungsgespräche. Ich könnte mir vorstellen, dass die Um setzung sehr ruhig verläuft, weil, wie gesagt, die meisten Ein richtungen schon mit dem Orientierungsplan arbeiten.

Es gab des Weiteren die Forderung – der Herr Staatssekretär hat das Thema angesprochen –, Kinder unter drei Jahren ein zubeziehen. Ich will nicht wiederholen, was er gesagt hat. Im Orientierungsplan sind bereits wesentliche Elemente der früh kindlichen Entwicklung von Kindern unter drei Jahren vor handen. Man muss sich zudem ehrlich die Frage stellen: Wie ist es denn in einer altersgemischten Gruppe? Glaubt denn je mand ernsthaft, dass die Erzieherin anfängt, zu differenzie ren? Würde es so sein, dass für ein Kind, das zweieinhalb Jah re alt ist, bis zum dritten Geburtstag der Orientierungsplan nicht gilt und es daher keine Förderung erhält, während ab dem dritten Geburtstag mit dem Überreichen der Geburtstags torte der Orientierungsplan gilt? Ich glaube, das wäre welt fremd. Kurzum: Auch die unter Dreijährigen sind berücksich

tigt, und ich glaube auch, dass das gut so ist. Ich glaube nicht, dass in einer Kinderkrippe bei einem sechs Monate alten Kind ernsthaft mit dem Orientierungsplan gearbeitet wird. In den altersgemischten Gruppen wird dies aber getan.

Ein zentraler Punkt, über den es etwas Streit gab – deshalb ha ben wir heute auf der Zuhörertribüne auch Vertreter der kom munalen Landesverbände –, ist die geplante Ergänzung von § 8 Abs. 2. Dabei geht es um die Frage, ob der Zuschuss des Landes dann verrechnet werden kann, wenn die Kommunen an dritte Träger bereits mehr als die Mindestzuschüsse von 63 % auszahlen. Einige Träger, vor allem die Kirchen, haben vorgetragen, dass der Wunsch besteht, die Kommunen zu ver pflichten, auch bei einer Überschreitung die Mindestförderung durchzureichen. Von kommunaler Seite wurde das Gegenteil gefordert, nämlich dass das Land in das Gesetz schreibt, dass verrechnet werden muss.

Wir haben uns jetzt – wie ich meine, sehr gut und salomonisch – für eine Kannregelung entschieden. Es ist also möglich, dass Kommunen, die bereits heute mehr fördern, als sie müssen, eine Verrechnung vornehmen. Ich glaube allerdings nicht, dass das sehr viele Kommunen machen werden; denn dort, wo man sich vor Ort auf eine höhere Zuschussregelung verständigt hat, wird man diese wohl kaum zurücknehmen.

Wir wollen keine Kommune zwingen, mehr als 63 % zu zah len. Alle höheren Sätze, die es schon heute gibt, sind ohne das Land Baden-Württemberg zwischen Kommune und Träger vereinbart worden. Wir werden keine Kommune zwingen; vielmehr wollen wir das vor Ort entscheiden lassen. Ich erin nere daran, dass wir das Thema Kindergarten seit 2003 kom munalisiert haben. Deswegen ist dieser Punkt auch richtig. Wir gehen davon aus, dass sich die Beteiligten vor Ort eini gen werden.

Trauen wir es den Kommunen und den Trägern zu, dass man den Orientierungsplan sachgerecht umsetzt! Ich meine, der Landtag tut gut daran, wenn er dem Gesetzentwurf und der Regelung zustimmt. Damit fließen die notwendigen Mittel in die Kommunen. Es kann begonnen werden. Aber wir brau chen keinen Neustart, sondern wir brauchen eigentlich nur ei ne Bestätigung dessen, was in Baden-Württemberg bereits All tag ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Ich erteile Frau Abg. Wonnay für die SPD-Fraktion das Wort.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: Wo ist Dr. Men trup?)

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ganz so einfach wie für den Kollegen, der vor mir geredet hat,

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Der Kollege heißt Hoffmann!)

stellt sich das Thema für uns in der SPD-Fraktion nicht dar.

(Abg. Andreas Hoffmann CDU: Das hätte uns auch überrascht!)

Ja. Ich will Sie nicht enttäuschen, Herr Kollege Hoffmann.

Erinnern Sie sich an die gestrige Regierungserklärung Ihres Ministerpräsidenten. Er sprach – sehr richtig – davon, dass es in der Bildungspolitik auf den Anfang ankomme. Da erstaunt es schon, wenn Sie angesichts dieser Einsicht und im Hinblick auf das Motto „Länger gemeinsam lernen“ erst ab einem Al ter der Kinder von drei Jahren beginnen und die wichtige Zeit vorher ausblenden.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, entspricht mitnichten dem Stand der Wissenschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Bri gitte Lösch GRÜNE)

Genau diese Haltung spiegelt sich auch in der Umsetzung des Orientierungsplans wider. Darauf will ich mich in dieser kur zen Einlassung, die möglich ist, schwerpunktmäßig beschrän ken.

Sie wissen – das erspare ich Ihnen auch heute nicht –, dass Baden-Württemberg das letzte von 16 Bundesländern ist, das jetzt diesen Orientierungsplan in Stufen verbindlich umzuset zen beginnt.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Unverbindlich!)

Es ist das allerletzte Bundesland. Dazu muss ich Ihnen ein fach sagen: Für ein Bundesland, das den Anspruch erhebt, „Kinderland“ zu sein, ist das einfach viel zu wenig und viel zu spät.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Der Ministerpräsident hat gestern sagt: „Wir haben im Bereich der unter Dreijährigen die Mittel verzehnfacht.“