Protocol of the Session on July 13, 2010

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie entpuppen sich immer mehr als ein Grashalm, der im Wind wogt, und nicht als Fels in der Brandung, wie es jetzt in die ser Situation erwartet wird.

Sie versprechen, dass die Mittelschicht entlastet wird. Gleich zeitig halten Sie eine Gesundheitsreform für richtig, bei der bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über Zusatzbeiträ ge massiv abkassiert wird. Wie wollen Sie das den Menschen in Baden-Württemberg verkaufen, Herr Mappus?

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

An diesem Beispiel sieht man: In der Bundespolitik geben Sie der Versuchung nach, sich selbst als derjenige zu inszenieren, der sich kraftvoll einmischt und der mitmischt. Aber wir ha ben es gesehen: Ob es um Herrn Röttgen und den ihm nahe gelegten Rücktritt wegen mangelnden Mannschaftsgeistes geht, ob es darum geht, die AKW-Laufzeiten zu verlängern – Sie machen immer große Ankündigungen und landen dann als

Papiertiger. Sie werden damit immer mehr in ein Bild gerückt, bei dem mehr Selbstüberschätzung als inhaltliche Fundierung zum Ausdruck kommt. Ich sage Ihnen eines: Die Grenze zum Maulheldentum ist schnell überschritten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Unruhe bei der CDU)

Für die Landesregierung ist der Umgang mit unterschiedli chen Meinungen bezeichnend. Wir erleben das landauf, land ab in der Bildungspolitik; denn es ist nicht die SPD, die hier für „Einheitsanzüge“ plädiert, sondern Sie halten an dem drei gliedrigen Schulsystem fest, komme, was wolle. Sie sind starr und ideologisch, weil Sie Lösungen vor Ort ausschließen. Das ist Ihr Problem und nicht unseres.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

So, wie Sie offensichtlich ein Problem mit innerparteilichen Diskussionen haben, wenn es um die soziale Unausgewogen heit des Sparpakets der Bundesregierung geht, so haben Sie Probleme, die Meinungsvielfalt und die Buntheit des Landes in der Landespolitik aufzunehmen und damit auch den Men schen vor Ort zu vertrauen, die sich beispielsweise für dezen trale Energieversorgung und für gute Bildung interessieren und einsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Aber dann, wenn Sie einmal Ihre Meinung haben, gilt der al te römische Spruch „Quod licet jovi, non licet bovi“. Die Fra ge ist nur, wer hier Jupiter ist und wer der Ochse ist. Denn in der Bundespolitik werden Sie, Herr Mappus, nicht als Jupiter, sondern eher als jemand wahrgenommen, der als nervöser Jungbulle in Panik gerät und immer wieder Attacken gegen die eigene Regierung reitet, anstatt sich inhaltlich einzubrin gen. Das ist Ihr Problem.

Deshalb muss ich sagen: Sie können sich weiter an der amtie renden Bundesregierung abarbeiten. Aber Ihr Arbeitsplatz ist hier. Hier geht es darum, Vorschläge zu machen, wie der Lan deshaushalt konsolidiert werden soll, wie gerechte Bildung umgesetzt werden soll und wie wir Schulstandorte im Land erhalten können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Nicht gegenseitig be leidigen!)

Wenn Sie bis zur November-Steuerschätzung bei der Haus haltspolitik nicht endlich zu Potte kommen, wenn Sie nicht endlich einsehen, dass auch ein Beitrag derjenigen, die in den letzten Jahren viel verdient haben und die noch jetzt viel ver dienen, zur Bewältigung der Finanznot notwendig ist, wenn Sie nicht endlich einsehen, dass Sie keine Politik machen kön nen, die einseitig zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeit nehmer geht, wie das die Gesundheitsreform vorsieht, dann nehmen Sie sich die Chance, baden-württembergische Inter essen gerade auch in der Bundespolitik einzubringen. Denn gerade die Familien hier in Baden-Württemberg arbeiten hart und verdienen im Ländervergleich überdurchschnittlich gut. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir sie nicht über unsozi ale Sparpakete und Krankenversicherungsreformen einseitig belasten und dass wir nicht das Kapital des Landes für partei

interne Positionsspielchen einsetzen und verschleudern. Viel mehr müssen wir es zur Wahrung der Interessen des Landes in der Bundespolitik einsetzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Man hat nämlich in den letzten Wochen den Eindruck bekom men, dass ein wichtiger Grundsatz, der für jeden Ministerprä sidenten gelten sollte, bei Ihnen umgekehrt wurde. Dieser Grundsatz lautet: Zuerst das Land, dann die Partei. Bei der Bundespräsidentenwahl, bei dem, wie Sie in der Frage der AKW-Laufzeiten innerparteilich agieren,

(Abg. Dr. Klaus Schüle und Abg. Peter Hauk CDU: Was Sie sagen, ist scheinheilig! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Johannes Rau lässt grüßen! Rau würde sich im Grabe umdrehen, Herr Kollege! – Weitere Zurufe von der CDU)

bei dem, wie Sie bei der Frage der Gesundheitsreform auftre ten, habe ich den Eindruck, dass hier gilt: Zuerst die Partei, dann das Land. Genau dies ist das Problem, Herr Mappus.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ein schwacher Auf tritt! Da üben wir noch ein bisschen, Herr Dr. Schmid! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aber fleißig üben!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, mei ne Damen und Herren! Das eigentliche Problem dieses Nach tragshaushalts ist nicht das, was drinsteht, sondern das, was nicht drinsteht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Was vermissen Sie? – Abg. Dieter Hillebrand CDU: Was steht denn nicht drin?)

