Protocol of the Session on May 5, 2010

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das weiß er nicht einmal selbst!)

Das ist mir auch nach Ihrer einführenden Rede nicht wirklich klar geworden. Sie sind kurz einmal in Panikmache verfallen und haben vom „Virus Griechenland“ gesprochen, um in ei nem Ihrer nächsten Sätze allen Griechen wieder die Bäckchen zu streicheln und zu versichern, sie selbst seien natürlich nicht gemeint.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Na, na! „Bäckchen streicheln“?)

Aber dieser Virus soll in Baden-Württemberg ausgebrochen sein. Ich glaube, Sie leben wirklich nicht in der Realität. Wir hätten vielleicht Probleme, wenn wir in den letzten 15 Jahren all Ihren Anträgen gefolgt wären. Dann wäre die Situation hier etwas instabiler.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das haben wir glücklicherweise nicht getan. Daher sehe ich jetzt auch nicht, weshalb gerade Baden-Württemberg Verant wortung für diese griechische Tragödie tragen soll. Der Feh ler ist nicht heute passiert. Der Fehler ist vor knapp zehn Jah ren passiert, als man Griechenland in die Eurozone aufgenom men hat.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wet zel FDP/DVP: Da waren die Grünen in der Bundes regierung!)

Natürlich, Herr Kollege Kößler, kann auch ich mir Europa nicht ohne Griechenland vorstellen. Wir haben aber andere europäische Länder nicht in die Eurozone aufgenommen, weil die Stabilität nicht gewahrt war. Damals hat die rot-grüne Bundesregierung schlicht und ergreifend nicht aufgepasst.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deswegen ist es besonders unangemessen, dass die Grünen jetzt Baden-Württemberg Verantwortung zuschieben wollen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen!)

Herr Hofelich, Sie haben völlig recht: Die Menschen sind in Sorge. Sie sind vor allem deshalb in Sorge, weil das eine Ma terie ist, die nicht einfach zu überblicken ist. Sie haben jetzt

wieder die Spekulanten angesprochen. Heute steht in der „Stuttgarter Zeitung“ ein Interview mit unserem Kollegen, Herrn Stratthaus – der gerade den Saal verlassen hat.

(Abg. Gerhard Stratthaus CDU: Nein, hier bin ich!)

Er ist doch hier; er ist nur weiter nach vorn gekommen. Wunderbar!

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er wollte näher bei Ihnen sein! – Heiterkeit)

In der „Stuttgarter Zeitung“ heißt es:

Die Spekulanten haben lediglich die Entwicklung ver stärkt und beschleunigt.

Aber sie waren mit Sicherheit nicht ursächlich.

(Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Aber verstärkt haben sie die Krise! Das müssen Sie zugeben!)

Aber den Menschen, die in Sorge sind, müssen wir eines sa gen, was auch das Bundesministerium für Finanzen in einer Verlautbarung ganz deutlich gesagt hat. Ich darf zitieren:

Die Hilfe liegt unmittelbar auch in unserem eigenen... In teresse. Sie ist als Ultima Ratio notwendig, um die Fi nanzstabilität im Euroraum als Ganzes zu sichern und er heblichen Schaden von der Bundesrepublik Deutschland

ich füge hinzu: auch von Baden-Württemberg –

abzuwenden.

Das ist nun wirklich der wichtige Teil.

Erfreulich ist, dass auch die Banken ihre Bereitschaft zur Mit wirkung erklärt haben.

Ich halte es schlicht für den falschen Platz, nun im badenwürttembergischen Landtag über Ratingagenturen und eine Neuordnung der Finanzmärkte zu debattieren. Deswegen wer de ich mich dazu auch nicht äußern.

