Die Öffentlichkeit hat diese Vorfälle nicht oder jedenfalls kaum wahrgenommen. Aber sie haben uns in unserer Wach samkeit noch weiter bestärkt.
Die Entwicklung der politisch motivierten Gewalt spricht ei ne deutliche Sprache. Auf eine Zahl will ich doch noch hin weisen: Im letzten Jahr ist die Gesamtzahl dieser Taten bun desweit um ein Fünftel gestiegen. Damit haben wir den höchs ten Wert seit dem Jahr 2001 zu verzeichnen. Baden-Württem berg ist von dieser Entwicklung nicht verschont geblieben. 175 politisch motivierte Gewaltdelikte im Jahr 2009 bedeu ten eine Steigerung um über 30 % im Vergleich zum Vorjahr.
Der leichte Rückgang bei den rechtsextremistischen Strafta ten ist zwar erfreulich, aber kein Grund zur Entwarnung.
Ich möchte Sie auf einen Artikel im „Reutlinger General-An zeiger“ hinweisen, der gestern, am 9. Juni, erschienen ist. Er zeigt in erhellender Weise die Tendenz im Spanungsfeld auf.
Nein, nein. – Da beklagen sich Polizeibeamte – das ist ein Appell an uns, an die Politik –, dass Fischwilderei stärker sanktioniert sei als Angriffe auf Polizisten. Sie sehen in der Anhebung des Strafrahmens, die wir in der Innenministerkon ferenz beschlossen haben, immerhin ein Signal, dass Angrif fe auf Polizeibeamte keine Kavaliersdelikte sind. Dann sagen sie aber weiter: Allein bei der Reutlinger Polizeidirektion ist die Zahl der Beleidigungen gegen Beamte im letzten Jahr um 10 % auf 69 Delikte gestiegen. Diese unerfreuliche Quote kann man repräsentativ für alle Polizeidirektionen im Land sehen. Sie sagen aber dazu: Beleidigungen landen überwie gend nicht vor Gericht.
Es zeigt sich noch eine andere Tendenz: Wenn Beamte jeman den wegen Widerstand anzeigen, dann kommt immer häufi ger eine Gegenanzeige wegen Körperverletzung im Amt. Dies kann schon während der Überprüfung, während des Verfah rens dienstrechtliche Konsequenzen haben. Auch das ist eine unerfreuliche Tendenz.
Kollege Sckerl hat von einer Deeskalationsstrategie gespro chen. Die fahren wir; die gehört zu unserer Einsatzkonzepti on bei der Polizei. Das ist einer der wichtigsten Bestandteile. Aber manchmal ist mit Deeskalation nichts zu erreichen. Da zu möchte ich auch sagen, was mir viele Polizeibeamte im mer wieder berichten: Früher hat es genügt, wenn ein Strei
fenwagen vorgefahren ist, damit sich die betrunkenen, randa lierenden Jugendlichen vom Acker gemacht haben. Heute ist dies nicht mehr ausreichend, und die Beamten werden häufig noch attackiert, beleidigt und angegriffen. Die Zeiten haben sich geändert.
Deswegen will ich auf die zunehmende Gewaltbereitschaft insgesamt, auf den nachlassenden Respekt vor dem Staat ins gesamt und seinen Repräsentanten hinweisen. Das muss uns allen miteinander Sorge bereiten.
Sorge bereitet mir auch die Zahl der Gewaltdelikte von Links extremen. Sie hat sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt. Dabei hat besonders die Zahl der Widerstandshandlungen und der Körperverletzungsdelikte stark zugenommen. Hierbei geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern es geht um massive ge walttätige Auseinandersetzungen wie beispielsweise – das wurde erwähnt – bei der Demonstration am 1. Mai in Ulm. Das war ein trauriger Höhepunkt. Hier zeigt sich eine erschre ckend hohe Gewaltbereitschaft; Kollege Blenke hat darauf hingewiesen: Allein bei dem dortigen Einsatz sind 29 Polizei beamte verletzt worden.
Erwähnt wurde auch der NATO-Gipfel. Wenn wir uns diese chaotischen Krawallszenen vor Augen halten, dann zeigt uns das deutlich, dass wir dieser hemmungslosen Gewalt entschie den und vor allem sehr frühzeitig begegnen müssen.
