Protocol of the Session on May 6, 2010

(Zuruf: Seit wann steigt der 15. ab?)

Wenn es 16 sind, steigt der 15. ab; das ist doch logisch.

(Abg. Thomas Blenke CDU: In der Bundesliga!)

Meine Damen und Herren, natürlich gibt es – darauf hat Herr Kollege Blenke hingewiesen – wieder Bürokratie. Wer soll solche Begehren auf europäischer Ebene vor Ort durchfüh ren?

(Abg. Thomas Blenke CDU: Nein, das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, wir müssen aufpassen!)

Ja, es könnte natürlich sein, dass die Kommunen da gefordert sind. Hierzu gibt es keine Alternative. Ich kann nur sagen: De mokratie ist manchmal anstrengend. Herr Böhmer hat vor Kurzem gesagt, sie sei manchmal nervend. Aber, Herr Kolle ge Blenke, wir sind uns einig, dass es dazu keine Alternative gibt.

Wir sind hoffnungsfroh, dass Europa ein anderes Gesicht be kommt, dass sich die Wahrnehmung ändert, wenn die Men schen das Gefühl haben, sie können mehr mitsprechen. Das Gleiche gilt auch für unsere Demokratie in Baden-Württem berg. Deshalb ist auf allen Ebenen das Volk mehr mit einzu binden. Dann werden die Menschen sicherlich wieder zufrie dener mit der Demokratie sein, in der sie leben.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kluck für die Fraktion der FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Herr Kollege Walter, ich kann Sie be ruhigen. Diese Regierungskoalition hat wirklich schon eine ganze Menge für mehr direkte Demokratie in diesem Land getan.

(Abg. Wolfgang Stehmer SPD: Wo?)

Die Koalitionsvereinbarung wird in dieser Legislaturperiode noch erfüllt werden. Ich erinnere nur daran: Bei Bürgerbegeh ren und Bürgerentscheid auf kommunaler Ebene gibt es schon eine Erleichterung, und jetzt werden wir das Volksabstim mungsquorum auf ein Viertel senken. Das kommt; Sie brau chen uns da keinen Nachhilfeunterricht zu erteilen. Auch be wegen wir uns vollkommen im Zeitplan.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Vollkommen!)

Wir beabsichtigen, diese Legislaturperiode bis zum Ende aus zuschöpfen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist gut! Sonst müssten Sie schon jetzt in den Vorruhestand gehen!)

Dieses Gesetz – das kann uns der Innenminister sicherlich nachher bestätigen – ist auf einem guten Weg.

(Beifall der Abg. Monika Chef FDP/DVP)

Sie wissen ja – Sie haben es schon erwähnt –, wer der Brem ser ist. Aber das ist kein Problem. Wir haben heute bei den Zügen keine Bremserhäuschen mehr, und insofern werden wir auch hier weiterhin vertrauensvoll zusammenarbeiten. Sie wissen ja: Wir als Liberale sind Graswurzeldemokraten,

(Heiterkeit)

wir wollen eine Demokratie, die von unten nach oben aufge baut wird und nicht umgekehrt. Deswegen ist uns das ein ganz wichtiges Anliegen. Deswegen sehen wir auch in diesem EUGrünbuch für eine Europäische Bürgerinitiative eine gute Möglichkeit, in Europa ein bisschen mehr direkte Demokra tie einzuführen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Stehmer SPD – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Mehr als in Baden-Württem berg!)

Wir haben immer gefordert, dass im Rahmen eines zusam menwachsenden Europas eine Bürgerbeteiligung auch auf eu ropäischer Ebene ermöglicht werden muss; denn Demokratie lebt unserer Auffassung nach von der Teilhabe der Bürgerin nen und Bürger am Staat und an der Gesellschaft, und wir sind auf allen Ebenen für mehr Freiheit, indem wir es mehr Men

schen ermöglichen, an der Gestaltung des Gemeinwesens teil zunehmen.