Zunächst zu dem, was im Nachtragshaushalt drinsteht. Da sind wir mit der Richtung im Großen und Ganzen einverstanden,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

auch wenn wir in Einzelfragen viele Vorbehalte haben.

Ich nenne hinsichtlich der grundsätzlichen Zustimmung – das ist auch der Hauptgrund für den Nachtrag – die finanzielle Un terlegung der Umsetzung der Beschlüsse des Sonderausschus ses „Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen: Jugendgefährdung und Jugendgewalt“. Der Son derausschuss hat zielgerichtet und in großer Geschlossenheit ein knappes Jahr daran gearbeitet, konkrete Handlungsemp fehlungen auf den Tisch zu legen, die Amokläufe wenigstens weniger wahrscheinlich machen sollen.

Der Abschlussbericht ist dem Landtag am 11. März 2010 vor gestellt worden. Wir haben ihn einstimmig angenommen und sind heute aufgefordert, den darin vorgeschlagenen acht Hand lungsfeldern und 39 Einzelempfehlungen auch finanziell ein Gesicht zu verleihen.

Das vorgeschlagene Finanzvolumen zur Prävention vor sol chen Gewalttaten beträgt 30 Millionen € jährlich. Davon sind in den vorliegenden Entwurf des Nachtrags 16,4 Millionen € eingestellt. Das ist zu begrüßen. Die Maßnahmen bei den Be ratungslehrkräften und bei den Schulpsychologen begrüßen wir. Wir kritisieren allerdings weiterhin, dass das Land nicht weiter in die Schulsozialarbeit einsteigen will, was unbedingt erforderlich wäre.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle allerdings noch einmal sagen, dass wir bei den wachsweichen Formulierungen der Regierungs fraktionen zum Umgang mit Waffen und der dazugehörigen Munition dem Beschluss nicht folgen können.

Wir werden dem eingebrachten Finanzvolumen zustimmen und genau darauf achten, dass die Beschlüsse auch umgesetzt werden und dass die Ministerien schlüssige Konzepte vorle gen.

Ich nenne zweitens bei den Punkten, denen wir zustimmen, die personelle Verstärkung der Hochschulen, obwohl ich er hebliche Zweifel habe, ob die 300 neuen Professorenstellen im Jahr 2012, wenn der doppelte Jahrgang in den Hochschu len ankommt, auch wirklich an den Hochschulen angekom men sein werden, ob die Stellen 2012 wirklich besetzt und startklar sind. Ich bin auch im Zweifel, ob der k.w.-Vermerk für 2017 so stehen bleiben kann, denn die Prognosen für die Studierendenzahlen sagen etwas anderes.

Ich nenne weiter die zusätzlich veranschlagten Stellen im Schulbereich. Es ist ein richtiger Ansatz, die Lernbedingun gen zu verbessern. Wir fordern allerdings, wie – man höre und staune – auch BDI und BDA das fordern, einen Sozialindex bei der Berücksichtigung der Verteilung der Lehrerstunden und nicht nur eine Verteilung mit der Gießkanne, wie Sie sie vornehmen, die sehr wenig Wirkung entfalten wird. Da ist noch einiges zu tun.

In zwei Bereichen müssen wir besonders investieren. Im kom menden Schuljahr sollen die Ziele der UN-Behindertenrechts konvention in den Schulen schrittweise umgesetzt werden. Hierfür ist keine einzige Lehrerstelle vorgesehen. Inklusion wird aber nur dann ein Erfolgsmodell, wenn die Rahmenbe dingungen stimmen. Das ist hier nicht der Fall.

(Beifall bei den Grünen)

Zweitens muss die Landesregierung endlich ihr Versprechen einlösen, den Kostendeckungsgrad für Schülerinnen und Schüler an Schulen in freier Trägerschaft auf 80 % nach dem Bruttokostenmodell zu erhöhen.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Wir sind dabei! – Ge genruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Er sinkt zurzeit wieder. Beides lässt sich aus der demografi schen Entwicklung der Schülerzahlen refinanzieren. Die Re gierung nimmt bei diesem Konzept unsere Vorschläge zum Bildungspakt stillschweigend auf. Sie tut es allerdings zu spät, zu langsam und an den falschen Stellen.

Ich komme jetzt zu dem, was im Nachtrag nicht drinsteht. Nicht im Nachtrag steht auch nur eine einzige Stelle zur Kon

solidierung des Haushalts. Auch vom Finanzminister und vom Fraktionsvorsitzenden der CDU haben wir keinen einzigen Vorschlag gehört, wie wir in die Konsolidierungsphase kom men. Ich möchte einmal wissen, wie wir uns als Opposition überhaupt qualifiziert mit Ihnen auseinandersetzen sollen, wenn Sie sich beständig weigern: beim Haushalt selbst keine Einsparstrategie, in der Regierungserklärung kein einziger Satz für einen Konsolidierungspfad und jetzt bei der Vorlage des Nachtrags wieder nichts. Einfach nur heiße Luft und nur salbungsvolle Worte.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Ministerpräsident, ich zitiere Sie aus Ihrem neuesten In terview in der FAS vom vergangenen Sonntag. Da sagen Sie über Finanzminister Schäuble:

Er zeigt typisch konservative Tugenden: Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Sparsamkeit.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Recht hat er!)

Und wir müssen uns ja gar nichts vormachen: Das Spar programm ist nicht populär. Sparprogramme sind nie po pulär.

Wo ist eigentlich Ihres?

(Ministerpräsident Stefan Mappus: Das kommt!)

Kein einziger Satz dazu!

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Er sitzt es aus!)