Eines ist klar: Die Reederei „Europa“ muss ihr Flaggschiff „Euro“ sicher zwischen Szylla und Charybdis hindurchnavi gieren und muss aufpassen, dass es nicht vor Gibraltar auf neue Untiefen stößt. Aber ich bin zuversichtlich: Auch Odys seus ist – auch wenn es lange gedauert hat – schließlich wohl behalten wieder zu Hause angekommen. Und das hoffen wir auch – wobei eines klar ist: Die griechischen Schulden müs sen auf Dauer von den Griechen bezahlt werden. Wir helfen jetzt, weil sie diesen Überbrückungskredit brauchen. Wir müs sen Vertrauen in den Euro schaffen; das ist die wichtigste Bot schaft überhaupt. Daran wird Baden-Württemberg – auch im eigenen Interesse – mit Sicherheit so mitwirken, wie es not wendig ist. Aber wir müssen darauf achten, dass Finanzge schäfte solide gestaltet und abgesichert werden, um aus die ser Krise gut herauszukommen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Finanzminis ter Stächele.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar für diese Debatte, denn sie gibt uns Gelegenheit, das aufzuarbeiten, was vielen Menschen und auch uns Sorgen bereitet. Ich denke, es ist richtig, dass sich auch die Politik und die Politiker offen besorgt zeigen, wenn es darum geht, Herausforderungen die ser Art zu bewältigen. Es gibt keine Patentrezepte.

Ich denke, dass die Frau Bundeskanzlerin heute Morgen mit den folgenden zwei Sätzen das Richtige gesagt hat. Ich zitie re:

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Zu kunft Europas und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa.

Ihr zweiter Satz lautete:

Wir schützen unsere Währung, wenn wir handeln.

Und dann muss man als dritten Satz anfügen: Wir schützen Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland und auch in Ba den-Württemberg. Denn eines ist klar: Wenn der Überschuss in der Außenhandelsbilanz Deutschlands gegenüber Griechen land bei 6 Milliarden € liegt, dann kann man sich an fünf Fin gern ausrechnen, in welchem Maß baden-württembergische Firmen daran beteiligt sind.

Also kurzum: Es geht um viel, um sehr viel. Insbesondere für die, die jetzt glauben, man schiebe irgendwelche Gelder ir gendwo in den Mittelmeerraum, sage ich: Es geht ganz kon kret auch um Wirtschaft und Arbeitsplätze hier in Deutsch land.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen, Aus gangspunkt war damals im Grunde die Bitte des griechischen Staates, man möge doch den Unterstützungsmechanismus in Gang setzen. Sie kennen die dramatische Finanzproblematik, in die Griechenland wie in einen Strudel hineingezogen wur de. Es lohnt gar nicht, jetzt ein bisschen oberlehrerhaft noch einmal alles aufzuzeigen; es stand viel, fast zu viel in den Ga zetten. Ich finde, man sollte ein bisschen behutsamer damit umgehen.

Es sind Fehler gemacht worden. Sie sind eingestanden wor den. Man ist nunmehr bereit, mit einem gewaltigen Maßnah menpaket gegenzusteuern. Das Maßnahmenpaket der Grie chen ist gewaltig. Bis zu 30 Milliarden € will man sparen. Um diesen Betrag will man den Haushalt bis zum Jahr 2014 ent lasten. Bis dahin will man das Haushaltsdefizit, das jetzt 13 % des Bruttoinlandsprodukts beträgt, auf 3 % senken. Das ist so gewaltig, dass einem dabei fast der Atem stockt.

Unsere Finanzmärkte trauen der ganzen Geschichte heute noch nicht. Sie sehen: Der STOXX ist gefallen, und der DAX ist gefallen. Der Euro liegt aktuell bei 1,30 US-Dollar. Wenn sie dem derzeit noch nicht so ganz trauen, dann hängt das da mit zusammen, dass sie Angst haben, dass das Maßnahmen paket, das Ausgangsvoraussetzung für das Gelingen ist, viel leicht durch Instabilität bzw. politische Unruhen in Griechen land gefährdet werden könnte.

Es ist im Moment ganz wichtig, dass wir Zuversicht auch in Richtung der Finanzmärkte abgeben. Wir müssen sagen: Wir vertrauen den Griechen; sie werden es schaffen. Sie haben das

zu einer Überlebensfrage erklärt, und deswegen, Finanzmärk te, gebt jetzt bitte auch den notwendigen Vertrauensvorschuss.

In diesem Zusammenhang fand ich die Pressemitteilung der IHK Region Stuttgart – ich weiß nicht, ob Sie sie gelesen ha ben – nicht besonders gut. In der Begründung zu dem Gesetz entwurf, über den derzeit im Deutschen Bundestag debattiert wird, steht sinngemäß: Wir gehen davon aus, dass wir nicht in Anspruch genommen werden. Wir geben Kredite; wir ge hen davon aus, dass wir nicht in Anspruch genommen wer den.