Sie wissen: Baden-Württemberg hat sich sogar im Bundesrat darum bemüht, die Hürden für die Europäische Bürgerinitia tive noch abzusenken. Die Kommission wollte das dann nicht. Aber an uns soll es bestimmt nicht liegen, wenn es darum geht, dies zu erleichtern.

Jetzt müssen wir abwarten, wie das Europäische Parlament letztendlich entscheidet. Auch dort werden wir darauf achten, dass es beim Subsidiaritätsprinzip bleibt. Die Abschaffung des Stierkampfes in Spanien und die Verlängerung der Sperrzei ten in den irischen Kneipen können also nicht Gegenstand ei ner solchen Initiative sein. Dasselbe gilt für den Neubau der wichtigen Eisenbahnverbindung zwischen Stuttgart und Ulm. Diese Hintertür bleibt Ihnen also nicht offen.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Aber das ist doch das Herz Europas! Da haben alle mitzubestimmen!)

Denn es wird klargestellt sein und ist schon im Entwurf klar gestellt, dass eine solche Initiative in den Rahmen der Kom missionsbefugnisse fallen muss. Sie beschränkt sich also auf Themen, die eines Rechtsakts der Europäischen Union bedür fen. Wir hoffen auf ein einfaches und nutzerfreundliches Ver fahren, das Betrug und Missbrauch verhindert und den Mit gliedsstaaten und vor allem den Kommunen keine unnötigen Verwaltungslasten aufbürdet.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wenn die Europäische Bürgerinitiative in diesem Sinn kommt, kann sie ein wichtiger Fortschritt für die Demokratie sein. Sie kann die Europäische Union bürgernäher gestalten und die grenzüberschreitende Debatte über EU-Themen fördern, in dem Bürgerinnen und Bürger einer Vielzahl von Mitglieds staaten zusammen ein gemeinsames Anliegen unterstützen.

Die Stärkung der demokratischen Entscheidungsprozesse, Kollege Stehmer und Kollege Walter, ist ein urliberales An liegen.

(Lachen des Abg. Wolfgang Stehmer SPD – Abg. Wolfgang Stehmer SPD: Nicht vergessen! – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Das ist aber irgendwie verloren gegangen!)

Die FDP bekennt sich zur repräsentativen Demokratie, aber wir wollen diese repräsentative Demokratie durch Elemente der direkten Demokratie bereichern. Durch mehr Beteili gungsmöglichkeiten werden Wege für mehr Demokratie er öffnet. Sie wissen: Von Freiheit und Demokratie können wir nie genug bekommen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Stehmer SPD: Nicht vergessen! – Abg. Jürgen Walter GRÜ NE: Wir freuen uns auf die nächste Beteiligung am Sonntag!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rech für die Landesregierung.

(Abg. Wolfgang Stehmer SPD: Wo ist der Europami nister? In Europa?)

Wir alle sind Europäer, der Innenminister auch – ein überzeugter. Deswegen freue ich mich, heute zu diesem Thema in Vertretung des Kollegen Pro fessor Dr. Reinhart reden zu dürfen.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Wo ist er denn heute? – Gegenruf von der CDU: In Europa! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Irgendwo in Europa! – Heiterkeit)

In Europa, bestimmt in Europa.

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Die Eu ropäische Bürgerinitiative war bereits im Verfassungsvertrag vorgesehen. Sie wurde jetzt in den Vertrag von Lissabon über nommen, und sie ist – ich denke, da sind wir uns einig – ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Bürgerbeteiligung und da mit auch mehr Demokratie in der Europäischen Union. Sie wird flankiert vom Vertrag von Lissabon, der da eine Stärkung – Kollege Walter hat es, glaube ich, zu Recht angesprochen – der nationalen Parlamente vorsieht. Damit wird auch die de mokratische Legitimation der Europäischen Union insgesamt gestärkt. Ich denke, auch darin sind wir uns einig.