Eines ist klar: Politisch motivierte Kriminalität, egal, aus wel cher Richtung, ist nicht hinnehmbar, und wir werden sie auch nicht hinnehmen. Herr Kollege Braun hat zu Recht gefragt: Was tun wir? Diese Frage will ich beantworten, indem ich zu nächst einmal darauf hinweisen darf, dass wir, die Polizei und der Verfassungsschutz, natürlich nicht nur die rechte und die linke Szene im Blick haben, sondern auch die politisch moti vierte Ausländerkriminalität und die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus. Auch das ist eine an haltende Herausforderung.
Die Sicherheitsstrukturen in Baden-Württemberg werden die sen Bedrohungen fortlaufend angepasst. Das Landesamt für Verfassungsschutz und die Polizei arbeiten eng zusammen, und das ist – das ist eine wichtige Feststellung – bei uns in Ba den-Württemberg vorbildlich.
Eine große Bedeutung kommt dabei natürlich einer möglichst intensiven Informationsgewinnung zu. Insbesondere die links extremistische Szene werden wir also auch künftig sehr inten siv beobachten.
Wenn unsere offensive Vorfeldstrategie uns einen guten Ein blick in die Kreise politisch motivierter Straftäter ermöglicht, so ist es aber natürlich an uns als Gesellschaft, darauf zu ach ten. Auf diesen Punkt hat Kollege Sckerl hingewiesen, und ich will das unterstreichen: Wir als Gesellschaft sind gefor dert, der politisch motivierten Gewaltbereitschaft den Nähr boden zu entziehen. Wir müssen die Öffentlichkeit auf die Zu nahme linksextremistischer Gewalt aufmerksam machen, um das Bewusstsein für diese beunruhigende Entwicklung zu schärfen.
Meine Damen und Herren, nur informierte und sensibilisier te Bürgerinnen und Bürger können in die notwendige geistigpolitische Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus
Zudem müssen wir die Polizei besser schützen. Die Sicher heit der Kolleginnen und Kollegen im täglichen Dienst muss höchste Priorität haben. Das fängt bei der Aus- und Fortbil dung an. Ein gezieltes Einsatztraining schafft Handlungssi cherheit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Auch auf den sachgerechten Einsatz der Schutzausstattung legen wir großen Wert. Beispielsweise ist als Konsequenz aus dem Amoklauf in Winnenden/Wendlingen beabsichtigt, die Strei fenfahrzeuge der operativen Einheiten mit ballistischen Schutz helmen oder ganzen Schutzpaketen auszustatten, bestehend aus Helm, Halskrause und Tiefschutz. Dafür werden immer hin 3,6 Millionen € veranschlagt.
Aber auch im Bereich des Strafrechts – das sage ich noch ein mal – müssen wir deutlich machen, dass wir es nicht akzep tieren, wenn die Autorität des Staates durch Gewaltübergrif fe gegen Polizeibeamte infrage gestellt wird und Ausschrei tungen bei Polizeieinsätzen bagatellisiert werden. Auch Be leidigungen von Polizeibeamten sind für mich keine Bagatell delikte; auch da müssen wir stärker deutlich machen, dass wir hinter den Polizeibeamten stehen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)
Solche Beleidigungen sind auch demotivierend für eine jun ge Polizeibeamtin oder einen jungen Polizeibeamten. Sie müs sen sich einmal vor Ort anschauen und anhören, was die sich alles gefallen lassen müssen.
Ich bewundere manchmal die Standfestigkeit vor allem der jungen Kolleginnen und Kollegen, die da noch stoisch ruhig bleiben, obwohl jedem von uns wahrscheinlich schon längst der Gaul durchgegangen wäre.
Kurzum: Ich habe mich deswegen bei der Frühjahrskonferenz der Innenminister und -senatoren für den derzeitigen Gesetz entwurf der Bundesregierung ausgesprochen, nämlich den Strafrahmen gemäß § 113 StGB auf drei Jahre zu erhöhen. Nun weiß ich sehr wohl, dass es bei massiven Angriffen und Körperverletzungen, die gegenüber Polizeibeamten begangen werden, auf gesetzlicher Ebene natürlich ein ganzes Bündel von Maßnahmen gibt, die man da ergreifen kann. Aber die Er höhung im Rahmen von § 113 StGB auf drei Jahre ist einfach ein Signal.
Es hat einen gewissen Symbolcharakter – das gebe ich zu –, aber es wird deutlich gemacht, dass wir nicht bereit sind, der Entwicklung länger tatenlos zuzusehen. Aber es geht auch da rum, den strafrechtlichen Schutz von Feuerwehrleuten und Rettungskräften insgesamt zu verbessern.
Angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre – das will ich als Letztes noch sagen – müssen alle gesellschaftlichen Kräf te und politischen Gruppierungen dazu beitragen, dass Aus schreitungen und Gewaltexzesse wie die zum 1. Mai – ich ha be es erwähnt – bei uns einfach nicht hingenommen werden. Politisch motivierte Gewaltkriminalität, und zwar jeglicher Couleur, muss über alle Parteigrenzen hinweg geächtet sein. Der Staat muss ein klares Signal setzen, dass Gewalt gegen Personen und Sachen als Mittel der politischen Auseinander setzung nicht akzeptiert wird.
Ein demokratischer Staat wird seine demokratischen Errun genschaften für seine Bürger nur so lange behalten, wie er sich wehrhaft zeigt. Das müssen wir deutlich machen und auch entsprechend handeln.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe für die zweite Runde extra meine Bril le aufgesetzt, damit der Kollege Kluck sich, sobald er wieder nach vorn schaut, davon überzeugen kann, dass ich auf kei nem Auge blind bin.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns alle einig: Braune Sümpfe und sogenannte schwarze Blö cke haben bei uns, in unserem Land, nichts zu suchen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sehr gut!)
Im Bereich des Rechtsextremismus – Kollege Braun hat vor hin schon ausführlich darauf hingewiesen – findet bei uns ei ne geistig-politische Auseinandersetzung zum Glück und po sitiverweise gesamtgesellschaftlich statt. Präventions- und Aufklärungsprogramme, die es in diesem Bereich auch auf Landesebene zahlreich gibt, wirken offenbar – das zeigen die Zahlen –, und deshalb sind sie positiv zu bewerten und müs sen fortgesetzt werden.
Im Bereich des Linksextremismus ist aber leider festzustel len, dass die öffentliche Wahrnehmung geringer ist und dass es weniger Interesse und manchmal vielleicht auch – ich ha be es vorhin angedeutet – eine politische und mediale Ver harmlosung gibt. Deshalb sagen wir und fordern wir, dass im Bereich des Rechtsextremismus die Präventions- und Aufklä rungsmaßnahmen beibehalten werden müssen,
weil sie nämlich auch sehr positiv wirken. Wir sagen aber auch: Im Bereich des Linksextremismus ist eine solche Auf klärungs- und Präventionskampagne ebenso erforderlich und muss aus meiner Sicht verstärkt werden. Darin unterscheiden wir uns offensichtlich, Kollege Braun, weil Sie in diesem Fall von einer fatalen Gleichsetzung sprechen. Gerade das wollen wir nicht.
Jetzt möchte ich Sie, Kollege Braun, auf eines hinweisen: Sie haben vorhin etwas sehr Bedenkliches gesagt. Sie haben näm lich auf einen Einsatz im Freiburger Raum verwiesen, bei dem die Polizei aufgrund von Hinweisen aus der Antifa-Szene auf irgendwelche rechtsextremen Bombenbauer oder so etwas ge kommen ist. Ich kenne den Zusammenhang nicht mehr genau, aber vorausgegangen waren Hinweise, die die Behörden aus der Antifa-Szene bekommen haben. Das hatten Sie vorhin an gesprochen.
Meine Damen und Herren, das war in der Tat so. Nur, wenn Sie das der Polizei vorwerfen, dann ist das falsch. Denn die Polizei ist bei ihren Ermittlungen an Recht und Gesetz gebun den und kann nicht schnüffeln wie – so war es im konkreten Fall – Angehörige einer Hackerszene aus dem Antifa-Bereich. Die haben das erschnüffelt. Das sind aber Ermittlungsmetho den, die im Rechtsstaat unserer Polizei zu Recht nicht erlaubt sind. Deswegen ist es unredlich, Herr Kollege Braun, wenn Sie der Polizei vorwerfen, dass sie nur aufgrund von Hinwei sen aus Kreisen der Antifa vorangekommen ist.
(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Das ist wie mit der „Steuer-CD“!)
Meine Damen und Herren, ich möchte mich, Kollege Sckerl, noch etwas mit den Anträgen, die von Ihrer Seite immer wie der kommen, beschäftigen. Ich nehme Ihnen grundsätzlich al les ab, was Sie sagen, aber wir lesen und hören – auch im In nenausschuss, in den nicht öffentlichen Beratungen – irgend wie immer wieder zumindest eine unterschwellige Sympathie, die da bei Ihnen mitschwingt.