Darüber kann man jetzt diskutieren. Aber ich finde, die Wirt schaft – in diesem Fall die IHK in ihrer gestrigen Presseerklä rung – sollte nicht von vornherein eine defätistische Haltung einnehmen. Man sollte nicht von vornherein das Scheitern herbeireden oder prophezeien. Denn jetzt ist ganz wichtig: Vertrauen ist das Kapital, das von dem Maßnahmenpaket in Griechenland und von dem, was wir jetzt mit insgesamt 110 Milliarden € schultern, ausgehen muss. 80 Milliarden € da von entfallen auf die Eurogruppe. Sie wissen, dass 22 Milli arden € davon Kredite der KfW sind, für die die deutsche Bun desregierung die Bürgschaft übernimmt.

Kurzum: Wir brauchen Vertrauen in das, was die Griechen tun, und dann bedarf es natürlich auch der Zuverlässigkeit, damit unsere Hilfen wirken können.

Ich bin übrigens nicht besonders angetan davon, dass schon heute darüber spekuliert wird, ob diese 110 Milliarden € aus reichen. Wenn dieser Tage namhafte Bundespolitiker in der Presse sagen, es könnten auch 150 Milliarden € sein, dann sa ge ich: Das ist im Moment alles Unsinn. Seien wir uns doch jetzt einfach einmal einig: Diese 110 Milliarden € sind der große Wurf. Die Politik zeigt erneut Gestaltungsfähigkeit, und wir sollten uns dahinterstellen.

Meine Damen und Herren, das Zweite ist, dass im Grunde schon seit der Finanzkrise die Aufgabenstellung lautet, in der Regulierung der Finanzmärkte endlich voranzukommen. Das ist eine Gratwanderung; niemand von uns will Banker spie len. Die Politik will nicht so stark regulieren, dass sie am Schluss selbst Finanzmarkt ist. Es ist also schon gekonnt und richtig, dass man schaut, was man umsetzen kann.

Ich will Ihnen nur einmal stichwortartig vortragen – wir kön nen vielleicht im Finanzausschuss darüber reden –, was im Moment in der Röhre drinsteckt, um einfach einmal zu zei gen, dass die Politik nicht untätig ist:

Das Vorstandsvergütungsgesetz ist verabschiedet. Zum Aus führungsgesetz zu Ratingagenturen kam am 16. September 2009 der Erlass der EU-Verordnung. Das Ausführungsgesetz befindet sich im Gesetzgebungsverfahren. Die Umsetzung der EU-Bankenrichtlinie und der EU-Kapitaladäquanzrichtlinie befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren. Der Ent wurf eines Gesetzes über die aufsichtsrechtlichen Anforde rungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versi cherungsunternehmen befindet sich ebenfalls im Gesetzge bungsverfahren. Dann gibt es die Weiterentwicklung der Ba sel-II-Regeln. Die Neuordnung der Finanzaufsicht auf euro päischer und auf nationaler Ebene ist im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP enthalten. Die EU plant, den Deriva tehandel zu regulieren.

Die Finanztransaktionssteuer ist ebenfalls ein aktuelles The ma. Dazu muss man allerdings eine Anmerkung machen, die wichtig ist – Herr Hofelich, Sie haben es angesprochen –: Prä sident Haasis hat heute Morgen auch noch einmal eine Trans aktionssteuer befürwortet. Ich sage Ihnen frank und frei: Wenn sie global machbar ist – genau so fordert es Haasis – und nicht verkürzt wird, nicht nur auf die nationale Ebene oder auf den europäischen Raum bezogen wird, dann wäre ich dafür. Aber isoliert geht es nicht.

Wenn diese Steuer vielleicht bei 0,5 % liegen könnte, dann würde die Börse in Stuttgart mit ungefähr 500 Millionen € be lastet. Jeder kann sich an fünf Fingern abzählen, dass eine ein seitige nationale Finanzmarktbelastung deswegen nicht infra ge kommt. Aber dass das eine geeignete Form wäre – ich bin ein bisschen enttäuscht, dass man hier nicht weiter vorange kommen ist –, gestehe ich in der Tat zu. Es ist auch erklärte Politik der Bundesregierung, hier weiterzuarbeiten, selbst wenn die ersten Schritte nicht sehr erfolgreich waren.