Die Landesregierung – das will ich ausdrücklich betonen, mei ne Damen und Herren – setzt sich dafür ein, dass die Unions bürgerinnen und -bürger ihr neues Recht auf Mitwirkung in der Europäischen Union auch wirksam wahrnehmen können. Ansonsten würde das ganze Instrumentarium wenig helfen. Dafür ist es unabdingbar, die Europäische Bürgerinitiative möglichst bürgerfreundlich, transparent und verbindlich aus zugestalten.

Gleichzeitig muss aber der bürokratische Aufwand nicht nur für die Unterstützer einer Initiative, sondern insbesondere auch für die nationalen Behörden auf ein – ich sage es einmal so – unabdingbares Minimum beschränkt bleiben.

In diesem Sinn hat der Bundesrat auf Initiative des Landes be reits im Februar dieses Jahres zum Grünbuch der Kommissi on Stellung genommen. Ich will an dieser Stelle nur zwei As pekte unserer Initiative im Bundesrat, die mir wesentlich er scheinen, hervorheben.

Erstens: Die Festlegung eines Mindestalters für die Unterstüt zung einer Bürgerinitiative soll unabhängig von der nationa len Debatte über das Wahlalter sein. Es handelt sich bei der Europäischen Bürgerinitiative ja nicht um ein Wahlrecht. Des wegen sehe ich das differenzierter. Wir denken also daran, ge rade auch jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, in Eu ropa mitzureden. Die Festlegung des Mindestalters auf 16 Jah re könnte dazu beitragen, jüngere Menschen in besonderer Weise für Europafragen zu interessieren und frühzeitig die Be reitschaft zum politischen Engagement – gerade in Europaan gelegenheiten – zu wecken. Außerdem wäre die Festlegung auf 16 Jahre ein Signal des Vertrauens an die Jugendlichen, ein Zeichen, dass man ihnen zutraut, dass sie die Aufgabe se hen. Mit dieser Anregung wollen wir die Diskussion ansto ßen.

Zweitens: Die Unterstützer einer Initiative müssen sich auch online beteiligen können. Auch dies wurde gesagt. Wir holen die Bürgerinnen und Bürger dort ab, wo sie sich zunehmend aufhalten, nämlich im Netz. Ich bin zuversichtlich, dass wir die noch bestehenden technischen Schwierigkeiten – auch dies wurde angesprochen – beseitigen können.

Auf der Grundlage der Konsultationsergebnisse zum Grün buch hat die Europäische Kommission am 31. März 2010 ih ren Vorschlag für eine Verordnung zur Ausgestaltung der Eu ropäischen Bürgerinitiative vorgelegt. Wir haben den Land tag über den Inhalt unterrichtet. Deswegen muss ich das hier nicht noch einmal tun. Die erneute Befassung im Bundesrat ist für den 4. Juni 2010 geplant.

Der Vorschlag der EU-Kommission ist aus unserer Sicht je denfalls wirklich eine gute Grundlage. Wir betreiben hier kei ne Spiegelfechterei, sondern er ist eine gute Grundlage für die kommenden Beratungen.

Zahlreiche Fragen sind noch klärungsbedürftig; auch dies wurde von Herrn Kollegen Kluck schon gesagt. Die Prüfung der verschiedenen Einzelfragen ist innerhalb der Landesregie rung noch nicht abgeschlossen.

(Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)

Deswegen will ich nur zwei Bemerkungen machen, die ich unter den Vorbehalt dieser abschließenden Beratungen stelle.

Erstens: Wir begrüßen den Vorschlag der Kommission zur Mindestbeteiligung pro Mitgliedsstaat. Die Schwelle soll sich an der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments orien tieren. Für Deutschland würde dies einer Mindestzahl von 72 000 Unterschriften entsprechen. Für größere Mitgliedsstaa ten wie Deutschland ist dieser Vorschlag natürlich weit güns tiger als die vom Europäischen Parlament geforderte prozen tuale Schwelle von 0,2 % der Bevölkerung.